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DER SPEDITEUR#

Als Kommerzialrat Perl seinen 80. Geburtstag beging wurde er aufgefordert aus seinem interessanten Leben zu berichten.

­SCHULE ABBRECHEN

Schon sein Vater betrieb in Wien ein kleines Speditionsunternehmen, das jedoch schwer unter den Zeitläufen litt und nicht recht hochkommen wollte. Als er 1875 starb, musste der erst 17jährige Sohn die Schule verlassen und den Betrieb, der damals in der Goldegg Gasse 16 untergebracht war, übernehmen. Die wirtschaftliche Situation war sehr ungünstig, da ein Schuldenstand von 28.000 Gulden vorlag. Der junge Perl stürzte sich in die Arbeit, und es gelang ihm auch, die Firma vor der Liquidation zu bewahren. Kaum war die Fortführung des Unternehmens notdürftig gesichert, rief ihn der Kaiser unter die Waffen und Perl machte die Okkupation Kämpfe anlässlich der Besetzung Bosniens und der Herzegowina mit, während zu Hause wieder, mangels einer geordneten Leitung, alles an den Rand des Zusammenbruches geriet.

NEUE IDEE

Als er zurückgekehrt war, begann er wieder von vorne, stellte sich jedoch völlig auf den Überlandtransport um und begann als erster Österreicher Übersiedlungen nach außereuropäischen Kontinenten, die bis dahin nur durch Verfrachtung in die Bahnwaggons oder Einlagerung in das Schiff, durchgeführt werden konnten, mit direkten Möbelwagen durchzuführen. Erstmalig 1892 übersiedelte er den österreichischen Gesandten in Tokio von Wien nach dort und später nach Washington.

Als die neuen Museen auf dem Ring fertig gestellt waren, übertrug man Perl die Einbringung der bisher an verschiedenen Plätzen eingelagerten Schaustücke. Für diese Arbeit, die fast zwei Jahre in Anspruch nahm, erhielt er die heute fast lächerlich gering anmutende Summe von 685 Gulden, (Im Jahr 1820 waren 685 Gulden heute 13.712.47 Euro).

Kaiserhaus
Erzherzogin Marie Theresia
Mann
Marie Valerie

KAISERHAUS

Als er 1894 einen Transport auf das ungarische Gut der Erzherzogin Maria Theresia zu deren größten Zufriedenheit ausführte, erhielt er in der Folge den Titel eines Hofspediteurs. Kronprinz Rudolf bediente sich von da ab stets seiner, um seine großen Jagdsammlungen zu den verschiedenen Ausstellungen zu schaffen.

Anlässlich der großen Jubiläumsausstellung in Budapest 1895 sollte die bei den Kapuzinern in Wien verwahrte Bursa des hl. Stephan dorthin gebracht werden. Perl erhielt den Auftrag, dies durchzuführen. In Anbetracht des überaus wertvollen Stückes beschloss er, den Auftrag persönlich auszuführen, mietete ein Separat Abteil im Zug. Da dieser stark besetzt war, versuchten wiederholt andere Mitreisende in das Abteil einzudringen. Perl der fürchtete, dass darunter auch dunkle Ehrenmänner seien, die es auf das wertvolle Transportgut abgesehen hätten, warnte jeden, der diesen Versuch unternahm, mit dem Hinweis darauf, dass er bei der Bahnfahrt oft Anfällen gewalttätiger Natur ausgesetzt sei und deshalb allein reisen müsse, worauf sich prompt die Fahrgäste stets schleunigst verzogen.

Der größte Transport, der aus Österreich je abgegangen ist, wurde von Perl, der seinen Fuhrpark erheblich vergrößert hatte, 1903 durchgeführt, als die Großherzogin von Luxemburg unter Zuhilfenahme von 54 Möbelwagen auf ihre rheinische Besitzungen übersiedelte. Auch die Verbringung des Umzugsgutes der Kaisertochter Marie Valerie von Wels nach Wallsee und die Transporte für Kaiser Franz Joseph bei den Herbstmanövern und nach Ischl wurden ihm stets übertragen.

Kaiserhaus
Kronprinz Rudolf

Einer besonderen Wertschätzung erfreute sich Perl auch von Seiten des Thronfolgers Franz Ferdinand. Franz Ferdinand, der begreiflicherweise bei Ankauf von antiken Stücken befürchtete, als Erzherzog übervorteilt zu werden, benützte bei solchen Anlässen den Namen seines Spediteurs als Pseudonym und ließ ihn dann von dem Ankauf verständigen. In Meran hatte der Thronfolger in einem Laden einige Stücke alt Tiroler Hausrat erstanden und ordnete sie unter dem Namen Perl in sein Hotel. Zufällig war Perl einige Tage später gleichfalls in Meran anwesend und tätigte im gleichen Unternehmen einen Einkauf, der in sein Hotel geschickt und dort bezahlt werden sollte. Der biedere Tiroler aber sagte ihm auf den Kopf zu, dass er ein Schwindler sei, denn der richtige Perl sei erst vorige Woche dagewesen, und der hätte ganz anders ausgesehen. Nur mit Mühe gelang es schließlich, sein Misstrauen zu zerstreuen, aber er beharrte auf sofortige Bezahlung, denn sicher ist sicher. mochte er denken.

Als der Herbst 1914 durch den Russeneinbruch in Ungarn eine Gefährdung Wiens in den Bereich der Möglichkeit gerückt war, ließ Perl durch fast ein Jahr hindurch kein Gefährt ausfahren, da er beauftragt war, den Abtransport der Museumsgüter und anderen Kostbarkeiten, die geborgen werden sollten, sicherzustellen. Ein Jubiläum konnte er in dieser Zeit inso ferne feiern, als er für den Ministerpräsidenten Baron Burian zum 25. Male den Umzug besorgte, nachdem er diesen als Diplomaten vorher schon in alle Stätten seines Wirkungskreises mit seinen Transportwagen begleitete.

TRANSPORTAUTO

1907 stellte Perl das erste in Österreich verwendete Möbeltransportauto in Dienst.

Während des Krieges als Sechzigjähriger von einer ernsten Lungenentzündung befallen, konnte er nicht mehr voll den Ansprüchen seines Unternehmens genügen und übergab es drei Jahre später in andere Hände. Aus dem kleinen Unternehmen in der Goldegg Gasse mit zwei Wagen und zwei Paar Pferden war im Laufe von 45 Jahren ein Großbetrieb mit vierzig Möbelwagen von neun Meter Länge und einem Fuhrpark von 36 Pferden und Kraftfahrzeugen geworden. Zwei riesige Lagerhäuser in der Pfeilgasse 14, heute ein Wohnhaus, und im 14. Bezirk Gröllgasse 3 bis 5 hatten sich zu vier neu errichteten Filialen und der Zentrale Rückertgasse gesellt. Ein vorbildliches Verhältnis verband Perl mit seinen Untergebenen und es gab nie einen Streit in seinem Betrieb, da seine Löhne stets höher waren, als anderswo. Die gleiche Fürsorge erstreckte sich auch auf das Pferdematerial. Die Kutscher mussten sich verpflichten, ohne Peitsche auszukommen.

Beim Aufbau seines Lebenswerkes stand Kommerzialrat Perl, seine Gattin, die in das Unternehmen als fremdsprachige Korrespondentin eintrat, treu zur Seite.

ERINNERUNGEN

Von den Transporten aus Übersee hatten die Begleiter ihrem Chef stets volkskundliche Gebrauchsgegenstände, Waffen und anderes mitgebracht, so dass sein Mödlinger Haus einem kleinen Museum gleicht. Seine ganze Liebe hat er jedoch dem Österreich des vorigen Jahrhunderts bewahrt; davon finden sich in seinem Heim eine Unzahl von Zeugen der Vergangenheit. In der großen Gläser Sammlung fällt ein einfaches, Gold verziertes Kelchglas aus dem Eigentum des Kronprinzen Rudolf aus dem Jagdschloss Mayerling aus. Darunter befindet sich ein Halbliter Glas mit Zinndeckel, es ist der Bierkrug Dr. Luegers, der ebenso wie dessen letzte Zigarre, einen Ehrenplatz hat. Prachtvolle böhmische Gläser gibt es da, darunter einen wunderbaren Pokal aus Rubin der in einer Monate langen Handarbeit entstanden, eine Jagdszene zeigt.

Das einzige Bild Franz Schuberts, das mit seiner eigenhändigen Unterschrift signiert und von Kuppelwieser gezeichnet ist, nimmt unter der Bilder Sammlung einen besonderen Platz ein. Die Visitenkarte Kaiser Franz Josephs und seine schlichte Tonpfeife erinnern an den großen Monarchen. Auf einem Schrank prangen zwei sogenannte Bunzlauer Krüge, von Böttcher auf dem Königstein als er Gold machen wollte und das Porzellan erfand, angefertigt. Sie wurden bei einem Trödler in Wien um eine Krone als Milchhäferl erstanden. Mit liebevoller Arbeit hat Kommerzialrat Perl hier die Zeugen entschwundener Epochen zusammengetragen und das kleine Haus birgt mehr als manches Provinzmuseum. Bilder alter und moderner Meister (Jan Breughel) sind liebevoll harmonisch vereinigt.

Manche Stücke haben seltsame Schicksale. Da gibt es eine Wandverkleidung aus dem Café Daum aus Berlin um 1800. Ein Teil davon wurde in Neuwaldegg, der andere in Rekawinkel aufgefunden. Skulpturen und eine reichhaltige Porzellan Sammlung vervollständigen den musealen Charakter des Hauses, das in seinen vier Wänden den Geist des alten Österreich atmet und uns mit seinem Besitzer aus dessen von weißen Haar umrahmten frischen Gesicht zwei muntere Augen blitzen, an eine Zeit gemahnt, die wir gerne zurückrufen würden, da sie vielleicht wohl auch nicht immer die gute alte, aber wesentlich geruhsamer als unsere Tage war.

Quelle Kleine Volksblatt/H. Krieger, ÖNB. Bildmaterial: Graupp I.Ch.

https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/DER_SPEDITEUR