FERLACHER WAFFENINDUSTRIE#
Im anmutigen Rosental, eingebettet zwischen hoch ragenden Bergen, liegt der Ort Ferlach. Wie weit die Zeit der Entstehung dieses Ortes zurückreicht, wissen wir nicht. Weder in der alten Kosmographie des Sebastian Münster aus dem Jahr 1515 noch in der Chronik des Hieronymus Megiser finden wir einen Ort „Ferlach“ erwähnt. Sicher bestand aber bereits um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts am Hügel, wo heute die Kirche steht, eine kleine Siedlung aus vielleicht zwanzig Häusern, von denen noch heute bestehende, 1926 umgebaute Woscht Keusche, das älteste Gebäude ist.
Bekannt wurde Ferlach erst durch die Einführung der Gewehrfabrikation. Ihre Entstehung fällt in die Zeit Kaiser Ferdinands I., (1556 bis 1564), der um das Jahr 1558 über 100 niederländische Waffenschmiede nach Kärnten berief, die für die Bewaffnung des Militärs arbeiten sollten.
Der kleinere Teil dieser Arbeiter wurden in Klagenfurt zur Erzeugung einzelner Gewehrbestandteile zurück behalten.
Infolge des Holzreichtums im Rosental hatte sich eine bedeutende Eisenindustrie entwickelt, eine Grundbedingung für die Entstehung einer Waffenindustrie. Noch heute erinnern einzelne Familiennamen, wie z.B. Just. Kolianz u.a., an diese eingewanderten niederländischen Waffenschmiede.
Die Waffenschmiede nahmen in Ferlach sogleich ihre Tätigkeit auf und begannen in einer damals erbauten, erst 1906 niedergerissenen Rohrschmiede mit der Erzeugung von Gewehrläufen und Picken.
Bereits im Jahr 1563 war die Arbeit so angewachsen, dass eine Rohrschmiede nicht mehr genügte und eine zweite, die „Lindenrohrschmiede“ erbaut werden musste, wozu im Laufe der späteren Jahre, vor allem in den Jahren 1618 bis 1648, als in Deutschland der dreißigjährige Krieg wütete, noch weitere acht Rohrhammerwerke kamen. Unter Karl VI., (1711 bis 1740) wurde in Ferlach auch eine Bajonett- und Ladstockschmiede errichtet.
Maria Theresia, die in fortwährender Fehde mit ihrem Nachbarn war und der an einer guten und ausreichenden Bewaffnung des österreichischen Heeres besonders gelegen sein musste, um dem strammen und gut geschulten preußischen Heer des großen „Fritz“ erfolgsreichen Widerstand bieten zu können, förderte nach bestem Können die Ferlacher Waffenindustrie. Sie verlieh dreihundert reale Meisterrechte, gründete laut der am 25. Dezember 1751 in Wien ausgestellten Urkunde die Büchsenmacherzunft und genehmigte ihre aus 42 Absätzen bestehenden Satzungen. Weiter bewilligte sie die Ausstellung eines eigenen, militärisch organisierten Büchsenmacher Korps und schenkte diesem eine mit dem Reichsadler geschmückte Fahne. Das Korps, Ferlacher Schützen wie sie genannt, bestand bis zum Zusammenbruch im Jahr 1918.
Zur Zeit Maria Theresias, besonders aber während des siebenjährigen Krieges, nahm die Waffenerzeugung einen so ungeheuren Aufschwung, dass Ferlach allein das ganze österreichische Heer mit Waffen versorgen konnte.
Am 25. September 1807 erwies Kaiser Franz I., den Ferlachern durch persönlichen Besuch seine besondere Huld, woran noch heute ein Gedenkstein in der Mauer des „Verteilerhauses“ Kunde gibt.
Zur Zeit der napoleonischen Kriege erlebte Ferlach, was die Anzahl der gelieferten Waffen betrifft, seinen Höhepunkt. Jung und alt Waren damals in fieberndem Eifer mit der Herstellung von Gewehren und Pistolen beschäftigt. In den Jahren 1800 bis 1814 lieferte Ferlach folgende unglaublich hohe Anzahl mit der Hand erzeugter Feuerwaffen an das 1794 in Görtschach im heutigen Voight Forstverwaltungsgebäude errichtete Feuerwehr Übernahmsdepot ab, das Militärwaffen überprüfte und an die Armee weiter leitete.
106.752 Stück Infanteriegewehre, 29.268 Stück Husarenkarabiner, 6176 Stück Dragonerkarabiner, 51.414 Kavalleriepistolen, 5564 Offizierspistolen.
Da Ferlach in dieser Zeit sehr oft von den Franzosen besetzt war, war die Belieferung der österreichischen Armee natürlich sehr schwer. Aber die Ferlacher wussten sich zu helfen. In finsteren Nächten brachten sie ihre Erzeugnisse zur Drau und schafften sie auf Flößen nach Marburg wo sie wohlbehalten dem österreichischen Militär übergeben werden konnten.
Leider blieben die Zeiten nicht immer so gut. Böse Jahre folgten den gewinnreichen. Nach der Verbannung Napoleons nach St. Helena war in Europa wieder Ruhe eingekehrt. Die Riesenheere, die man sich bis da hatte halten müssen ud für deren Ausrüstung die Ferlacher gearbeitet hatten, waren überflüssig geworden. Sie wurden größtenteils aufgelöst. Damit war der Ferlacher Büchsenmacherei aber ein harter Schlag versetzt worden. Das Heer brauchte nicht mehr so viele Waffen, die staatlichen Lieferungen hörten fast ganz auf. Der größte Teil der Büchsenmacher war nun beschäftigungslos. Dazu kamen noch andere Schwierigkeiten. In anderen Feuerwaffenerzeugungsorten hatte der Maschinenbetrieb immer mehr Eingang gefunden, was zu einer bedeutenden Verbilligung der Produktion führte.
In Ferlach aber, wo man alles immer noch mit der Hand erzeugte, konnte man einer solchen Konkurrenz nicht standhalten. Dazu kamen noch Ausfuhrverbote, die auch den geringen Export, der noch war, teilweise fast unterbanden. Viel Armut und Elend hatte das für Ferlach zur Folge. Besonders bös waren die Jahre 1850 bis 1854, 1859 wurde das Waffen Übernahmsdepot in Görtschach aufgehoben. Von nun an waren die Ferlacher fast ausschließlich nur mehr auf die Erzeugung von Privatwaffen beschränkt. Das Ärar gestattete zwar im selben Jahr wieder die unbeschränkte Anfertigung von Infanteriegewehren, doch war die Ferlacher Büchsenmacherei bereits so weit herabgesunken, dass sich gar nicht mehr die nötige Anzahl geschulter Arbeiter fand, um den Auftrag restlos nachkommen zu können.
Als mach den unglücklichen Ausgang des deutschen Krieges im Jahr 1866 die Umgestaltung der österreichischen Vorderladergewehre in Hinterlader durchgeführt werden sollte, da hätte sich auch den Ferlacher Büchsenmachern schöner Verdienst geboten. Aber trotz der Bemühungen des Obersten Paradeis konnten sich die Ferlacher nicht einigen, so dass sich Franz Ritter von Rosthorn mit fremden Kapitalisten verband und in Ferlach mit fremden Geld Werkstätten errichtete. Aber auch dieses Unternehmen brachte die Abneigung einiger Ferlacher Lieferanten zu Fall. Diese Kleinbürgerlichkeit mussten die Ferlacher bitter büßen. Der Staat sah sich nämlich dadurch gezwungen, andere Hilfe zu schaffen. Es kam zur Erbauung der Waffenfabrik in Steyr, wo fortan die Militärgewehre erzeugt wurden.
Die Ferlacher Waffenindustrie kam in eine immer traurigere Lage. 1876 leitete das Handelsministerium Erhebungen ein, wie man helfen könne. Man kam zu der Erkenntnis, dass nur durch den Übergang zur Erzeugung feinerer Qualitätsware und durch wenigstens teilweise Einführung des maschinellen Betriebes geholfen werden könne. Besonders wichtig war es, dass man die Jugend zu tüchtigen Arbeitern heranbildete. So kam es 1878 zur Errichtung der Fachschule für Handfeuerwaffen, der 1882 die Eröffnung der nach Lüttischer Vorbild eingerichteten Probieranstalt für Gewehrläufe folgte. Im November 1884 wurde dann noch eine Schießstätte errichtet, um jedem Waffenfabrikanten die Möglichkeit zu geben die Gewehre auch auf ihre Treffsicherheit prüfen zu können.
Dadurch verbesserte sich wieder der Geschäftsgang. Allein es war unmöglich die Einfuhr der Lütticher und Suhler Erzeugnisse einzuschränken. Diese mit Maschinen hergestellten Fabrikate waren zwar nicht so gut als die mit der Hand hergestellten Ferlacher, waren dafür aber um so billiger. Man sah sich also gezwungen, auch teilweise maschinellen Betrieb einzuführen. Nach langen Bemühungen gelang es endlich, 1887 das erste genossenschaftliche Maschinenhaus zu eröffnen, dem 1890 ein zweites folgte. Da die Waffentechnik immer größere Fortschritte machte, war es notwendig, auch einen größeren Schießplatz zu erbauen. Diesen errichtete der Ferlacher Schützenverein in den Jahren 1903 bis 1906 auf der Dobrowa bei Ferlach.
Alle diese Bemühungen führten nach und nach zu einer merklichen Besserung. Das Abwärtsgleiten erlangte 1890 seinen tiefsten Stand. Von da an hob sich der Geschäftsgang von Jahr zu Jahr. Vor allem hob sich der Wert der erzeugten Gewehre infolge geschmackvoller, schöner und angenehmer Ausführung bedeutend. Im Jahr 1907 erreichte die Ferlacher Waffenindustrie ihren Höhepunkt. Der gesamte Erzeugungswert stieg in diesem Jahr auf etwa zwei Millionen Kronen. Ein ganz gewaltiger Umsatz für den kleinen Ort Ferlach. Über sechshundert Meister, Gesellen und Lehrlinge waren in der Büchsenmacherei beschäftigt.
Nach 1907 war wieder ein bedeutender Rückschlag zu verzeichnen. Verschiedenen Schwierigkeiten stellten sich ein. Vor allem war man gezwungen gewesen, von den rohrgeschmiedeten Läufen, den weltbekannten Ferlacher Damastläufen, die aus einer großen Anzahl schmaler, dünner, vielfach in kreuzender Richtung gewundener und zusammengeschweißter Eisenbänder bestanden, zu den Stahlläufen überzugehen, was bei der Zersplitterung der Ferlacher Waffenindustrie oft recht erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Ein weiterer Grund der starken Absatzstockung war ferner die Überflutung des Ferlacher Absatzgebietes mit Lütticher und Suhler Erzeugnissen. Die Einführung und Ausgestaltung des maschinellen Betriebes ist in Ferlach weit hinter der Lüttichs und Suhls zurückgeblieben. Bei den einzelnen Meistern ist die Handarbeit noch durchaus vorherrschend. Auch die erforderlichen Materialien stellen sich in Ferlach bedeutend teurer als in Suhl und Lüttich.
Im Weltkrieg nahm die Ferlacher Waffenindustrie, wie es zu erwarten war, wieder einen erheblichen Aufschwung. Selbstverständlich trat in dieser Zeit die Erzeugung von Jagdwaffen weit hinter der von Militärgewehren zurück. Ein großer Teil der Ferlacher Büchsenmacher war vom aktiven Kriegsdienst enthoben und arbeitete daheim, hinter Schraubstock und Werkzeugbank, für die Verteidigung ihres Landes. Das Geschäft ging gut und die Meister verdienten ein schönes Geld.
Dafür war der Rückschlag nach dem Krieg um so schmerzlicher. Die Alt-Reichen, deren Stolz es gewesen war, möglichst viele und schön gearbeitete Gewehre zu besitzen, waren verarmt, die Neu-Reichen hatten kein Interesse an einem „guten“ Gewehr. Außerdem hatte Ferlach durch den Zusammenbruch der alten Monarchie und durch die Abschnürung unseres jetzigen „Klein-Österreich“ von den übrigen Nachbarstaaten durch oft wohnsinnig hohe Zollmauern alle seine alten besten Absatzgebiete, wie zum Beispiel Galizien, Ungarn usw., verloren. An Inlandsabsatz konnte bei den unmittelbar nach dem Weltkrieg herrschenden schlechten Wirtschaftsverhältnissen kaum gedacht werden. Auch die während der südslawischen Besatzungszeit ganz gering gesteigerte Ausfuhr nach dem Königreich SHS konnte den Geschäftsgang nicht wesentlich bessern. Erst während der Inflationszeit fanden wieder alle Büchsenmacher volle und ganze Beschäftigung. Allerdings dauerte dies nicht allzu lange. Die Krisenjahre 1924, 1925, 1926 und vor allem die erste Hälfte des Jahres 1927 trafen das Büchsenmachergewerbe furchtbar.
Mit der zweiten Hälfte des Jahres 1927 hat sich der Geschäftsgang wieder bedeutend gebessert. Allerdings bleibt die Jahreserzeugung mit etwa 5000 bis 6000 Gewehren noch weit hinter der des letzten Friedensjahres 1913 zurück, wo 14.000 Gewehre geliefert wurden.
Estwa ein Drittel der erzeugten Waffen wird im Inland abgesetzt, zwei Drittel ausgeführt. Als Ausfuhrland kommt neben verschiedenen anderen Staaten hauptsächlich Tschechoslowakei in Betracht. Doch hat Ferlach überall schwer zu ringen, um sich behaupten zu können, vor allem wegen der Überschwemmung des Weltmarktes mit den maschinell hergestellten und daher billigen Suhler und besonders Lütticher Gewehren und wegen der oft unmöglich hohen Zölle. Nach Ungarn muss zum Beispiel auf die Einfuhr eines Ferlacher Gewehres ein Zoll von 150 Schilling gezahlt werden, ein Wert, der vielfach höher ist, als der ganze Einkaufspreis des Gewehres beträgt. In letzter Zeit ist es den eifrigen Bemühungen der Ferlacher allerdings gelungen, ein neues, viel versprechendes Absatzgebiet in Übersee zu gewinnen, doch sind die Beziehungen noch nicht so gut ausgebaut, dass der Absatz für immer gesichert wäre.
Was die nächste Zeit bringen wird, Aufstieg oder Abwärtsgleiten, wird sich ja bald zeigen müssen. Schon früher hat die Ferlacher Büchsenmacherei böse und traurige Zeiten überwunden, hoffen wir, dass sie auch weiter blühen werde!
QUELLE: Freie Stimmen der ÖNB, Bildmaterial I. Ch. Graupp
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