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LUDWIG VON HOLZGETHAN#

Freiherr von Holzgethan war am 11. Juni 1876 am Abend im Hotel „Ungarische Krone“ in der Himmelpfortgasse in der Nähe des Reichs-Finanzministeriums, wo er soupierte, als er plötzlich zu später Stunde vom Schlag getroffen, ein rasch herbei gerufener Arzt konnte wenig ausrichten. Die Tochter des Ministers, Stiftsdame zu Maria Schul in Brünn. Baronin Augustine Marie von Holzgethan, welche benachrichtigt worden war, veranlasste die Übertragung ihres Vaters in dessen Wohnung auf der Freyung Nr. 6. Schottenhof. Erst kürzlich am 25. Mai 1876 war der Tod des Kriegsministers Franz von John zu beklagen.

Ludwig Freiherr von Holzgethan, geheimer Rat, Reichs-Finanzminister, Ritter des Ordens der eisernen Krone, erster Klasse, Kommandeur des Leopold Ordens, lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses, wurde am 1. Oktober 1810 in Wien geboren. Im Jahr 1831 trat er in den Staatsdienst, wurde 1850 Finanzrat in Verona, 1852 Finanzpräsident in Venedig mit dem Titel eines Ministerialrates; 1855 wurde er in den Ritter- und 1865 in de Freiherrenstand erhoben; 1860 erhielt er die Würde eines geheimen Rates; 1870 wurde er Finanzminister. In diesem Jahr, am 12. November 1870 starb seine Gemahlin Auguste Edle von Plener, die Tochter des früheren Finanzministers Plener.

1870
Anzeige in Wiener Zeitung

Am 23. November 1870 Das Ministerium Potocki reicht seine Entlassung ein. Die Entlassung wird am 4. Februar 1871 angenommen und Graf Hohenwart mit der Bildung eines neuen Ministeriums betraut.

Am 6. Februar 1871 Hohenwart wird Minister des Inneren und Vorsitzender des Ministerrates, Habietinek Justizminister, Jiricek Minister für Kultus und Unterricht, Holzgethan Finanzminister, Schäffle Handelsminister und Leiter des Ackerbauministeriums, Generalmajor Scholl Minister für Landesverteidigung.

Am 26. Oktober 1871 Hohenwart, Schäffle, Jirecek und Habietinek reichen ihre Entlassung ein.

Am 30. Oktober 1871 Die Entlassung Hohenwarts wird angenommen.

Der nächste Nachfolger Hohenwarts war denn auch Holzgethan. Am 31. Oktober 1871 brachte die Wiener Zeitung folgendes kaiserliche Handschreiben:

„Lieber Freiherr von Holzgethan! Ich übertrage Ihnen, unter Belastung in Ihrer Stellung als Finanzminister, bis zur Neubildung eines Ministeriums interimistisch den Vorsitz im Ministerrat für die im Reichsrat vertretenen Königreich und Länder“

Holzgethan war somit provisorischer Präsident des Übergangsministeriums zwischen der Ära Hohenwart und dem Amtsantritt des Kabinetts Adolf Auersperg

Am 6. November 1871 Der Reichskanzler und Minister des Auswärtigen Amtes Graf Beust gibt seine Entlassung, welche am 9. November erfolgt.

Am 14. November 1871 Graf Julius Andrassy wird zum Minister des Äußeren ernannt.

Das Ministerium Hohenwart stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Schon allein, dass in seiner Riege drei Unbekannte mit dabei waren erregte die Gemüter, besonders auf den aus Deutschland stammenden Schäffle hatten sie es abgesehen. Denn der Kaiser hatte die Absicht eine Regierung nach den von Schäffle entwickelten Grundsätzen zu bilden, außerdem sein Verhältnis zu Kaiser Franz Joseph konnte als gut bezeichnet werden. Der Kaiser forderte ihn auf sich mit Hohenwart in Verbindung zu setzen und mit ihm ein Kabinett zu bilden. Schäffle äußerte sofort Bedenken und machte geltend, da er doch Ausländer, durch seine großdeutsche Vergangenheit in Preußen unbeliebt und durch seine sozialpolitischen Schriften dem Börsenkapital verhasst sei. Da Schäffle bei Beust gleichfalls in Ungnade stand, wünschte er, dass dieser von der Umbildung des Kabinetts vorerst nichts erfahren durfte. Außerdem wollte Schäffle als Handelsminister Sparbücher in Österreich einführen, darum sollten Fachleute nach England entsandt werden. Ein weiteres Anliegen die Vermehrung von Postämtern.

Das Kabinett Hohenwart hatte dem Kaiser vorgeschlagen, sich zum König von Böhmen krönen zu lassen. Das konnte natürlich Andrassy als Königreich-Alleinherrscher nicht zulassen und erhob sofort Einspruch. Die gute Beziehung zu Andrassy waren dem Kaiser so wichtig, dass er den Plan einer böhmischen Krönung wieder fallen ließ.

All diese Turbulenzen führten schließlich dazu, dass das Kabinett Hohenwart zurücktreten musste. Ihnen folgte der Rücktritt Graf Beust. Triumph für Graf Andrassy der am 14. November . 1871 zum Minister des Äußeren ernannt wurde und in das als heute bezeichnete Bundeskanzleramt einzog.

Überraschend verblieb Ludwig von Holzgethan und wurde dadurch noch befördert in dem er den Vorsitz im Ministerrat übernehmen durfte.

Die „Neue Freie Presse“ widmet dem verbliebenen Holzgethan einen kritischen Artikel: „Eine Anomalie der brutalsten Art ist das Verbleiben des Freiherrn von Holzgethan als Finanzminister auch im Ministerium Auersperg. Den guten Eigenschaften, welche seine Freunde diesem Staatsmann nachrühmen, soll durch unseren Widerspruch kein Abbruch geschehen, obwohl wir selber an den Dingen,, die in die Öffentlichkeit gedrungen sind, noch niemals Gelegenheit hatten, zu sehen, weshalb denn manche braven Leute Herrn von Holzgethan ganz ernstlich für einen recht guten Finanzminister halten. Auch soll es ihm unvergessen bleiben, wie er in dem entscheidenden Moment der Hohenwart Politik, deren Finanzen er bis dahin redlich besorgt hatte, die Opposition gemacht und in jenem großen Kronrat, der zu Hohenwarts Sturz führte die tschechischen Fundamental Artikel mit ganz ungewöhnlichem Nachdruck bekämpft hat. Ja, wir wollen noch weiter gehen und zugeben, dass gerade Herr von Holzgethan während der letzten Krise durch die Beharrlichkeit, mit welcher er die rechtzeitige Einberufung eines legalen Reichsrates behufs Genehmigung des Budgets forderte, einigen Anteil an der verfassungsmäßigen Lösung hat. Trotz alledem scheint uns das längere Verbleiben des jetzigen Finanzministers auf seinem Posten im höchsten Grad unzuträglich und für das Ministerium unter Umständen sogar bedenklich.

Für ein Ministerium von der ausgeprägten Stellung des Ministeriums Auersperg ist ein Finanzminister Holzgethan politisch unschicklich. Der Mann, der zuerst an der ministeriellen Kombination Petrinos teilgenommen und dann sogar während der Ära Hohenwart auszuharren vermochte, gehört, wie mild man auch über seine politische Schwäche urteile und wie hoch man seine Beamtentreue veranschlage, nicht in ein Ministerium Auersperg. Als dieses Ministerium gebildet wurde, hat man dies auch sehr wohl gefühlt; denn Freiherr von Holzgethan wurde nicht zum Minister ernannt, sondern nur mit der Leitung des Finanzministeriums betraut, und so sehr wurde dieses Arrangement als ein vorüber gehendes angesehen, dass man den seit der Übersiedlung des Grafen Lonyay nach Pest vakanten Posten eines gemeinsamen Finanzministers unbesetzt ließ, um ihn für Herrn von Holzgethan zu reservieren, dem man nachsagt, es sei dies sein eigenster Wunsch gewesen. Dass man damals, bei Bildung des Ministeriums Auersperg, im Finanzministerium ein Provisorium etablierte, fand seine notdürftige Entschuldigung in der Rücksicht auf die Notwendigkeit, das von Holzgethan vorbereitete Budget einzubringen, da die Kürze der Zeit eine Umarbeitung kaum noch gestattete, und man füglich niemandem zumuten konnte, einen Staatsvoranschlag zu vertreten, dessen Urheber ein anderer gewesen. Zumal ein Budget Holzgethan Ursprungs zu adoptieren, wäre in der Tat eine sehr lästige Bedingung für das ohnehin nicht allzu begehrenswerte Portefeuille gewesen.

Allein nun hat die Regierung den Staatsvoranschlag eingebracht und nun muss auch wohl das Provisorium ein Ende finden. Gerade die Leitung unserer Finanzen bedarf eines ganzen Mannes, und zwar eines ebenso vom allgemeinen öffentlichen wie vom Vertrauen insbesondere der parlamentarischen Mehrheit getragenen Mannes, und dies zu sein kann Herr von Holzgethan sich schwerlich rühmen, welche vermeintlichen Vorzüge er sonst auch besitze. Unvergessen bleibt uns die kompromittierende Haltung, die er bei seinem vorigen Budget einnahm; wie er zuerst, um die Delegationen für die höchsten Anforderungen des Kriegsbudgets gefügig zu machen, die finanzielle Lage als die rosigste darstellte; sodann aber im Reichsrat, wo es aber auf die Bedeckung ankam, die unzulässigen Berechnungen anstellte, um die Notwendigkeit einer großen Anleihe zu begründen....“

Herrn von Holzgethans Ernennung zum Reichs Finanzminister war auf Empfehlung des Grafen Andrassy erfolgt. Er gewann dessen Protektion in dem bekannten Kronrat, anlässlich dessen Herr von Holzgethan den finanziellen Ruin des Staates für den Fall in Aussicht stellte, als die Fundamentalartikel Gesetzeskraft erhalten sollten; im Moment der Entscheidung soll Graf Andrassy jedoch ihn für die Präsidentschaft des obersten Rechnungshofes haben abfertigen wollen, angeblich weil Herrn von Holzgethan die nötigen Qualitäten zur Repräsentation eines Ministers fehlen, allein Herr Holzgethan bestand auf den Portefeuille eines gemeinsamen Finanzministers; er wurde als solcher wiederholt von den Delegationen, namentlich den österreichischen, heftig angegriffen, vor zwei Jahren schon wurde gegen ihn eine Resolution gefasst, man sprach damals von Herrn Holzgethans Rücktritt; er unterblieb. Wegen Verwaltung der Reichsaktiven hatte er erst vor wenigen Wochen einen heftigen Strauß mit Herrn Dr. Herbst zu bestehen.

Herrn von Holzgethans Finanzkunst bestand im Anhäufen von Barmitteln in der Staatskasse. Als Finanzpräfekt von Venedig hatte er seinerzeit den unglücklichen Gedanken, den Zwangskurs der Banknoten in Venetien einzuführen, ein Experiment, welches dem Staat mehrere Millionen kostete.

Als Ministerstellvertreter unter Belcredi-Larisch machte er nicht den geringsten Versuch der Verwahrlosung der Staatsfinanzenzu steuern.

Abgeordnete wussten ihm nur wichtige administrative Talente nach zu rühmen. Als Redner sowohl, wie als Vertreter seiner Vorlagen, war er sowohl im Plenum, als in den Ausschüssen unglücklich. Initiative und Energie schienen ihm ganz zu fehlen und Beamte, die unter ihm gedient haben, behaupten, er habe ihnen den Dienst mitunter nicht leicht gemacht.

Über die letzten Lebenstage Holzgethans erfahren wir noch folgendes: Minister Holzgethan hatte seine provisorische Wohnung im Hotel „Zur ungarischen Krone“ am verflossenen Dienstag seit seiner Rückkehr aus Pest deshalb bezogen, weil er einerseits seinem Büro näher sein wollte, andererseits seine Wohnung im Schottenhof renovieren ließ. Um 9 Uhr 15 nahm Holzgethan eine Tasse Eis zu sich und begab sich darauf, nachdem er noch befohlen hatte, seinen Wagen für heute 9 Uhr vormittags zu bestellen, da er um diese Zeit zum Kaiser zur Audienz befohlen war, zur Ruhe. Um 10 Uhr 15 klingelte er seinem Diener und befahl ihm, da er sich unwohl fühlte, einen Arzt zu holen. Dieser Auftrag wurde sofort erfüllt, der in nächster Nähe wohnende Dr. Estermann gerufen und zugleich sein ordinierender Arzt Dr. Postelberg in Kenntnis gesetzt, der sofort herbei kam.

Um halb 11 Uhr bekam Holzgethan einen heftigen Schlaganfall und hauchte nach wenigen Sekunden trotz angewandter energischer Gegenmittel sein Leben aus. Sofort wurde die einzige Tochter des Ministers, welche bei ihrem Vater wohnte, von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt und dieselbe ordnete die Übertragung der Leiche in die Wohnung im Schottenhof an, welche um 3 Uhr nachts auch wirklich erfolgte. Minister Holzgethan sollte heute seinen Urlaub antreten und sich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in ein Bad begeben. Die Leiche wird heute Nachmittag aufgebahrt werden. In der Schottenkirche feierlich eingesegnet und sodann auf dem Friedhof zu Hietzing zur Beisetzung in der Familiengruft überführt werden.

Außer der Tochter hatte er noch einen Sohn der in jungen Jahren verstorben ist, und noch einen Bruder. Die Wiener Sonn- und Montags Zeitung beleuchtet mit dieser Zusammenfassung die tragische Figur des Ludwig Freiherrn von Holzgethan: „In den Delegationen wurde er mit Vorliebe als Zielscheibe gewählt, nach welcher schmerzlich treffende Geschosse gerichtet wurden. Nunmehr ist er vor bösartigen „Herbst“.Stürmen und Bosheiten der Journale die ihm trotz seiner verfassungstreuen Verdienste doch wo es nur anging das Leben sauer machten. So werden wir einen Mann unsere vollste Achtung nicht versagen können, der zu jeder Zeit ein treuer Beamter gewesen ist, wenn er auch nicht, ganz das Ideal eines Beamten vorstellte, so ist es nur, weil er das Malheur hatte durch eine Ironie des Schicksals zum Minister in mannigfacher bewegter Zeit gemacht zu werden...“

QUELLEN: Neue Freie Presse, 31. Dezember 1871 S 2, Salzburger Chronik, 1. August 1904, S 1 u. 2; Neues Wiener Tagblatt 12. Juni 1876, S 11, Wiener Zeitung, 12 Juni 1876 S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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