HOFGESTÜT LIPPIZA#
1906: Auf dem Karster Hochplateau liegt 13 Kilometer nordöstlich von Triest bei Sessana und Optschima 387 Meter über dem Adriatischen Meeresspiegel das Hofgestüt Lippiza. Der Boden ist steinig und ziemlich unfruchtbar, der Graswuchs spärlich, trotzdem bestehen aber große Eichenwaldungen mit darin eingeschlossenen Waldwiesen. Diese Waldungen gewähren Schutz vor Sonnenhitze und der Bora. Der ganze Karst ist ziemlich wasserarm, daher besteht die Eigentümlichkeit, dass für das Karstgebiet sogenannte Tränklacken angelegt sind. Diese bestehen in künstlich erweiterten Vertiefungen im natürlichen Boden, der mit Zement und Steinplatten ausgelegt sind. Solche Tränklacken, in denen sich das Regenwasser ansammelt, bestehen vier.
Was nun die Geschichte des Hofgestüts anbelangt, so reicht dieselbe weit zurück. Die Gründung des Gestütes Lippiza erfolgte im Jahr 1580 durch den Herzog Karl von Steiermark, der das Besitztum Lippiza am 19. Mai des genannten Jahres vom Bistum Triest erwarb. Als es Herzog Karl Lippiza in seinen Besitz brachte, fand er bereits eine Pferdezucht, eine „Stuterei“ vor. Die Pferde, welche in derselben bis dahin verwendet wurden, waren spanischer Herkunft. Im Jahr 1580 wurden in Spanien abermals drei Hengste erworben, denen im nächsten Jahr sechs andere Vaterpferde und 24 Mutterstuten folgten. Weitere Transporte von Zuchtmaterial kamen in den Jahren 1582 und 1584 nach Lippiza, und außer den Spaniern erwarb das Gestüt in Oberitalien eine Anzahl der damals als sehr gut bekannten Pobrina-Stuten.
Aus der Zucht mit diesem Material, welches im Laufe der Jahrhunderte durch Einfuhr von spanischen Hengsten und durch Kreuzung mit Arabern stets eine Auffrischung des Blutes erfuhr, ist der moderne Lipizzaner entstanden. Von den vielen Hengsten, welche innerhalb der Zeit von drei Jahrhunderten Lippiza tätig waren, haben sich nur sechs Hauptstämme reinblütig erhalten, nämlich die Nachkommen von Pluto, Favory, Maestoso, Conversano, Neapolitano und Siglavy. Von den in Lippiza zur Verwendung gekommenen Stuten spanisch italienischer Abstammung sind die nachfolgenden Stämme erhalten geblieben: Afrika, Almerina, Argentinia, Deflorata, Europa, Anglicana, Famosa, Sardinia, Spadialia und Stornelia. Eine rein arabische Abstammung wird nur noch von den Nachkommen der Mutterstuten Kehl, Mersucha und Gidran repräsentiert. In neuer Zeit sind zur Auffrischung des Blutes aus dem Staatsgestüt Radautz die aus Altsiebenbürger Spaniern hervorgegangenen arabischen Vollblutstuten Gratia und Schagya sowie die in Cabuca vom Grafen Jankovich angekaufte Hankar nach Lippiza gekommen. Außer den genannten Pferden stehen noch zwei englische Vollblutstuten in den Stallungen des Hofgestüts, welche ausschließlich der Zucht von Schimmelreitpferden dienen.Es wird also derzeit in Lippiza mit den vorgenannten sechs Stämmen Hengsten, 13 Stämmen Stuten spanisch-italienischer und vier Stämmen arabischer Abkunft gezüchtet.
Das Hauptgestüt Lippiza selbst birgt auch die in der Zucht verwendeten Vaterpferde, drei an der Zahl, nämlich Maestoso, Favory und Siglavy. Der Stand der Mutterstuten beträgt gegenwärtig 80. Die kleinen Fohlen bleiben zirka vier Monate bei der Mutter, sie werden dann abgesetzt und an das Anhalftern gewöhnt, worauf sie Lippiza verlassen und nach dem 36 Kilometer vom Hauptgestüt entfernten, bei Adelsberg gelegenen Fohlenhof in Prestranek kommen, woselbst 185 Fohlen untergebracht sind. Außer den Saug- und Absatzfohlen sind in Lippiza alljährlich noch 10 dreijährige Hengste sowie 20 vierjährige Wallachen und Stuten untergebracht, die sich in der Dressur befinden. Die Hengste werden vierjährig dann an die Spanische Hofreitschule in Wien geliefert, die 28 Wallachen und Stuten jedoch werden im Alter von fünf Jahren als Wagenpferde in den Marstall des österreichischen Kaisers einrangiert.
Der Lipizzaner ist zwischen 160 und 166 Zentimeter hoch und von Farbe meistens Schimmel, obwohl auch Braune, Rappen und ab und zu auch Falben geboren werden. Je nach der Beimischung von arabischem Blut ist beim Lippizaner der Ramskopf stärker oder schwächer entwickelt, dabei ist derselbe aber trocken und mit gesunden und feurigen Auge ausgestattet. Der Hals ist hoch angesetzt, meistens ein Schwanenhals, der Widerrist ist im allgemeinen nicht stark ausgeprägt, der Rücken dagegen wieder stramm. Die Lenden sind gut und die Kruppe kräftig. Auch die Beine sind stark und trocken, die Hufe kompakt und regelmäßig, und die Hänge daher hoch und energisch. Der Lipizzaner ist durch den langen Aufenthalt auf dem von Borastürmen oft heimgesuchten Karst ein abgehärtetes Pferd von robuster Gesundheit und ein außergewöhnlich guter, dabei genügsamer Futterverwerter, der eine ganz erstaunliche Ausdauer mit bedeutender Schnelligkeit vereinigt. O.Christ
QUELLE: Österr. Illustrierte Zeitung sowie Bilder ÖNB
https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/HOFGESTÜT_LIPPIZA