GLASMALEREI#
Am 7. Dezember 1906 hielt Alois Löw, dem nach Carl Geylings Tod, die kommerzielle Leitung übertragen wurde, einen Vortrag über die Entwicklungsgeschichte der Glasmalerei: „Die Erfindung der Glasmalerei geschah wie fast jede andere durch Zwang veranlasst. Sei es nun, dass die Notwendigkeit oder der Luxus diesen Zwang auf die Menschen ausübt, immer wird sich das Resultat in einer Verbesserung oder Neuerfindung ausdrücken.
Sobald sich die Menschen als ursprüngliche Nomaden sich zu festen Wohnsitzen wandten, und ihnen die natürlichen und künstlichen Höhlen nicht mehr genügten, sobald sie sich selbst Häuser bauten, und wenn auch noch so primitiv, hatten sie darin für die Zufuhr von Licht durch Öffnungen vorzusorgen. Diese mussten gegen die äußeren Witterungseinflüsse geschützt werden, und wendete man dafür noch bis ins XV. Jahrhundert in Öl getränktes Papier oder Leinen, Tierblasen, Glimmer, geschabtes Horn und dgl., welche entweder auf größere Holzrahmen aufgespannt, oder als kleinere Täfelchen in Versproßung ein gesetzt wurden.
Auch Glas wurde zu diesen Verschlüssen verwendet, und da es mit Ausnahme seiner Gebrechlichkeit sich als äußerst widerstandsfähig erwies, wurde es bald für derartige Zwecke vorgezogen. Nachdem aber die Kenntnis der Herstellung von großen Tafeln erst eine verhältnismäßig junge ist und ursprünglich nur kleine Täfelchen hergestellt werden konnten, so war der Mensch naturgemäß gezwungen, dafür ein Rahmen- und Gitterwerk zu schaffen, in welches diese Täfelchen befestigt wurden. Holz und Stein wird wohl zuerst gedient haben, bis ein Metall dazu in Anwendung kam und da ist es sehr natürlich, dass das weiche Blei, welches sich jeder Biegung mit Leichtigkeit anschmiegt, die starren Linien der Holz- und Steinversproßung zu beliebigen Kurven modelte, und da es außerdem nicht durch Verwitterung leidet, sehr bald dazu auserkoren wurde, diese Glasplättchen zu fassen, und damit war der Anfang der Erfindung des transparenten Glasmosaik als Vorläufer der Glasmalerei gemacht. Es war nun die Möglichkeit geboten, die Glasplättchen in komplizierten Formen zu sprengen, denn anfänglich geschah dies durch glühende Eisenstäbe, welche nach der zu sprengenden und vorgezeichneten Kontur geführt wurden, bis man beobachtete, dass sich die Glasplatten mit harten Steinen beliebig schneiden lassen, und dadurch zuletzt ein harter Stein, der Diamant in seine Rechte trat.
Die künstlerische Entwicklung der Technik konnte nun einsetzen. Die verschieden geschnittenen und verschieden gefärbten Glasstücke werden durch Blei zu ornamentalen Gemälden verbunden. Zur Belebung dieser Bilder wurde auf einzelne dieser Glasstücke mit schwarzer undurchsichtiger Farbe eine Einzeichnung gemacht, und weil sich diese nicht widerstandsfähig erwies, so lange gesucht und experimentiert, bis sich aus einem Metalloxyd durch Beisetzung eines leicht flüssigen Glasschmelzmittels eine einbrennfähige Farbe herstellen ließ und die Glasmalerei als solche war erfunden. Zu erwähnen ist noch, dass die erste Zeit nur massive, das heißt durch die ganze Menge gefärbte Gläser kannte. Es wird nämlich die geschmolhzene Glasmasse durch Zusatz von Metalloxyden (Chrom für grün, Kupfer für rot, Kobalt für blau etc.) gefärbt, und zwar je nach dem Grad des Zusatzes in größerem oder geringerem Maße. Das Rohmaterial des Glases gibt stets ein mehr oder minder grünliches Resultat. Um dieses nun rein weiß zu machen, setzt der Glasmacher der geschmolzenen Masse etwas Braunstein zu, welcher ein e violette Färbung hervorbringt, und diese genügt als Komplementärfarbe, um den grünen Stich aufzuheben und ohne selbst als Farbe aufzutreten, ein rein weißes Glas zu erzeugen. Freilich hat dieser Zusatz von Mangan die Eigenschaft, im Laufe der Zeit durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen und der Luft weiter zu oxydieren, und so entstehen aus solchem mit Braunstein entfärbten Glas nach und nach ausgesprochen violette Tafeln, wie wir sie bei manchen Bauten aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts kennen.
Wie die Bauten unseres Heimatlandes ihre Entwicklung in verschiedenen Stilarten genommen haben, so war es auch mit allen Gegenständen des Bedarfes und des Luxus und so auch mit der Glasmalerei, die sich dabei hauptsächlich als kirchliche Kunst gab und äußerte. Die älteste, romanische Periode, von der wir sprechen können, hat uns einige hervorragende, weit bekannte Werke hinterlassen. Vor allem sind es die prächtigen Fenster des Kreuzganges in Heiligenkreuz, welche den romanischen Stil in reichster Entwicklung der Ornamente zeigen, und in ihren fantasiereichen Verschlingungen als mustergültige Vorbilder dienen können. Einen weiteren Fortschritt finden wir in dem ligurischen Fenster der Kirche von Stift Ardagger, welche auf einem bunten reichen Teppích in kleinen Medaillonformen in vierzehn Darstellungen eine zusammenhängende Legende des Lebens der heiligen Margarete vor Augen führt. Hier ist die Technik der Glasmalerei au die höchste Stufe gebracht. In ganz kleine Stückchen Glas zerschnitten, diese bemalt und durch Blei verbunden, bilden diese tausende von einzelnen Farben einen prächtigen farbenreichen Teppich, aus dem die Reihe von Bildern hervortritt.
Auch die Gotik, welche uns die Zeit der Blüte der Glasmalerei brachte, arbeitete in der gleichen Weise, nur tritt hier statt des Teppichs und der größtenteils ornamentalen Lösung eine andere Art der Dekoration auf, nämlich die mehr oder minder gelungene Nachahmung von hölzernen oder steinernen Architekturen, in deren Nischen die figuralen Teile eingelegt wurden. Zuerst wie die Gotik auftrat, streng, wird auch hier die Architektur immer freier, bis sie den ausgesprochen spätgotischen Charakter erhielt. Aber mit der Entwicklung der Technik haben wir auch das Auftreten einer anderen Farbe zu konstatieren. Es ist dies das durch Silber in verschiedenen chemischen Zusammensetzungen aufgetragene Goldgelb, welches nicht so wie die schwarze Farbe, die zu Kontur und Schattierung verwendet wurde, aufgeschmolzen ist, d. h., sich in geschmolzenem Zustand mit der weich werdenden Oberfläche des Glases verband, sondern dieses „Silbergelb“ färbt die Oberfläche des Glases selbst. Noch ein weiterer Fortschritt im Bezug auf das Rohmaterial tritt aber in dieser Zeit auf. Es ist dies das Überfangglas. Während wir früher gesehen haben, dass das farbige Glas durch und durch gefärbt hergestellt wurde, können wir in dieser Zeit beobachten, dass die gleiche Wirkung in manchen Fällen dadurch erzielt wurde, dass ei Klümpchen farbiges Glas durch eintauchen in die weiße Masse vergrößert und dann als Tafel ausgeblasen wurde, welche in ihrer größeren Menge aus weißem Glas besteht, das auf der einen Seite einen farbigen, dünnen Überzug besitzt. Dieser Überzug kann nun durch Abschleifen (heute geschieht das durch Wegätzen mittels Fluorwasserstoffsäure) teilweise entfernt werden, so dass man ein farbiges Glas mit weißen Zeichnungen erhält, was besonders bei Wappen und Gewandteilen geübt wurde. Rotes Glas ist schon in der ältesten Zeit als Überfangglas hergestellt worden, weil das dazu verwendete Kupferoxyd die Glasmasse so intensiv färbt, dass es auf eine andere Art nicht möglich wäre, eine transparente Tafel in der notwendigen Glasstärke herzustellen. Wir können die vielen alten Glasgemälde dieser Zeit nicht spezifizieren, da uns in Österreich viele hundert davon erhalten sind, und verweisen für Wien speziell auf jene von St. Stephan und Maria am Gestade.
Sehr spärlich vertreten dagegen sind jene der darauffolgenden Stilrichtung, der Renaissance. Steyr Oberösterreich und die St. Georgskapelle in Wiener Neustadt besitzen hervorragende Objekte dieser Zeit, welche sich darin kennzeichnete, außer einem dünneren Rohmaterial auch die Anwendung der Bleilinien möglichst zu beschränken. Es wurden nun größere Partien der Bilder auf eine Glastafel vereinigt, und dadurch entstand wieder eine neue Notwendigkeit, nämlich einzelne Teile dieser Tafeln mit anderen Farben als den bisher verwendeten zu bemalen. Dazu wurden nun Metallfarben verwendet, ähnlich jenen, welche zum Färben des Glases dienen, die Metalloxyde jedoch durch Beimischung von leicht flüssigem Glaszusatz zu einem leichter schmelzenden Gemenge gemischt und aufgeschmolzen, wodurch jedoch der Nachteil entstand, dass diese oberflächlich eingebrannte Schmelzfarbe der Verwitterung leichter unterliegen musste und deshalb auch in seltensten Fällen bei Monumentalbauten die Zeit bis heute überdauerte. Anders ist es mit kleineren Arbeiten, sogenannten Schweizerscheiben, welche für Wohnzimmer oder Monumentalräume des bürgerlichen Lebens angefertigt, und durch Außenfenster gegen die vehementen Angriffe der Witterungsunterschiede geschützt wurden, bei denen sich die Farben trotz der Jahrhunderte sehr gut erhalten haben.
Aber mit der Renaissance setzt auch die Zeit ein, welche große Lichtfülle in das Innere der Kirche brachte, welche die Wände bemalte und die Altäre mit Bildern schmückte. Außerdem kamen die gedruckten Gebetbücher in Aufschwung, die bisher geübte Andacht beschränkte sich mehr auf den Rosenkranz und andere auswendig gelernte Gebete, die Kenntnis der Technik der Glasmalerei hatte abgenommen, dagegen war die Herstellung von großen weißen Tafeln möglich geworden, und weil die alten Glasgemälde von außen und innen so viel Schmutz angesetzt hatten, auch die Gläser waren teilweise verwittert, wurde der Lichteinfall immer mehr und mehr beeinträchtigt, und der Bedarf nach mehr Licht stellte sich ein. Die alten Glasfenster konnte bald niemand mehr ausbessern und sie wurden als schadhaft entfernt. Weiße Scheiben traten an ihre Stelle, so war es auch in Wien bei St. Stephan, wo 1650 unter Fürstbischof Friedrich Philipp Graf Breuner diese radikale Umwälzung vorgenommen wurde. Weil aber der Unterschied gegen früher doch zu bedeutend war, und das nun durch die Fenster flutende Licht von allen Gewölbten, Rippen und Pfeilern zurückgeworfen wurde, verfiel man auf das ingeniöse Auskunftsmittel, die Gewölbe der Kirche schwarz zu tünchen. Bei der Renovierung der Kirche durch Dombaumeister Franz von Schmidt wurden mehrere Lagen solch dunklen Anstrichs bloßgelegt und entfernt, welche nur aus diesem Grund angebracht sein konnten.
Mit diesem Augenblick war auch der Glasmalerei der Todesstoß versetzt. Weil keine Aufträge mehr gegeben wurden, wandte n sich die Glasmaler anderen Zweigen der Kunst oder des Gewerbes zu. Die Kenntnis der oft als Geheimnis streng gehütete Technik ging verloren, die Barocke und das Rokoko perhorreszierten eo ipso jede Farbe in den Fenstern , und nicht nur in Österreich, sondern überall verschwand die Kenntnis, welche erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts neu gefunden wurde.
Die Stufenfolge der Entwicklung und des Niederganges zeigt sich auch in den Vorschriften der St. Lukaszeche in Wien, welche zur Zeit ihrer Blüte die Glaser, Maler, Schilter, Goldschläger, Perlhefter und Kartenmacher in sich vereinigte. In den Ordnungen aus dem 15. Jahrhundert wurde dem Glaser als Meisterstück anzufertigen vorgeschrieben: ein Bild, eine Kaufelle lang, aus Glas, mit eigener Hand gemalt und eingebrannt. Ordnungen in anderen Städten aus gleicher Zeit verlangen ausdrücklich ein Marienbild oder ein Bild der Passion, ein Kruzifix etc. Nur ein “schlechter Glaser“, welcher gebranntes Werk nicht herstellen kann, hat eine viereckige Tafel aus venedischen Scheiben zu löten. Im Jahr 1607 wurde nur mehr diese letztgenannte Arbeit als Meisterstück verlangt, während eines gemalten Bildes gar keine Erwähnung mehr geschieht, und das Jahr 1783 verlangt nur mehr 4 viereckige Scheiben durch Blei zusammengelötet, eine Arbeit, die heute Meisterarbeit genannt, aber als eine niedere Tätigkeit angesehen wird.
Im vorigen Jahrhundert wurden nun Versuche unternommen, die Glasmalerei wieder neu ins Leben zu rufen. In Wien war es 1841 der nachmalige k. k. Hofglasmaler Karl Geyling, in München etwas früher Ainmüller und Frank. Der Anfang wurde dort gemacht, wo das Ende der ursprünglichen Technik zu suchen ist, nämlich auf weißem Glas mit allen Farben zu malen und diese einzubrennen . Es war das gleichsam eine transparente Porzellanmalerei, fast mit den gleichen Farben. Erst allmählich kam man auf die Verwendung der verschiedenen farbigen Gläser. Glashütten entstanden, welche das seit Jahrhunderten nicht mehr erzeugte farbige Glas in allen möglichen Nuancen produzierten, und heute stehen wir in technischer Hinsicht dort, wo die Glasmalerei zur Zeit ihrer höchsten Blüte stand, wobei uns auch alle anderen Techniken zu Gebote stehen, welche die Jahrhunderte hindurch geübt wurden. Außerdem sind uns durch die Erfindungen neuer Rohmaterialien wie z. B., des Opalescent-(Tiffany)-Glases ganz andere Effekte möglich als früher, wenn auch die moderne Richtung ein Überhandnehmen der rein dekorativen Verbleiung mit Hintansetzung der Malerei ins Leben ruft. Wir sehen diese Art der Glastechnik nicht nur bei Monumentalbauten profanen Charakters, sondern auch schon in Kirchen in Verwendung, womit man in Amerika begonnen hatte. Nun betritt man aber auch in Europa denselben Weg. Eines der hervorragendsten Beispiele dieser Art gibt die im Bau begriffene Kirche der Landesirrenanstalt in Wien, welche Musterbeispiele dieser Technik enthält, eine Sehenswürdigkeit unserer Stadt, welche Schule machen wird.
QUELLE: Monatsschrift Wiener Bauhütte, 1907 Ausgabe 1 Seite 2, Entwicklungsgeschichte der Glasmalerei, Bild/Graupp, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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