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GUSTAV MARCHET#

Minister
Gustav Marchet

Am 24. April 1904 meldet der „Neue Bezirksbote“ über Gustav Marchet, mit unverhülltem Stolz: „Wir haben bereits gemeldet, dass dem verdienstvollen Abgeordneten unseres Bezirkes, Herrn Hofrat Dr. Gustav Marchet, vom Kaiser das Komturkreuz des Franz Joseph Ordens mit dem Stern verliehen wurde. Die Befriedigung über diese hohe Auszeichnung unseres Abgeordneten ist so allgemein, dass eine kurze Skizze über den Lebenslauf und das Wirken des verdienten Mannes gewiss willkommen sein wird.“

Hofrat Marchet ist am 29. Mai 1846 zu Baden bei Wien geboren. Er absolvierte das Gymnasium Kremsmünster, bezog die Wiener Universität, wo er den Rechtsstudien oblag und promovierte. Nach einer kurzen Praxis im Justiz- und administrativen Staatsdienst, wurde 1869 an die k. k. Forstakademie Mariabrunn berufen, wo er als Dozent und Professor wirkte und ist seit 1875 Professor an der k. k. Hochschule für Bodenkultur in Wien. 1899 wurde er mit dem Titel und Charakter eines Hofrates ausgezeichnet.

1872 bekam er die ehrenvolle Berufung als o. Professor an die Wiener Neustädter Militärakademie, die er jedoch ablehnte. In den Herbstferien zog es ihn nach den Rheinlanden wo bekanntlich das landw. Genossenschaftswesen sehr verbreitet ist. 1876 unternahm Marchet in Gemeinschaft mit Regierungsrat Exner eine Reise in das baltische Gebiet, deren Zweck der Holzhandel und der Holzindustrieverhältnisse dieser Gegend zu studieren.

Marchet ist seit 16. Dezember 1879 mit Emilie, geb. Freiin von Hohenbruck vermählt.

Mit besonderer Vorliebe machte Hofrat Marchet das Assoziationswesen und den landwirtschaftlichen Kredit zum Gegenstand seines Studiums. Auch in forstwirtschaftlicher Hinsicht betätigte er sich in hervorragender Weise. Anlässlich der Pariser Weltausstellung erhielt er von der Jury in Paris für eine Denkschrift die silberne Mitarbeitermedaille. Der Verein der Güterbeamten Österreichs, dessen Vorstand er seit 1899 ist, ernannte ihn zum Ehrenmitglied verschiedener Weinbauvereine.

1891 wurde Hofrat Marchet in den Reichsrat gewählt, verlor 1899 das Mandat an Foller und eroberte es 1901 neuerlich; seit November 1902 ist er Landtagsabgeordneter des Städtebezirk Bruck – Schwechat – Hainburg. Als 1898 der Landwirtschaftsrat, welcher bezüglich wichtiger Aktionen als begutachtende Körperschaft für das Ackerbauministerium dient, begründet wurde, ward Marchet in denselben berufen und führte u. a., folgende wichtige Referate: Über die Reform des Aktiengesetzes und über das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, über die Hagelversicherung, welche noch nicht abgeschlossen sind, über die rechtliche Stellung der Privatgüterbeamten wurde jüngst dem Abgeordnetenhaus vorgelegt, über den deutschen Handelsvertrag. Überhaupt fungiert Hofrat Marchet als Generalreferent für sämtliche Handelsverträge. Im Zollausschuss des Abgeordnetenhauses führte er das Referat über Getreide, Mehl, Obst, Wein und Bier.

Er, der Vielseitige war in den Jahren 1906 bis 1908 sogar Unterrichtsminister, das Realgymnasium ist sein Werk, dazu passt wohl sehr gut die reformierte Matura. Ein Mann der in kürzester Zeit Großes vollbrachte.

Der Name Marchet ist mit der Weinbaugesetzgebung der letzten Jahre innig verknüpft. Größtenteils Marchets Initiative ist es zu danken, dass für die Weinbauangelegenheiten ein eigener „Weinkulturausschuss“ im Reichsrat geschaffen und ausschließlich über seine Anregung eine Anzahl von Gesetzen geschaffen wurde, welche ein Wiederaufblühen unseres Weinbaues ermöglichen. Ein besonderes Verdienst erwarb sich Hofrat Marchet dadurch, dass er nicht ruhte, bis der Staat den Weinbauern gegenüber nicht bloß auf sein Steuerrecht Verzicht leistete, sondern denselben, zugleich mit dem Lande, auch positiv mit materieller Unterstützung durch Gewährung unverzinslicher Darlehen unter die Arme griff, Nun kann sich der Weinbauer das unentbehrliche Rebenmaterial beschaffen, das notwendige teure Rigolen und die übrigen Rekonstruktionsarbeiten vornehmen.

Wie im Parlament, ist Marchet auch außerhalb desselben unablässig bemüht, in seinem Wirkungskreis den wahren Fortschritt aus allen Kräften zu fördern. Wir haben gewissenhaft in unserem Blatt registriert, was wir diesem verdienstvollen Abgeordneten alles zu verdanken und wiederholt darauf hingewiesen, was wir von ihm zu erwarten haben. Sein scharfer Geist, seine nicht gewöhnliche Rednergabe, seine schlagfertige Dialektik errangen in den oft stürmischen Debatten des Abgeordnetenhauses wie des Landtages meistens den Sieg.

Wien 27. April 1916 Einer Meldung aus Prag zufolge war Herrenhausmitglied Marchet gestern zum Besuch des Domänendirektors Oskar Giesl von Gieslingen mit Gemahlin in Schlackenwerth eingetroffen und nahm heute morgens an einer Auerhahnjagd teil, bei der er einem Schlaganfall erlag.

Der jähe Tod des hochverdienten Mannes, der sich stets zur Deutschen Fortschrittspartei bekannte und sowohl als Politiker wie als Gelehrter Hervorragendes geleistet, wird in weiten Kreisen der Bevölkerung tiefste Teilnahme hervorrufen.

Ein reiches Leben fand damit einen jähen Abschluss, ein Geist der seine Gaben verschwenderisch den verschiedensten Zweigen des öffentlichen Wirkens spendete, verlosch. Ein beredter Mund, der nie der Wahrheit auswich und für jede gute Sache schöne, überzeugende Worte fand, verstummte für immer., so der Nachruf der Österr. Forstzeitung.

Über die letzten Stunde informiert uns die „Österr. Jagd- und Forstzeitung“:Oskar von Giesl selbst hat in einem Brief die Zeitung über das Lebensende des Gastes berichtet: „Am Abend des 26. April traf das Ehepaar Marchet zu Besuch in Schlackenwerth ein. Den lieben Gäste fuhr ich noch bis Petschau entgegen und führte sie dann von Karlsbad mit dem Wagen hierher. Besonders Marchet war bester Laune, frisch und erfreut über das gebesserte Wetter und die gute Jagdaussicht. In guter Stimmung legten sich gegen halb 11 Uhr abends die Gäste zu Bett. Wie verabredet weckte ich Se. Exzellenz Schlag 3 Uhr früh und konnte melden „Sternenhell, windstill 7 Grad und bekam die Antwort „Prächtig“ Vor Viertel 4 Uhr nahm Marchet eine Schale leeren Tee und fuhr vergnügt zum Tiergarten, wo er um 4 Uhr früh in den Schirm trat. Die Hahnen balzten sehr gut; um ¾ 5 Uhr fiel der erste Schuss und nach 5 Uhr der zweite. Gemäß der Verabredung sollte nun Se. Exzellenz den Schirm verlassen und mit mir die Rückfahrt nach Schlackenwerth antreten. Da der begleitende Waldheger jedoch nichts vom Jagdgast bemerkte, näherte er sich schließlich dem Schirm und fand, zu seinem Schrecken Marchet nicht auf der Bank sitzend sondern ausgestreckt liegend, wie in einer Ohnmacht, auf den Anruf keine Antwort gebend. Rasch herbeigeholt, kam ich dazu und fand unseren Gast im Verlöschen. Versuche, ihn zum Leben und zur Bewegung zu bringen, waren erfolglos. Es blieb nichts übrig, als ihn in meine Wohnung zu führen, wo der gleich erschienene Arzt nur noch den durch Herzschlag erfolgten Tod feststellen konnte. Furchtbar war es für mich, nach dem Frühstück die ahnungslose Witwe auf das Traurige vorzubereiten und sie zu dem kaum kalt gewordenen Gatten zu führen...

Der Krieg, der ja so viel über uns bringt, hat auch da erschwerend gewirkt, da die Schwiegersöhne eingerückt sind und nur einer, Freiherr von Haerdtl, in Berlin erreicht und rechtzeitig veranlasst werden konnte und mit der Schwiegermutter auf der Rückfahrt nachts in Schreckenstein zusammen zu treffen. Fast genau nach 24 Stunden ist der ausgezeichnete, hoch verehrte Mann, der in bester Laune, lebensfrisch und schaffensfreudig hier eintraf und voll von guten, schönen und best gemeinten Plänen war, unerwartet rasch zur letzten Fahrt in die Gruft seiner Eltern in Baden bei Wien gelangt.

Als kleiner Trost verblieb uns, dass der edle Weidmann kaum einen ruhigeren, schöneren Tod hätte finden können als bei der Ruine des Jagdschlösschens im Schlackenwerther Tiergarten.“

_QUELLE: Badener Zeitung 3. Mai 1916, , Österr. Forst Zeitung 5. und 12. Mai 1916, Wiener Landwirtschaft Zeitung 6. Mai 1916, Badener Zeitung 29. April 1916, Villacher Zeitung 29. April 1916, Bezirks Bote Bez. Bruck/Leitha 24. April 1904. Bild Gustav Marchet Seite 1, der Anno-Nationalbibliothek

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