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DIE BALLONFAHRT#

Wien
Viktor Silberer

Am 5. Juni 1890 um 19 Uhr 30 erhob sich in der äronautischen Anstalt im Prater der „Vater Radetzky“, der Riesenluftballon des Herrn Silberer, majestätisch in die Lüfte, von den tausendstimmigen Jubel einer ungeheuren Menschenmenge begleitet, welche außerhalb der schützenden Planken stundenlang ausgeharrt, bis das etwas lang wirrige Werk der Füllung beendet war. Nur wenigen Personen war es bekannt, dass es diesmal nicht wie sonst nur Offiziere waren, welche als Passagiere die geräumige Gondel bestiegen hatten: die liebenswürdige Künstlerin unseres Burgtheaters, Frau Schratt, hatte bereits vor längerer Zeit den Wunsch geäußert, einmal eine Ballonfahrt mitmachen zu können und Herr Viktor Silberer gab ihr diesmal Gelegenheit, von Wolkenhöhe herab das Wien zu betrachten, worin sie so viele Freunde besitzt. Die Geduld der beherzten Frau wurde allerdings auf eine harte Probe gestellt. Schon für 4 Uhr 30 war die Auffahrt angesagt und zur festgesetzten Zeit hatte sich Frau auch pünktlich eingefunden. Aber durch eine Verkettung von Umständen waren die Arbeiter der Gasanstalt nicht rechtzeitig zur Stelle, so dass um die Zeit, als die Auffahrt von statten gehen sollte, erst mit der Füllung der Ballons, welche nahezu drei Stunden in Anspruch nahm, begonnen werden konnte. Die Künstlerin jedoch, welche in Begleitung des Herrn Alexander von Baltazzi erschienen war, ließ sich die lange Wartezeit nicht verdrießen, um die bei den vorherrschenden besonders günstigen Umständen voraussichtlich sehr genussreiche Luftfahrt mitmachen zu können. Mit großer Aufmerksamkeit folgte Frau Schratt der Tätigkeit der den Ballon bedienenden Soldaten und bestieg endlich um halb 8 Uhr als alles zur Auffahrt bereit war, als letzte der Passagiere die Gondel. Vor ihr hatten in derselben Platz genommen die Herren Silberer, Leutnant Hinterstoißer vom Eisenbahn Regiment, welcher der militärischen Luftschiffer Abteilung zugeteilt ist, und der bekannte Sportsman Alexander von Baltazzi. Ohne jedes Zeichen von Befangenheit vertraute sich die Künstlerin dem ungewohnten Fahrzeug an und grüßte, als der letzte Halt gelöst war, mit dem Taschentuch nach unten die wenigen Bekannten, welche zugegen waren, die ihrerseits wieder durch Hüte schwenken der Künstlerin antworteten. Die Auffahrt des Ballons ging in der regelmäßigen Weise vor sich und derselbe schlug die Richtung gegen das Marchfeld ein. Die Luftströmung war eine ziemlich schwache und nur langsam entfernte sich der Ballon aus dem Gesichtskreis. Mit Rücksicht auf die schon einbrechende Dunkelheit wurde die Fahrt, welche ursprünglich für fünf Stunden in Aussicht genommen war, sehr eingeschränkt und die Absicht geäußert, nach einer Stunde Fahrtdauer wieder zu landen. - Um 11 Uhr nachts wird und gemeldet, dass der Ballon nach einstündiger ruhiger Fahrt ohne Zwischenfall bei Aspern gelandet ist. Oberleutnant Trieb von der militärischen Luftschiffer Abteilung war in der Richtung des Ballons im Fiaker nachgefahren und langte kurz nach der Landung in Aspern an. Von hier fahren Frau Schratt, Herr von Baltazzi und Herr Silberer nach Wien zurück, während Oberleutnant Trieb und Leutnant Hinterstoißer es sich nicht nehmen ließen, mit dem bereits halb geleerten Ballon nochmals aufzusteigen und in der Richtung gegen Fischamend in die Nacht hinein segelten. Über das weitere Schicksal des Ballons wird erst heute Vormittag Näheres bekannt werden. Herr Silberer stellte der Frau Schratt, die ihre erste Luftfahrt unternommen hatte, das beste Zeugnis aus. Die Künstlerin zeigte keine Spur von Lampenfieber und benahm sich in der Höhe so unerschrocken, als befände sie sich auf der Bühne des Burgtheaters, wo sie sich bekanntlich so sicher zu bewegen weiß. Der Ballon stieg bis an die Höhe von 800 Metern. Frau Schratt wollte aber noch höher und wusste den mitfahrenden Offizier zu bewegenm, immer wieder Ballast auszuwerfen, bis Herr Silberer dagegen sein Veto einlegte. Was würden Sie, gnädige Frau, dazu sagen, wenn jetzt die Stricke rissen? Fragte einer der Mitfahrenden – O, ich fürchte mich nicht, ich kenne das Gruseln nicht, antwortete lächelnd die unerschrockene Künstlerin.

Der Kaiser hatte das Schratt Abenteuer aus der Zeitung erfahren und war darüber natürlich nicht erfreut, dass sie so leichtsinnig gehandelt habe.

Quelle: Neues Wiener Tagblatt ÖNB

User/Graupp Ingrid-Charlotte