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RAUCHFANGKEHRER#

Wien
Kaminfeger

Der Wiener Magistrat hat 1894 im eigenen Wirkungskreis eine neue Kehrordnung für die Rauchfangkehrer erlassen, welche weder den praktischen Anforderungen in Bezug der Feuersicherheit, noch den gerechten Wünschen der Rauchfangkehrer entspricht und auch den Hausbesitzern, sowie den Mietparteien kaum angenehm sein dürfte.

Auffallend und unbegreiflich an der Sache war, dass alles ganz geheim gehalten worden war, es fanden weder vorherige Befragungen noch Verständigung der Wiener Rauchfangkehrer Genossenschaft statt.

Die neue Kehrordnung wurde bereits seit Wochen an die Hausbesitzer verteilt, die Genossenschaft der Rauchfangkehrer aber erst am Vortag offiziell davon verständigt. Diese Vorgangsweise hat in den Kreisen der Meister und Gehilfen Empörung ausgelöst, noch dazu, da die Forderungen der Rauchfangkehrer in der neuen Kehrordnung völlig ignoriert wurden.

Das Rauchfangkehren war früher ein feuerpolizeilicher Sicherheitsdienst, also ein sogenanntes staatliches Amt als ein Gewerbe. Mit der Einführung des Gewerbegesetzes vom Jahr 1859 wurde den Rauchfangkehrern der Charakter eines konzessionierten Gewerbes gegeben, jedoch blieben den Meistern immer noch einige feuerpolizeiliche Agenden und mit diesen auch verschiedene Gewerberechte und Machtbefugnisse verweigert, so war z. B., dem Rauchfangkehrer vor dem Erlass der jetzigen Gewerbeordnung bei allen feuerpolizeilichen Kommissionen Feuerbeschau ein mitwirkendes Amtsorgan und hatte daher einen großen Einfluss auf das Baugewerbe und Bauart der Rauchfänge, Heizungen und Öfen. Bei Bränden war der Rauchfangkehrer ein obligates Mitglied des Feuerlöschcorps. Alle diese Ämter und der Umstand noch, dass ein Rauchfangkehrer Meister von Seite der k. k. Statthalterei auf Grund des Nachweises der praktischen Befähigung ein Bestelldekret ausgestellt erhielt. All das machten den Rauchfangkehrer zu einem wichtigen Faktor der Feuerpolizei. Gemäß der im obliegenden Verantwortung in polizeilichen Dingen waren ihm auch verschiedene gewerbliche Rechte erteilt, wie ein gewisses Einspruchsrecht in Baufällen. Nach einer Bestimmung des bürgerlichen Gesetzbuches waren die Schuldforderungen des Rauchfangkehrers immer als erster Haussatz zu behandeln, wenn nicht die Steuerbehörde oder der Arzt uns der Apotheker in Vormerkung waren.

Eine der Neuigkeiten war, dass sie ihrer obligatorischen Wirksamkeit im Feuerpolizeiwesen enthoben wurden, unter die konzessionierten Gewerbe eingereiht, jeglicher Einfluss auf das Bauwesen genommen, überhaupt die Rauchfangkehrer ihres amtlichen Charakters entkleidet und so auch ihres materiellen Schutzes verlustigt geworden.

Nach dem am 13. Mai 1888 in Wien stattgefundenen österreichischen Rauchfangkehrertage begann die Einreihung dieses Standes unter die Gewerbe und dem Verschwinden autoritativer Kompetenz, sowie der Freigabe der Wirkungsgrenze die Jagd nach dem Kunden und mit dieser die Schmutzkonkurrenz und schleuderhafte Arbeit ihren Einzug gehalten.

In der neuen Kehrordnung wird nun auf diese Dinge keine Rücksicht genommen. Statt der von den Rauchfangkehrern sowohl im Interesse einer möglichst hohen Feuersicherheit, wie auch im Interesse eines rationellen Gewerbebetriebes und zur Beseitigung der Schmutzkonkurrenz verlangten die Einführung obligater Kehrbezirke wird in der neuen Kehrordnung Folgendes bestimmt:

Die Hausbesitzer sind verpflichtet, für die regelmäßige Ausführung jener Kehrarbeiten, welche nach § 5 der Feuerpolizei-Ordnung für Wien, und Punkt 5 dieser Kehrordnung auf ihre Kosten zu erfolgen hat, einen berechtigten Rauchfangkehrer zu bestellen, die regelmäßige Durchführung der Kehrarbeiten und den sorgfältigen Verschluss der Rauchfangputztüre zu überwachen oder durch einen Bestellten überwachen zu lassen. Die Mieter sind nicht verpflichtet, für die ihnen obliegenden Reinigung der Zimmeröfen, der transportablen Herde und der Rauchleitungen sich jenes Rauchfangkehrers zu bedienen, welchen der Hausbesitzer für die Ausführung der ihm obliegenden Arbeiten bestellte,

Mit dieser Bestimmung wurde jedoch auch der freien Konkurrenz, der Jagd nach Kunden und der dadurch bemerkten Unordnung, sowie allen anderen Übeln Tür und Tor geöffnet.

Nach diesen Bestimmungen kann der Fall eintreten, dass ein Rauchfangkehrer,der in Simmering wohnt, infolge der freien Konkurrenz in Leopoldsdorf Rauchfänge zu fegen hat, während der in Nussdorf wohnende Rauchfangkehrer sich einen Kunden in Simmering erschleichen muss. Für die Übertretung der Kehrordnung gibt es sehr strenge Strafen.

Ohne irgend welche Rechte zu besitzen, kann also der Rauchfangkehrer von drei Seiten: vom Magistrat, von der Polizei und vom Bezirks- Landesgericht zur Verantwortung gezogen und von allen drei Stellen zur gleichen Zeit und wegen eines und desselben Vergehens bestraft werden.

Einer Idee zufolge sollte ganz Wien in kleine und größere Kehrbezirke eingeteilt werden und eine bestimmte Anzahl von Rauchfangkehrer zugewiesen werden und nur die berechtigt sein, die Reinigung der Schornsteine und Feuerstätten in diesem Haus vorzunehmen.

Am 12. März 1896 erfolgte von dem Zentralverband der Hausbesitzer Vereine durch eine Deputation die Eingabe an den Bezirkshauptmann Dr. von Friebeis und Magistratsrat Peter Philipp. Darin wurde gegen die Kehrordnung vom 26. April 1894, auf schärfste Stellung genommen, denn die Wiener Bevölkerung ist mit dem derzeitigen Kehrmodus vollkommen einverstanden; die Feuersicherheit unserer Stadt ist die denkbar günstigste, was schon die gewinnbringenden Bilanzen unserer Feuerversicherungs-Institute ersichtlich ist. Die Rauchfangkehrergehilfen haben ein gutes Einkommen und keinerlei Grund zur Unzufriedenheit, es wäre, sie wollten über die Engherzigkeit ihrer Meister aufmerksam machen. Für Meister die ihr Geschäft verstanden war ihr Handwerk ein goldener Boden, Meister die nur wenige Kunden hatten, hatten Pech oder verstanden ihr Handwerk nicht.

Die Rauchfangkehrermeister streben nicht nur nach einer unmotivierten Verbesserung ihrer so glänzenden finanziellen Lage, sondern wollten ihre persönlichen Machtbefugnisse erweitern, und sich als behördliche Organe positionieren.

Die Hausbesitzer waren bereits in Erwartung der heißersehnten Kehrbezirkseinteilung, damit endlich das brutale Vorgehen der Widersacher zu Ende geht. Nur mussten sie selbst darauf achten, dass keine Missstände neuerlich entstehen.

Wie ein Leser bemerkte, dass er mit Erstaunen feststellen musste, welche Geduld die Hausbesitzer seit 25 Jahren aufbrachten, und über die bewunderungswürdige Nachsicht der Behörden, denn es ist eine erwiesene Tatsache , dass kein Zweig der großen Gewerbewelt die gesamten Behörden so ausgesprochen beschäftigt, wie der der Rauchfangkehrer.

Ferner wurde mit Landesgesetz vom 12. Juni 1874 für Rauchfangkehrerarbeiten ein Preistarif bewilligt, welcher der höchste von ganz Europa ist.

Trotz der Auflösung des Ersten Wiener Rauchfangkehrervereines durch die k.k. Statthalterei, die Feuersicherheit zu heben, während seines vierjährigen Bestandes das Publikum um Hunderttausende von Gulden jährlich gelinde gesagt, steigerte, haben die Rauchfangkehrer in jüngster Zeit wieder unter den Augen der Behörde ein Kartell geschaffen, der ihren Besitz schützt und dazu noch Preissteigerungen nach Gutdünken durchzuführen

Die Gehilfen verdienten auch durch Nebenobjekte die sie reinigen mussten und das Geld sofort auf die Hand bekamen. 1896 gab es in Wien ausgewiesene Arbeitskraft von 227 Gehilfen die nicht mehr als 15 Gulden bei freier Wohnung, Beheizung und Licht verdiente. Der Meister per Jahr nicht auf 60.000 Gulden kommt.

Die für eine Großstadt unwürdigen Zustände endlich einmal im Interesse der Allgemeinheit tabula rasa gemacht werden und der Gemeinderat durch diese Maßregeln das Rauchfangkehrermonopol zu brechen, und den bestehenden Umtrieben eine Schranke gesetzt werden.

Nach den Erfahrungen bringt die Beschränkung in diesem Gewerbe eventuell Vorteile für manchen Einzelnen, zur Hebung der Feuersicherheit jedenfalls nicht das geringste, und wirkt höchstens auf die Allgemeinheit schädigend. Die Bezirkseinteilung wäre gleichlautend mit neuen Repressalien für die Hausherren, denn dann könnten sie wieder nach Herzenslust schalten und walten und die Zeiten des Ersten Rauchfangkehrer Vereines wo Häuser von 40 Gulden auf 1000 Gulden gesteigert wurden.

In den 19 Bezirken Wiens. Mit einem Umkreis von 63 Kilometer domizilieren 122 Meister mit einer Arbeitskraft von 227 Gehilfen, welche die Reinigung der Objekte in den vorhandenen zirka 32.000 Häusern vorzunehmen haben. Laut Statistik befinden sich in diesen genannten Gebäuden eine Million viermal hunderttausend Wohnräume mit einer Million zweimal hunderttausend Kehrobjekten, und zwar ausschließlich nur die Rauchfänge und Ausmündungstürchen, weil diese Objekte nach Vorschrift zwölf-, siebenmal im Jahr gekehrt werden müssen, zu dieser immensen Arbeitsmenge kommen noch die Extrakehrungen hinzu, wo die Hausherrn, gestützt auf die Bestimmung des Magistrates vom 11. Juni 1895, in welcher die Kehrordnung in Kraft trat und nun die Herde, Schläuche und Kessel wieder in Bestellung gaben.

Bei einer freien Versammlung der Gehilfen 1893 gibt es ein Protokoll in dem es heißt: „Dass nirgends so schlecht und die Rauchfänge so gesetzwidrig gereinigt werden wie in Wien; kein Wunder, der Gehilfe ist mit derart viel Arbeit eingedeckt, dass er nicht im Stande ist sie zu leiste und so pfuscht er eben oder oft 1895 jahrelang ungereinigt. Die Hauptkehrung bringt dem Meister 30.000 bis 35.000 Gulden.

In der Kärntner Handels- und Gewerbekammer fand am 11. Jänner 1909 eine Sitzung statt in der man sich ebenfalls mit der Frage der Kehrbezirke für Kaminfeger beschäftigte.

QUELLEN:_ Hausbesitzer 1. September 1894, S 2, 1. August 1898, S 4, 1. Mai 1896, S 6, 15. Mai 1896, S 6, Vaterland 21. August 1894, S 12, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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