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PROF: KARL STELLWAG#

Arzt
Prof. Karl Stellwag

Am 21. November 1904 starb in Wien, in seiner Wohnung im Schottenhof, der bekannte Augenarzt Prof. Dr. Karl Stellwag von Carion im 82. Lebensjahr. Mit Hofrat Stellwag ist einer der markantesten Gestalten der berühmten Wiener medizinischen Schule dahingeschiedenen. Prof. Stellwag hat seine akademische Tätigkeit bereits vor 10 Jahren abgeschlossen als er nach Erreichung des 70. Lebensjahres und nach Absolvierung der zwei Ehrensemester am 5. Juli 1894 von seinen Hörern und von der durch ihn zu hohem Ruf erhobenen I. Ophthalmologischen Klinik, umrauscht von den Huldigungen und Ovationen der wissenschaftlichen Kreise und seiner Schüler, endgültig Abschied nahm.

Karl Stellwag wurde am 28. Jänner 1823 zu Langendorf bei Mährisch-Neustadt in Mähren geboren, besuchte die Piaristen Hauptschule in Freudental, das Gymnasium in Olmütz und absolvierte seine Universitätsjahre zum Teil an der Prager, zum Teil an der Wiener Universität, wo er im Jahr 1847 zum Doktor promovierte. Nach mehrjährigem Spitaldienst als Sekundararzt der Augenkrankenabteilung im allgemeinen Krankenhaus wurde er im Jahr 1854 auf Grund seiner Arbeit „Ophthalmologie vom naturwissenschaftlichem Standpunkt zum Privatdozenten an der Wiener Universität und in demselben Jahr bei Wiedererrichtung des höhere Kurses der medizinisch-chirurgischen Josefsakademie unter Übertritt in das feldärztliche Korps mit der Leitung der Augenkrankenabteilung des Garnisonsspitals Nr. 1 betraut.

1857 wurde er zum a. o. Prof. der Augenheilkunde an der Universität und auch an der Josefsakademie und 1858 zum wirklichen Professor dieser Lehranstalt ernannt. Nach Aufhebung der Josefsakademie im Jahr 1873 wurde Stellwag ordentlicher Professor der Augenheilkunde an der WienerUnivesität. Seine Tätigkeit als Augenarzt ist ebenso berühmt wie die hochwissenschaftlichen und geistvollen literarischen Arbeiten auf dem Gebiet der Ophthalmologie. Sein „Lehrbuch der Augenheilkunde“ 1862 hat die wissenschaftlichen Welt aller Länder interessiert und ist zum Leitstern geworden. Die Arbeit wurde uns Italienische, Ungarische und Englische übersetzt.

„Abhandlungen aus dem Gebiet der praktischen Augenheilkunde“, Ergänzungen zum Lehrbuch 1882, ferner „Neue Abhandlungen aus dem Gebiet der praktischen Augenheilkunde“ unter Mitwirkung von Bock und Herz 1886; nebenbei erschien während seiner langjährigen Lehrtätigkeit eine stattliche Zahl von Abhandlungen und Aufsätzen in den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der k. k. Akademie der Wissenschaften und verschiedenen medizinischen Wochenblättern.

Eine seiner wichtigsten Arbeiten Stellwags war seine Abhandlung „Akkommodationsfehler des Auges“, womit dieses Thema eine grundlegende zusammenhängende wissenschaftliche Bearbeitung erfuhr.

Die Vorträge des gefeierten Gelehrten nicht nur in seinem Spezialfach, der Augenheilkunde, sondern auch aus anderen, der Zeit Disziplinen der Medizin und Chirurgie begeistern die Hörer wegen ihrer Form und fesselnden Darstellung.

Stellwag gleich wie seine Kollegen Jäger und Arlt aus der Schule Beers, des Begründers der Wiener Augenklinik hervorgegangen, hat die Tradition seines Lehrers von seiner genialen Begabung unterstützt, mit aller Überzeugung fortgesetzt, Neben einem gründlichen Wissen zeichnete sich der Dahingeschiedene durch eine immense Arbeitskraft und beharrlichen Fleiß aus.

Stellwag stammte noch aus der Blütezeit der Wiener Schule, der Zeit Skodas, Oppolzers, Rockitanskys, Hebras und zusammen mit Arlt und Jäger waren sie das leuchtende Dreigestirn am ophthalmologischen Himmel.

Stellwag vermachte seine gesamte medizinische Büchersammlung der Innsbrucker k. k. Universitäts Bibliothek und sagte der Heilkunst Lebewohl um sich ab nun den Naturwissenschaften und der Geschichte zu widmen. Seine Freunde hatten immer wieder Gelegenheit ihn aus der Einsamkeit zu entreißen, da es so manches Jubiläum, das zu feiern Anlass gab.

Stellwags Werdegang war weder leicht noch glatt gegangen. Er hatte viel mit Widerwärtigkeiten zu kämpfen gehabt, die anfangs materieller Natur waren. So durfte er als Assistent bei Rosas, welchem im Jahr 1847 die Augenheilkunde als eine abgeschlossene Wissenschaft galt und der jede Neuerung als ein vergebliches, frevelhaftes Unternehmen mit Misstrauen verfolgte, seine mikroskopischen Studien nur hinter versperrten Türen zu betreiben wagen und, als er dann wirklich ertappt wurde, hätte es ihm beinahe die Stelle gekostet. Nur durch die Fürsprache Heschls gelang es, die drohende Gefahr abzuwenden.

Das Ergebnis seiner Studien war gleichzeitig auch sein Sieg, das dreibändige „Ophthalmologie vom naturwissenschaftlichen Standpunkt“ ein epochales Werk, welches die Resultate rastloser, angestrengter, 10jähriger Forschung niedergelegt enthält nach wie vor Wissenswertes und somit ein unentbehrliches Nachschlagewerk für jeden Forscher.

Sein Lieblingsgerät war das Mikroskop, mit dem er seine Forschungen betrieb und das er nur durch Ratenzahlungen erwerben konnte. Das hatte ihn damals mit dem berühmten Optiker Plössl zusammengeführt und so war seine Aufmerksamkeit auf die damals von den Augenärzten ganz vernachlässigten, so wichtigen Sehfehler gelenkt worden und führte ihn zu der Aufdeckung der Hypermetropie. Diese äußerst wichtige Entdeckung ermöglichte es erst, die Refraktionsanomalien des Auges vollständig zu erkennen und zu verstehen. Andere nahmen die Spur auf und ernteten den Ruhm, den echten Entdecker vergaß man einfach zu nennen. Diese Übergehung und Zurücksetzung vergaß Stellwag sein Leben lang nicht, denn zu sehr schmerzte es ihn.

Trotz allem forschte er emsig weiter, gab darüber Schriften heraus dessen Thema die Wichtigkeit über den intraokularen Druck, was zur Aufstellung einer eigenen geistreichen, physikalisch fundierten Glaukomtheorie führten, über Lidrandplastiken, über Schleimhautpfropfung, über leuchtende Augen, über Theorie des Augenspiegels, den er konstruiert und der in jeder Praxis eingebürgert, über die Behandlung der Blennorrhoea conjunctivae, über unblutige Behandlung des von Übersichtigkeit abhängenden konvergierenden Schielens, über Innervationsstörungen bei Morbus Basedowii.

Stellwag war ein ausgezeichneter Lehrer und wusste seinen Vortrag interessant zu gestalten, mit Episoden, satirische Bemerkungen auszuschmücken, und betonte nicht kranke Augen , sondern augenkranke Menschen zu behandeln.

Stellwag war ein ausnehmend kluger, durchaus kritisch veranlagter Mann von unermüdlichen Fleiß und umfassendem Wissen. Er interessierte sich für alles, am wenigsten für Politik, Botanik war sein Lieblingsgebiet. Die Musik , ihr galt seine ganze Liebe, Kammermusik die er mit Freunden pflegte und die erste Geige spielte.

Sein Charakter darf als spröd und starr, mit außerordentlicher Willensstärke und Tatkraft bezeichnet werden. Unterwürfigkeit oder Heuchelei lagen ihm nicht. Seine Umgangsformen waren eher rauh als konziliant. Da er seine Meinung offen kund tat, verscherzte er sich so manche Freundschaft einflussreicher Persönlichkeiten, somit wurden seine wissenschaftlichen Leistungen oft nicht die Anerkennung und Würdigung fanden, die sie eigentlich verdienten.

Im Ambulatorium seiner Klinik, konnte man beobachten mit welcher Teilnahme und Güte auch an Sonn- und Feiertagen er unter all den Hilfesuchenden oft stundenlang weilte und mit welcher Liebe den Kindern gegenüber, für die er oft Süßigkeiten bereit hatte, entgegenbrachte.

QUELLEN: Allgem. Wiener med. Zeitung 29. November 1904, S 6, Cur- und Bade Zeitung 3. Dezember 1892, S1, Bild S.2, Agramer Zeitung 13. November 1904, S 4, Wiener Klinische Wochenschrift 1. Dezember 1904, S 20. ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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