DIE PRÄSIDENTIN#
Anna Friedl-Eichenthal wurde am 31. Jänner 1844 in Znaim als Tochter eines Bauunternehmers geboren. In Wien genoss sie eine sorgfältige Erziehung und hatte die festen Charakterzüge ihres Vaters geerbt.
Sie heiratet August Eichenthal mit dem sie bis zu seinem Tod am 10. Februar 1918, in 42 jähriger glücklichen Ehe verbunden war. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Antonia.
Am 1. Februar 1887 tritt sie dem Österreichischen Hebammen Verein bei.
Die Redaktion „Die kluge Frau“ wird von ihr wegen der Hebammen Berichte kritisiert. Die Redaktion will sie wegen Verleumdung klagen und meint sie verbreite Lügen. Ab 10. Juli 1888 ist Friedl-Eichenthal Präsidentin der Hebammen Bewegung.
Die Hebammen-Zeitung am 15. März 1899 schreibt über die Präsidentin: „Von der gewiss berechtigten Erwägung ausgehend, dass es vielen unserer Mitglieder, besonders in der Provinz ein Bedürfnis ist, die Seele der Hebammen Bewegung in Österreich unsere Präsidentin Frau Friedl-Eichenthal kennen zu lernen, suchten wir schon lange nach einer Gelegenheit, das Bild derselben unseren Lesern in unserem Organ vorzuführen. Dieselbe bietet sich nun uns jetzt dar, indem wir das am 9. März statt gehabte 25jährige Hebammen Jubiläum derselben zum Anlasse nehmen zum Zeichen unserer innigsten Verehrung für diese ausgezeichnete Frau.
Der Name „Friedl-Eichenthal“ bedeutet für die Hebammen Wesen in Österreich alleine in Programm. Diese Frau mit dem scharfen Blick, die ebenso einen eisernen Willen als eine eiserne Hand ihr eigen nennt, hat es sich zur dankbaren Lebensaufgabe gestellt, das Hebammen Wesen aus dem Sumpf, in dem es – auch zum großen Teil durch eigene Schuld - zu versinken drohte, zu der seinen idealen und erhabenen Pflichten angemessenen Höhe emporzuziehen, Das Standes Bewußtsein der Hebammen zu heben und ihr eine geachtete Stellung und außer den Kreise seiner Klientel zu verschaffen, bildete den roten Faden, der sich durch den ganzen, dieses ferne Ziel aufstrebenden Ideengang dieser Frau hindurchzog. Frau Eichenthal, welche die Schäden und Mängel des Hebammen Wesens so genau kennt, wie kein anderer diesem Berufe nahe stehender Faktor, hatte es auf den ersten Blick erkannt, dass in erster Linie durch eine rigoroser Auswahl des zum Hebammen Stande bestimmten Material diesem Stande in materieller und sozialer Beziehung geholfen werden könne.
Ihrem festen Auftreten, ihrer zielbewussten Leitung gelang es nun, ein Häuflein gleichgesinnter Frauen um sich zu scharen und wie der Stein, der ins Wasser geworfen, immer größer und größere Wellenkreise hervorruft.
Der Hebammen Verein ist ein Faktor geworden, der Achtung gebietend dasteht. Eine Meisterin des Wortes, bedarf dieser weibliche Demosthenes zu seinen Reden keiner Vorbereitung. Wie weich fließen ihre Worte und wie zum Herzen weiß diese Frau zu sprechen, wenn sie auf den wichtigsten Zweck des Vereines, den armen elenden Kolleginnen in ihrer Not beizustehen, zu sprechen kommt. Wie vibriert vor aufrichtigem Mitleid ihre Stimme, wie tiefes Weh tönt aus ihren Worten, wenn sie jener gedenkt, denen es nicht möglich ist, für ihre alten Tage einen Notpfennig zurückzulegen, wie weiß sie sich in das Seelenleben derjenigen einzufinden, die einem so schweren und sorgenvollen Alter entgegen gehen.
Wir schätzen in unserer Präsidentin eine Frau, die zu jedem Opfer, das ihren Kolleginnen gilt, bereit ist.
Was diese Frau für den Hebammen Stand bedeutet, wissen wohl nur diejenigen zu schätzen.welche die Größe und die bahnbrechenden Ideen derselben kennen.Was diese Frau für das Hebammen Wesen bereits geleistet hat, welche großen materiellen Vorteile sie dem Verein bereits zuzuwenden wusste, ist jeder Kollegin bekannt. Der Name „Friedl-Eichenthal“ bedeutet für das ganze Hebammen Wesen eine Umwälzung von weittragender Bedeutung. In der Geschichte des Hebammen Wesens bleibt aber ihr Name mit ehernem Griffel und goldenen Lettern für immer eingeschrieben!“
Die Versammlungen fanden entweder im alten Rathaus, in der Volkshalle des neuen Rathauses oder im Bezirksamt im 9. Bezirk statt und hatten einen steten Zulauf. Protektor dieser Veranstaltung war Prof. Dr. Rokitansky. Die Hebammen waren für die Bevölkerungszunahme. Die Reichsorganisation für Hebammen hielt eine Versammlung ab, bei der die Präsidentin Anna Eichenthal über die Maßregeln sprach, die zur Abhilfe des Geburtenrückganges und zur Hebung der Säuglingsfürsorge, insbesondere auf dem Land getroffen werden sollen. Es wurden folgende Anregungen gegeben: Zur Hebung der Geburtenziffer muss darauf hingewirkt werden, dass der Fruchtabtreibung nach Möglichkeit Einhalt geboten wird und dass das Pfuscherinnen Wesen ausgerottet werde. Zur Säuglingsfürsorge soll eine längere Ausbildung der Hebammen und ein Säuglings Pflegekurs obligatorisch eingeführt werden. Auch sollten Fortbildungskurse für Hebammen bestehen. Jede Hebamme soll eine Broschüre über die Geschlechtskrankheiten erhalten, damit sie rechtzeitig die Krankheiten erkennt und Erkrankte dem Arzt überweist. In Landgemeinden sollen zu Hand der Hebammen Merkblätter ausgegeben werden, die den Müttern zur Belehrung über die Pflege des Kindes dienen. Die Hebammen sollten vom Staat oder den Gemeinden so entlohnt werden, dass sie ihr Auskommen finden. Auch müsste die Gemeinde für eine anständige Wohnung sorgen und eine Pension fürs Alter sichern. Diese Vorschläge werden dem Ministerium des Innern und dem Unterrichtsministerium unterbreitet werden.
Aus dem Dorf Aggsbach in der Wachau wird gemeldet: Vor einigen Tagen war unsere stille Waldidylle der Schauplatz einer ebenso schönen wie sinnigen Ovation, welche die hier weilenden Wiener Sommergäste der bereits seit fünfunzwanzig Jahren alljährlich in Aggsbach Dorf auf Sommerfrische weilenden Frau Anna Eichenthal darbrachten. Bei einbrechender Dunkelheit ertönten Pöllerschüsse und bald darauf bewegte sich ein origineller, ganz in Weiß gehaltener . Fackelzug zu Paredschneider Restauration .Vor dem Stammtisch der Familie Eichenthal wurde Halt gemacht, worauf nach einer kernigen Ansprache seitens des Herrn Alarich Trubert aus Wien die Damen Fräulein Irmgard Teubert und Fräulein Hilda Serini die Ehrengaben bestehend in einem Waldblumenstrauß und einem Eichenkranz mit Schleifen, überreichten. Ein brillantes Huldigung Feuerwerk bildete den Schluss dieser schönen Feier, welche Zeugnis ablegte von der Beliebtheit der Frau Eichenthal bei ihren Wiener Freunden.
Frau Eichenthal, die im Aggsbacher Volksmund nur die „Christbaummutter“ heißt, sammelt seit 25 Jahren unermüdlich Geld und Gaben für die Weihnachtsbescherung, so dass der Christbaumfonds bereits gegen 3000 Kronen beträgt.
Frau Eichenthal wurde Ehrenbürgerin von Dorf Aggsbach
Als Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet wurde, erschien in der Hebammen Zeitung ein Nachruf. Am Donnerstag den 15. September fand im Vereinslokal eine außerordentliche Sitzung statt, zu welcher die Ausschussfrauen in schwarzer Kleidung erschienen waren. Die Präsidentin Frau Friedl-Eichenthal hielt vorstehende Trauerkundgebung, worauf die Versammlung geschlossen wurde.
Mit allerhöchstem Entschluss von Se Majestät Kaiser Franz Joseph in Anerkennung ihrer vieljährigen verdienstvollen Tätigkeit wurde der Präsidentin Friedl-Eichenthal die Elisabeth Medaille verliehen. Die Auszeichnung wurde der Präsidentin am 1. September 1899 zuteil.
Am 1. Mai 1910 wurde Anna Friedl-Eichenthal neuerlich zur Präsidentin gewählt.
1914 fand der III. Hebammen-Kongress statt. Darunter befand sich Prim. Dr. Rosenfeld, Leiter des Kaiserin Elisabeth Wöchnerinnenheim Lucina.
Frau Eichenthal unterhielt auch das Geschäft mit der Kinder-Dezimalwaagen-Verleihung,
Anna Friedl-Eichenthal Leben verlosch am 28. März 1931. Sie wurde 88 Jahre alt. 33 Jahre lang war sie Präsidentin des Unterstützung Vereines für Hebammen. Seit 60 Jahren war sie Abonnentin der „Volks-Zeitung“ und wohnte mehr als 50 Jahre in demselben Haus, Himmelpfortgasse 11. Es war ihr Wille, in aller Stille beerdigt zu werden und dass ihre Freunde und Bekannten erst nach dem Leichenbegängnis verständigt werden. Frau Eichenthal war eine bekannte Persönlichkeit, die schon vor 40 Jahren, eine feste Organisation der Hebammen geschaffen und bei der Verfassung der Hebammen Vorschriften in hervorragender Weise mitgewirkt hat.
Ihrem letzten Wunsch, der Öffentlichkeit von ihrem Hinscheiden durch die „Volks-Zeitung“ Kunde zu geben, hat uns die Tochter der Dahingeschiedenen durch Herrn Kommerzialrat Heinrich Schwarz übermittelt.
Quelle: Hebammen-Zeitung und andere Zeitschriften der ÖNB
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