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MARIUS VON PASETTI#

Botschafter
Marius von Pasetti

In der Nacht des 4. Mai 1913 starb in seiner Wohnung Lobkowitzplatz 1, der ehemalige Botschafter beim Quirinal Marius Freiherr von Pasetti-Friedenburg, kurz vor Vollendung seines 72. Geburtstages.

Baron Pasetti war am 15. Mai 1841 als jüngster Sohn des Hof- und Ministerialrates Baron Florian Pasetti geboren und ist im Jahr 1864 in den Staatsdienst getreten. Er war bei den Missionen in Konstantinopel, Paris, Petersburg, Florenz und Rom beschäftigt. Und seine Wirksamkeit an allen diesen Stellen fand die wohlverdiente Beachtung. Im Jahr 1876 wurde er Legationsrat zweiter Kategorie, und zwei Jahre später wurde er der Bevollmächtigten bei dem Berliner Kongress zugeteilt. Dann war er für einige Zeit zur Dienstleistung im Ministerium des Äußeren i außerordentlicher Verwendung herangezogen. Hierauf ging er als Legationsrat nach Berlin zur Botschaft. Als solcher erhielt er im Jahr 1883 den Titel und Charakter eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers. Bald darauf wurde er neuerdings ins Ministerium berufen und mit den Funktionen eines Sektionschef betraut. Im Oktober 1884 avancierte er zum Zweiten Sektionschef und verblieb im internen Dienst. Der rückte dann zum Ersten Sektionschef und Vertreter des Ministers vor.

Baron Pasetti hatte sich im Ministerium eine umfassende Personal- und Geschäftskenntnis erworben, und namentlich seine Dienstleistung in Berlin hatte die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt. Mit eigenartiger Begabung und reichem Wissen verband er Liebenswürdigkeit der Umgangsformen, die ihm in allen offiziellen Zirkeln und insbesondere in der Diplomatie einen um so festen angesehenen Platz erworben hat, als sein Wohlwollen gegen jeden, der mit ihm in dienstliche Berührung trat, ihm auch außerhalb des diplomatischen Korps viele Freunde sicherte.

In Rom hatte Baron Pasetti mit Haymerle gearbeitet. Ihn hat er auch zum Berliner Kongress begleitet. Im Jahr 1895 wurde er Botschafter am Quirinal, in welcher Stellung er bis zum Jahr 1904 blieb. Er hat sich auch hier große Verdienste um die Beziehungen der beiden Verbündeten. Im Jahr 1904 trat er in den dauernden Ruhestand.

Er war 1875 mit dem Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens mit dem Stern, 1889 durch Verleihung der Würde eines Geheimen Rates, 1893 mit dem Orden der Eisernen Krone erster Klasse und 1901 mit dem Großkreuz des Leopoldorden ausgezeichnet worden. Bei seiner Pensionierung erhielt er die Brillanten zum Großkreuz des Leopoldordens, als dessen Kanzler er auch fungiert hat.

Baron Pasetti war mit Therese Schwarz von Mohrenstern vermählt, die am 17. Mai 1936 mit 92 Jahren starb.

Im Pester Lloyd erschienen im August 1914 Erinnerungen an den Botschafter Pasetti von S. Münz: „Der im Frühling verstorbene österr.-ung. Diplomat war eine feine, biegsame Gestalt, wie aus Filigran gearbeitet, schlank.,schmächtig, fast ästhetisch. Der österreichische Bildhauer Seeboeck, der es während eines Dezennien langen Aufenthalt in Rom zu hohen Ehren gebracht, hat eine Silberstatuette von Pasetti, dem er in Rom nahe gestanden, gefertigt, die besser als die Feder den Typus dieses feinsinnigen Diplomaten wiedergibt. Nachdenklich schreitet er aus – in seinem faltenreichen, dünnen länglichen Antlitz äußert sich mehr eine empfindsame Künstlerseele als der berechnende, den Vorteil des Augenblicks oder der Zukunft trägende Staatsmann.

Und er besaß auch tatsächlich einen hohen Grad künstlerischer Empfindung. Er war eine liebenswürdige, vornehme Natur, die alle Dissonanzen der Öffentlichkeit und der Straße sich möglichst fern hielt, Er trat geräuschlos auf, sprach fast im Flüsterton und schien mit Brander in Goethes „Faust“ sagen zu wollen: „Ein politisch Lied . Pfui ein garstig Lied“, In dem letzten Jahrzehnt seines Daseins, als er aufgehört hatte, Botschafter am Quirinal zu sein, lebte er hauptsächlich, der Kunst und kunsthistorischen Studien, und sein Heim auf dem Lobkowitzplatz in Wien, wo er im Mai 1913 dahingeschieden ist, war auch künstlerisch ausgestattet. Gern führte er die Besucher vor die alten Ölbilder, die in den Plafond eines seiner Gemächer eingelassen waren.

Ein Lieblinsgespräch war Italien und Rom. Er hatte in Rom nicht wie ein Fremder gelebt, sondern sich dort als ein mit der italienischen Volksseele vertrauter Mann schnell heimisch und beliebt zu machen verstanden.

Schon seinem italienischen Namen Pasetti brachte man in Italien ein freundliches Vorurteil entgegen. Man vergaß über dem italienischen Namen das deutsche Prädikat von Friedenburg. Da seine Mutter eine Contessa Angeli gewesen, so war er, der Sohn des Hof- und Ministerialrats Florian Freiherrn von Pasetti, ein Italiener pur sang, so weit es die Nationalität, selbstverständlich aber nicht die staatliche Untertanenschaft betrifft. Sein Vater der im November 1875 verstorbene Hofrat, war noch bürgerlich, und als Bürgerlicher war auch noch dessen dritter und jüngster Sohn Marius im Jahr 1841 geboren. Erst 1854 wurde sein Vater in den Ritter.-, 1867 in den Freiherrnstand erhoben.

Pasetti war zum Botschafter am Quirinal wie geschaffen. Er sprach mit den Italienern in ihrer Sprache, fühlte mit ihnen und verstand es in hohem Grade, ihrer nationalen Empfindsamkeit Rechnung zu tragen. Er hat in Rom, wo er Österreich-Ungarn neun Jahre lang (1895 bis 1904) als Botschafter vertrat, sehr bewegte Tage gesehen. Unter anderem den Übergang der Herrschaft von dem ermordeten Humbert zu Viktor Emanuel. Es war ihm nicht leicht, sich an den neuen König zu gewöhnen. Als wir ihn, nachdem er sich bereits in den Ruhestand begeben hatte, jedoch viele Jahre vor dem tripolitanischen Feldzug, befragten, Wie er über den jungen König von Italien und wie dieser über Österreich-Ungarn dachte, erwiderte er: „Der König will ohne Zweifel gute Beziehungen zu Österreich-Ungarn. Er ist ein Mann von sicherlich nicht gewöhnlicher Intelligenz, aber auch von nicht gewöhnlichem Ehrgeiz. Wie Kaiser Wilhelm II., als Herrscher immer an seinen Großvater Wilhelm I., dem ruhmreichen Begründer des Deutschen Reiches, und nicht an seinen Vater, den Kaiser Friedrich, anknüpft, der nur die kurze Spanne eines einzigen Frühlings regierte, so erinnert sich auch Viktor Emanuel III., als Herrscher viel lieber seines Großvaters Viktor Emanuel II., als seines Vaters Humbert I., wenn dieser auch über zwanzig Jahre regiert hat. Ich will jedoch keineswegs sagen, dass Viktor Emanuel III., den Ehrgeiz habe, wie sein Großvater die Waffen mit Österreich-Ungarn zu kreuzen, um so etwa der Vollstrecker der Wünsche einer Italia irredenta zu sein. Aber was ihn wohl locken könnte, wäre, etwa zusammen mit Österreich-Ungarn Lorbeeren im Orient zu pflücken. Den König von Italien langweilt vielleicht diese konservative, nur aufs Erhalten gehende Politik ohne Schwung, ohne Unternehmungsgeist, ohne Expansion. Der König würde nicht ungern die Kräfte Italiens zu messen versuchen, und dies keineswegs gegen, sondern im Verein mit Österreich-Ungarn.“ Dagegen wehrte es Baron Pasetti aufs entschiedenste ab, dass Königin Elena irgendwelche politische Ambitionen hätte.

Einmal kam er, der einstige Sektionschef im Ministerium des Äußern, auf seine einstigen Chefs zu sprechen, die Grafen Andrassy und Kalnoky. An Andrassy rühmte er das Geniale, den großen Zug.den Überblick über das Ganze „Er war aber“ fügte er hinzu, „das Gegenteil eines Beamten und seine Stärke war auch seine Schwäche. Er hatte von den Details keine Ahnung – die Konsulate und was damit zusammenhängt, existierten für ihn nicht. Er liebte die Menschen von Geist, wie etwa einen Doczy – ein Mann, der sich gerade auch nicht zum besten zum Beamten eignete.... Kalnoky war ganz der Gegensatz zu Andrassy: ein Arbeiter, der sich in Details verlor und glaubte, ohne ihn ginge gar nichts. Er hatte ein ungeheures Selbstvertrauen und an diesem ist er auch zugrunde gegangen. Er stürzte, als er, ohne einen Menschen zu Rate zu ziehen, in dem Konflikt zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten und dem päpstlichen Nuntius Agliardi die bekannte Note gegen Banffy im „Fremdenblatt“ veröffentlicht hatte. Hätte er, was er so eigenhändig niederschrieb, vor der Publikation einem seiner Räte gezeigt, so hätte er nicht dem ungarischen Ministerpräsidenten weichen müssen, sondern sich noch im Amte behaupten können. Bei Kalnoky folgte auf das Ende seiner amtlichen Laufbahn bald das Ende seines Daseins, denn er vermochte außerhalb des Amtes nicht mehr lange zu leben. Er war nicht genial wie Andrassy aber er hatte mehr Bildung als dieser. Er besaß eine tüchtige Kenntnis der französischen schönen Literatur. Er war, was man ihm nicht mit Unrecht vorwarf, recht hochmütig und vielfach unmodern in seiner Auffassung. Er verkehrte auch nur mit den Torys. Er trug Bedenken, etwas eine Deputation von Industriellen und Kaufleuten im Ministerium zu empfangen. Er vertrug die Beamten aber besser als geistig hochstehende Literaten vom Schlage Doczys. Im Gegensatz zu Andrassy schenkte er dem Konsulatswesen große Aufmerksamkeit.

Zu Anfang des Jahres 1904 gab Pasetti seinen römischen Posten wegen schlechter Gesundheit auf. Zwei Jahre danach, als er bereits im Ruhestand in Wien lebte, erlitt er einen Schlaganfall. Er lebte nunmehr fern von der großen Welt-

Am 25. Februar 1908 besuchte ihn der Schreiber dieser Zeilen und zeichnete nach einem Gespräch mit ihm nachfolgendes auf: „Heute nach mehrmonatiger Unterbrechung wieder einmal bei Pasetti gewesen. Anfangs fiel es ihm schwer sich zu sammeln. Seine Zunge hatte etwas Lallendes. Man sah es ihm an , dass er sich von dem vor zwei Jahren erlittenen Schlaganfall nicht mehr recht zu erholen vermochte. Nur mühsam folgte die Sprache dem Gedächtnis, das nicht so sehr gelitten zu haben scheint. Er hat die Politik so gut wie aufgegeben und beschäftigt sich jetzt nur mit kunsthistorischen Problemen. Es scheint, dass die Politik die ihm durch die Lebensschicksale angetraute Gattin, die Kunst jedoch seine eigentliche Liebe war. Doch flüchtig ward auch die Politik berührt. Mit Genugtuung hob er hervor, dass er in schwierigen Momenten als Botschafter in Rom manches getan habe, um Österreich-Ungarn und Italien einander näher zu bringen. Er äußerte sich: „Ich habe es mehr als einmal den Staatsmännern Italiens nahe gelegt, wie töricht es wäre, dass Italien und Österreich-Ungarn statt sich eng aneinander zu schließen, einander sticheln und reizen.“

„Ich habe“, fuhr er fort, „manchem der leitenden Minister Italiens zu demonstrieren versucht: Was könnten wir in Europa sein, wenn wir vereint wären, und was sind wir, wenn wir uns, ob nun äußerlich oder innerlich, voneinander trennen? Ich habe ihnen gesagt: England, Frankreich, Russland und in neuester Zeit auch Deutschland haben ein Stück Weltherrschaft an sich gerissen. Österreich-Ungarn und Italien dagegen sind für sich genommen Mächte zweiten Ranges, Österreich-Ungarn bedeutet nur etwas als Verbündeter, weil es seine starke Armee hat, Für sich ist ein jeder der beiden Staaten verurteilt, ein Spielball in den Händen der Weltmächte zu sein. Wie sehr nun müsste es die Sorge der wirklichen Patrioten beider Länder sein, dass Österreich-Ungarn und Italien zusammen halten, um doch eine imposanten Faktor im Rate der Welt darzustellen.“

Als aus Rom die Nachricht von der wegen betrügerischer Gebarung erfolgten Verurteilung des einstigen Ministers Nasi durch den Senat eingelaufen war, meinte Pasetti: „Auf diesen Nasi hatte ich es immer recht scharf und dazu hatte ich auch jeden Grund. Er hat mir in der Zeit, als ich Botschafter am Quirinal war, recht unangenehme Stunden bereitet.“

Dann streifte sein Blick seine kunsthistorischen Aufzeichnungen, denen er sich in den letzten Jahren seiner römischen Wirksamkeit, wenn er auf Urlaub war, teils in Wien, teils in Ischl, wo er bei Pamesberger in der Götzstraße wohnte, hingegeben hatte. Er hieß den Diener einen Schatz hereinbringen, den er, wie er meinte, besonders behüte und auch mir zu besonderer Hut anvertrauen wolle. Es war eine Kassette und darin lagen wohlgeordnet, ja zierlich zusammen gelegt, Aufzeichnungen über griechische Kunst, über das Nackte in der Kunst, über klassische Skulpturen und dazu Fotografien, die er selbst gefertigt hatte.

Und dann zeigte er mir Abgüsse und Fotografien einiger moderner Plastiken seines jungen Freundes Seeboeck in Rom - unter anderem eine klassische Brunnenfigur, die heute im Besitz des Herrn Mendelssohn-Bartholdi in Berlin ist, und den Abguss eines Hundes, den der spätere türkische Botschafter in Wien Mahmud Redim besessen, solange er in Rom war.

Pasetti kam alsdann auf seine archäologisch-kunsthistorischen Studien zu sprechen und bemerkte, er wolle bei Lebzeiten nichts veröffentlichen, um nicht den Groll der Archäologen hervorzurufen, mit denen man sich nicht unnütz in einen Disput einlassen soll. Er demonstrierte mir vor Abgüssen griechischer Statuen sein von dem Gewöhnlichen abweichendes Bekenntnis, stellte den „Apollo vom Belvedere“ als eine konventionelle Arbeit hin, sprach aber mit großer Begeisterung vom Hermes des Praxiteles und vom „Diskuswerfer“. Er fand, dass die Pallas Athene vor dem Parlament in Wien, dass der Bildhauer die Göttin nicht ganz würdig hingestellt hat..

Schließlich holte er einen Abguss des in Madrid befindlichen Kopfes hervor, der den Traum oder den Schlaf mit Flügeln darstellt – ein Werk des Praxiteles „Sehen Sie, ein wundervoller Kopf, von dem man kaum zu sagen weiß, ob es ein männlicher oder ein weiblicher sei. So hat es die griechische Kunst in ihrer Blüte immer gehalten. Sie hat es verschmäht, alternde Gestalten darzustellen und es vorgezogen, die Menschen in jener jugendlichen Schönheit zu bilden, in der auch das Männliche noch nicht die Weiblichkeit von sich abgestreift hat. Und sehen Sie, wie sich diese Flügel organisch an den Kopf anpassen, wie sie sich über die träumende Gestalt breiten und die Gedanken halb verbergen.“

Und dabei schlossen sich dem Sprecher die Augen, und er selbst schien zu träumen von dem Abschluss seines irdischen Daseins.

Am 20. Dezember 1914 berichtet die Wiener Zeitung in den Literarischen Notizen „Briefe über antike Kunst“ von Marius Freiherrn von Pasetti, weiland östereichisch-ungarischem Botschafter am Hof des Königs von Italien. Wien, F. Tempsky Leipzig, G. Freytag GmbH 1915. Diese ebenso geschmackvoll wie luxuriös ausgestattete Schrift leitet ein von Sigmund Münz geschriebenes Vorwort ein, das den Manen des dahingeschiedenen Verfassers gewidmet ist, dieses hervorragenden Diplomaten, der zugleich Künstler und Gelehrter war und mit nie ermattender forschender Liebe an den Kunstwerken des klassischen Altertums hing. Sie strahlen in sein dem ernsten diplomatischen Dienst gewidmetes Leben einen freudigen Abglanz ihrer unvergänglich hohen Schönheit und überglänzten es mit einem traumhaften Schimmer der Poesie.....

Das Buch wird noch heute angeboten....

Am 30. April 1906 war in der Wiener Zeitung zu lesen: „Se. Majestät der Kaiser hat Samstag und Sonntag durch den Generaladjutanten Grafen Paar Erkundigungen über das Befinden des vormaligen Botschafters Geheimen Rates Marius Freiherrn von Pasetti einziehen lassen. Graf Paar und Freiherr von Bolfras fragten nach. Nach dem gestern vom behandelnden Arzt Dr, Krügkula ausgegebenen Bulletin ist eine fortschreitende Besserung zu verzeichnen. :QUELLE:Neues Wiener Tagblatt 5. Mai 1913 Seite 9, Pester Lloyd 8. August 1914 Seiten 2, 3, 4, Wiener Zeitung 20. Dezember 1914 Seite 11, 30. April 1906, Seite 4, BILD: Österr. Illustrierte Zeitung 11. Mai 1913, Seite 8 ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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