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DIE TISCHLERHERBERGE#

Wien
Tischlerherberge Copyright Schaub-Walzer PID

Die alte Tischlerherberge befand sich in der Ballgasse 8. Dieses Haus ist sehr alt; es lag ursprünglich als Zuhaus hinter dem Himmelpfortkloster in dem schmalen, gekrümmten Gässchen, das vom Franziskanerplatz zur Rauhensteingasse führt. Es wechselte zufolge der wiederholten Nummerierungen seine Nummer und trug 1566 die Nr. 931, 1664 die Nr. 881, 1749 die Nr. 442, 1771 die Nr. 1344, 1795 die Nr. 985, 1822 die Nr. 929. Die Gegend hieß „auf der Dagkhen“, eine Bezeichnung, welche von dem in der Rauhensteingasse befindlichen „Malefitzspitzbubenhaus“ wo die Verbrecher auf Strohdecken liegen mussten, hergeleitet wird, oder auch vom Besitzer einer Strohmattenhandlung, dem das Haus Nr. 8 gehörte Ulrich der Thakner (1367) Es ging dann in den Besitz des Wiener Bistums über und 1546 hatte es Augustin Hirschvogel gemietet. 1566 war Georg Stadler, Maurer, Besitzer.

Als das Ballspiel in Wien, von Ferdinand I., aus seiner spanischen Heimat hier eingeführt, mit großem Eifer betrieben wurde, entstanden außer dem Hofballhaus noch drei weitere Privatballhäuser, in der Teilfaltstraße, in der Himmelpfortgasse und in dem Haus Nr. 8, wovon das Gässchen dann den Namen erhielt.

Das Ballspiel kam zu Beginn des XVII., Jahrhunderts außer Übung und die drei Ballhäuser wurden nun wandernden Komödiantentruppen zur Vorführung ihrer Künste überlassen. Besondere Berühmtheit erlangte jenes in der Himmlpfortgasse, das Boyersche, das seit 1628 bestand und um 1701 infolge der Erbauung des Palais des Prinzen Eugen von Savoyen verschwand.

So pachtete 1658 die Stadt Wien auch das im Ballgäßchen und vermietete es fallweise an Komödienprinzipale. Es diente vornehmlich italienischen Truppen, während in der Teinfaltstraße deutsche Komödianten sich produzierten. Den ursprünglich sehr primitiven Schaustellungen von Policinellspielern, Seiltänzern und anderen fahrenden Volk folgten später zu Beginn des XVIII., Jahrhunderts regelrechte Aufführungen komischer Opern unter der Leitung Calderonis, nach ihm Scio und Ristori, die großen Beifall und lebhaften Zulauf fanden.

Das Haus war 1684 in den Besitz des Unternehmers Stephan Abiso übergegangen und als im Jahr 1708 nach Erbauung des Kärntnertortheaters die Vorführungen innerhalb der Stadt aufhören mussten, wurde es als Privathaus an Johann Dellheuß verkauft, von dessen Erben es an Johann Bapt. Edler von Zoller kam.

Im Jahr1772 erschien die Verordnung Maria Theresias, vollständige Herbergen, „wo alle arbeitslosen Gesellen untergebracht werden mögen“, beizustellen.

Die Innung der Tischlermeister befand sich bisher am Salzgries, deren Gesellenlade auf der Landstraße beim „Schwarzen Bock“, wo auch die Zusammenkünfte stattfanden, Die Tischlermeister traten nun mit dem Konsistorialrat Zoller in Unterhandlungen, die den Ankauf des alten Ballhauses bezweckten. Der geforderte Kaufschilling wurde mit 5000 Gulden vereinbart, wovon 3000 Gulden von den Obervorstehern Schenk und Schuhwerk vorgestreckt wurden, während der Rest binnen Jahresfrist beglichen werden sollte. An Stelle des alten Ballhauses erhob sich ein vier Stock hoher Neubau, dessen Baukosten 19.000 Gulden betrugen, die von der Meisterinnung aufgebracht wurden; er war im Juli 1773 vollendet und enthielt etwa 30 Zimmer. Infolge der Erweiterung des Gewerbes sank sank der Zinsertrag und seit 1870 wurde das Gebäude ausschließlich für Genossenschaftszwecke benützt. Im Parterre befanden sich Warteräume, im ersten Stock Kanzleien, Meisterzimmer und der Sitzungssaal, im zweiten und dritten Stock die Schlafräume für die Gehilfen, während das vierte Stockwerk vom Genossenschaftspersonal bewohnt war. 1893 übersiedelte die Genossenschaft in ein neues Heim, Ziegelofengasse 5; seither erinnert nur mehr die über dem Tor angebrachte Tafel: „Der bürgerlichen Tischler Herberg 1772“ an die Widmung des schlichten Gebäudes, das nun nach 140jährigem Bestand verschwinden wird.

Die in diesen Blättern (1911, Nr. 7 und 8) gemeldete Auslassung der Alserkaserne ist vollzogen.Schon verkünden aufwirbelnde Staubwolken und das Niederprasseln zertrümmerter Mauerteile das Ende dieses Altwiener Bauwerkes. Auf der Stätte, wo zünftige Krieger gehaust, wird sich – ein Zeichen der Zeit – ein Bankpalast erheben. Mag das Gebäude, von wenigen betrauert, der neuen Zeit zum Opfer fallen, so sollte doch ein daran befindliches unscheinbares Erinnerungszeichen festgehalten werden.

Vor dem fünften Fenster der Front an der Alserstraße steht ein schlichter Stein, von vielen, die vielleicht darüber stolperten, unangenehm bemerkt, der aus jener Zeit stammt, da noch Wall und Graben die Innere Stadt umschlossen. Er bezeichnet als Markstein jene Entfernung, innerhalb welcher Gebäude nicht aufgeführt werden durften bezw. Vorhandene der Demolierung anheimfielen; er begrenzte das Glacis.

Die Beschränkung der Bautätigkeit in der Nähe der Festungswerke datiert bereits seit 1531, wo der Befehl erging,, die vor dem damaligen Stubentor gelegene Vorstadt abzubrechen. Die ursprünglich festgesetzte Zone betrug 50 Klafter vom Stadtgraben; sie wurde unter Rudolf II., im Jahr 1596 auf 800 , nach Verhältnissen auch 1000 Schritte hinausgeschoben und durch gesteckte „Markstangen“ bezeichnet. Nach der zweiten Belagerung 1683 wurde diese Bauverbotszone mit 600 Schritten festgesetzt und durch „Marksteine“ fixiert.

Trotz wiederholter sehr strenger Befehle gelang es den Behörden aber nicht, den Raum tatsächlich vollkommen frei zu halten, wohl auch deshalb, weil sie selbst vielfach Ausnahmen gestatteten, allerdings gegen Ausstellung eines Demolierungsrevers, um den sich natürlich im Augenblick drohender Gefahr niemand kümmerte.

Der erwähnte Markstein, in seinem gegenwärtigen Zustand völlig unkenntlich, wird wahrscheinlich in ein städtisches Depot wandern oder was auch nicht unmöglich wäre, mit dem Abraum verschwinde, Ihn an seiner Stelle zu belassen, dürfte nicht durchführbar sein, da die Alserstraße verbreitert wird. Zunächst sei den Bauausführenden die Erhaltung ans Herz gelegt; sobald der Stein ausgehoben und auf eine darauf vorhandenen Inschrift untersucht sein wird,, könnte er gewiss ohne Schwierigkeit zur bleibenden Erinnerung an einer der derzeitigen Lage entsprechenden Stelle in die neue Fassade eingefügt werden zum sinnfälligen Denkmal an die Zeit, in welcher Stadt und Vorstädte durch die Öde des Glacis weit auseinander gehalten wurden.

Vor kaum Jahresfrist schilderte Kustos Dr. W. Englmann in seinem äußerst interessanten Vortrag den Werdegang des Wiener Grabens. Damals lag allerdings der Trattnerhof schon in Trümmern; es war aber doch noch Hoffnung vorhanden, dass die Front, wie sie in den ältesten Ansichten überliefert ist, wenn auch in geänderter, und wie wohl vorauszuahnen war, modernisierter Form erhalten bleibe. Diese Hoffnung ist dahin; in die bisher geschlossene Wand wurde ein Loch geschlagen, das den Ausblick auf eine hässliche Feuermauer eröffnet. Wiener Künstler und Architekten haben sich einmütig dagegen gewendet, das Ministerium für öffentliche Arbeiten die Erhaltung des alt überlieferten geschlossenen Straßenbildes angeregt, vergeblich! Das Verkehrsbedürfnis besiegt alle Einwände, es wird in vielleicht nicht in allzu ferner Zeit auch den Leopoldsbrunnen als störendes Element beseitigen und in den städtischen Bauhof verweisen.

Wenn es nun schon nicht gelingen kann, alle uns liebgewordenen Objekte zu erhalten, wenn eines nach dem anderen für immer aus dem Stadtbild getilgt wird, so möge diese kleine Skizze alle Freunde des traulichen dämmerigen Altwien anregen, mit Pinsel und Stift oder der handlichen Kamera unsere Schätze wenigstens im Bilde festzuhalten, damit künftige Generationen zur Erkenntnis gelangen, welchen Reichtum wir, einem künstlich gezüchteten Bedürfnis zuliebe, achtlos verschleuderten. Vielleicht finden sich sinnesverwandte Leser, die der dankenswerten Aufgabe ihre Mithilfe widmen wollten, in diesen Blättern eine Galerie des verschwindenden Alt Wien zu erreichen. E.

Das hätte auch heute noch Gültigkeit!!!

QUELLE: Wiener Geschichtsblätter 1912 Heft 3 Seiten 1 bis 3, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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