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Rudolf Spannagl#

Der 39 jährige Rudolf Spannagl liebte seit seiner Jugend den Alpensport über alles. Er war ein kräftiger, sehniger Mann, der Mut und Ausdauer aufbrachte, und trotzdem Vorsicht walten ließ. In den Kreisen der Hochtouristen war er durch die Leistungen und Erfahrungen im schwierigen Felsterrain sehr geachtet.

Er hatte fast alle Gebiete der Ostalpen bereits mehrmals durchwandert und vor allem Klettertouren in den für ihn so beliebten Dolomiten in Südtirol ausgeführt. Im Vorjahr gelang es ihm in der Rosengartengruppe bei Bozen die Erstersteigung der drei Vajolet-Türme die ihn mit ihren bizarren Felsformationen faszinierten. So bestieg er den Delago-, Stabeler- und den Winkler, den

Spannagl
Dr. Rudolf Spannagl,Foto: Wiener Bilder

Georg Winkler 1887 im Alleingang bewältigte. Diese ihm noch unbekannte Tour hatte er allerdings mit einem Führer unternommen. Über seine Touren in die herrliche Bergwelt pflegte er anderen gegenüber kaum etwas mitzuteilen. Doch glückte ihm eine nicht alltägliche Kletterpartie so konnte es sein, dass er seine Erfahrungen in einem fachlich gehaltenen Vortrag im Touristenklub vorbrachte. Es handelte sich um jene Winterbesteigung des Groß Venediger, auf die er stolz sein konnte. Wie hilfsbereit Dr. Spannagl war, zeigt der Fall Domenigg der durch einen Trauerfall seinen Vortrag absagen musste, sofort erklärte sich Spannagl bereit an dessen Stelle einen Vortrag halten zu wollen. Das gewählte Thema war der Groß Venediger und seine Ersteigungsgeschichte in der auch der Vortragende eine gewisse Rolle spielte. In freier und angenehmer Wortwahl fasste der Sprecher alles zusammen was sich über diesen Gipfel Interessantes erzählen ließ.; so erwähnte er Dr. Guido Lammer der bekanntlich die schwierigen Anstiege auf den Groß Venediger zuerst ausgeführt hatte; den er als „Idealisten von seltener Energie“ bezeichnete. Die anregenden alpinen Schilderungen, besonders jener der Überschreitung der Gipfel Wechte des Groß Venedigers, der Ersteigung des Gr. Geiger und des gewaltigen Absturzes der Grat Wechten erregten ungewöhnliches lebhaftes Interesse. Langanhaltender und stürmischer Beifall folgte dem informativen Vortrag. Der II. Vize-Präsident F. E. Matras dankte Spannagl in warmen Worten für die freundliche Bereitwilligkeit Domenigg zu vertreten und dankte ferner für die ausgezeichneten Interpretation Guido Lammers als Hochtouristen und Stilisten.

Einen weiteren aufschlussreichen Vortrag hielt er über seine Überschreitung des Monte Baldo der zwischen Gardasee und Etsch .gelegen ein 30 Kilometer langer Bergrücken der zu den Gardasee Bergen zählt.

Natürlich machte er auch Touren mit Freunden wie 1888 als er mit Adolf Holzhausen und Adolf Siebeneicher in den Radstädter Tauern die Gamsleiten- und Zehnerkarspitze erstiegen.

So war es nicht verwunderlich, dass Dr. Spannagl als Mitglied dem Österreichischen Alpenverein und der Sektion Austria angehörte. Dem Österreichischen Touristenklub war er vor drei Jahren beigetreten, und hatte alsbald die leitenden Position inne, denn man erkannte seine hervorragende Begabung und fand dass er den hohen Anforderungen gerecht und mit ihm ideal besetzt wäre. Seine gewinnende konziliante Art, seine ausgezeichnete Arbeit wurde ihm mit Vertrauen gedankt. Der Klub befand sich eben in einer Krise, gerade in dieser Hinsicht erwartete man von ihm Hilfe . In der Hauptversammlung des Zentralausschusses wählte man Dr. Spannagl zum ersten Vizepräsidenten. In der nächsten Zentralausschusssitzung vom 5. Juni 1902 demissionierte Dr. Klotzberg von dieser Zeit an übernahm Dr. Spannagl statutengemäß die Leitung der Geschäfte für das Klubjahr. Am 8. März 1903 erklomm er die höchste Stelle und wurde einstimmig zum Klubpräsidenten gewählt. Außerdem stand er neuerdings an der Spitze des neu gegründeten NÖ. Landesverbandes wo es um den Fremdenverkehr der intensiviert werden sollte und Spannagl maßgeblich dazu beitrug, diesen zu neuen Höhen mit Gewinn zu bringen. Zu dieser Zeit durfte sich der Verein über 13. 000 Mitglieder freuen. Spannagl verstand es Wochenversammlungen und Vortragsabende, sehr interessant zu gestalten, liebte den innigen Kontakt aller Klubsektionen und wusste den Verein nach außen hin bestens zu repräsentieren. Aus Anlass des fünfzigjährigen Jubiläums der Semmeringbahn arrangierte er ein Fest mit einem historischen Festumzug in Reichenau. Das Fest fiel sehr gelungen aus unter Beteiligung zahlreicher prominenter Gäste. Die neuen Wegmarkierungen und Generaltabellen gingen ebenfalls auf ihn, dem Präsidenten zurück. Heuer hatte Spannagl sogar zwei Expeditionen nach Siebenbürgen und der Bukowina veranstaltet um diese Länder der Touristik zu erschließen und damit neue Ziele für seine Klubmitglieder zu eröffnen. Er war bestrebt seinen Naturfreunden immer Neues zu bieten, mit ihm war frischer Wind in die Klubräume gekommen. Er war ein Mann mit vielen Ideen und Plänen.

Für Sonntag den 6. November war vom „Österreichischen Touristenklub“ eine sogenannte Kletterpartie ausgeschrieben, die in der gegenwärtigen Jahreszeit besonders große Anforderungen an den Touristen stellt. Die Partie sollte programmgemäß vom Reistal ihren Ausgang nehmen und sich über das Zsigmondy-Gamseck und den Töbysteig bis zum Innthalerband erstrecken, die erst im heurigen Jahr von Daniel Innthaler, dem hervorragenden Führer und Kenner der Rax, frisch markiert wurde. Die Steige sind sogenannte Einsersteige, deren Besteigung stets mit großen Gefahren verbunden ist.

. Von dem Erzherzog Karl Ludwig Schutzhaus sollte die Tour ausgehen. Die kleine Gesellschaft war am Samstag Abend im Schutzhaus angekommen. Das Wetter war entsprechend gut und ließ für Sonntag ebenfalls angenehmes Ausflugswetter erwarten. Dr. Spannagl war wie immer bei bester Laune und erfüllte das Schutzhaus mit seinem heiteren Lachen. Wiederholt äußerte er seine Freude über die bevorstehende Partie, als könne er diese kaum erwarten.

Sonntagmorgen um 8 Uhr wurde in zwei Partien vom Schutzhaus aufgebrochen. Die Luft war klar doch empfindlich kalt. Sie stiegen zuerst über das zahme Gamseck ab, bis zu jener Stelle, von welcher aus man durch das Inthalerband (Daniel Inthaler war ein Naßwalder Bergführer der 1896 diesen Teil erschloss): Erst führt der Weg über einen 20 Meter hohen berasten Plattenhang auf eine steile Terrasse. Über mehrere Bänder geht es von hier zum „Gebetbuch“, einer exponierten Rast. Nun beginnt die schwierigste Stelle, ein Riss nach dessen Überwindung eine etwa drei Meter hohe griffige Wand zu nehmen ist. Dann gelangt man auf ein allmählich breiter werdendes Band in der obersten Kalmauer, von wo aus man dann aussteigen kann.

Dr. Spannagl und noch 6 Männer machten sich daran, diesen Aufstieg, der bekanntlich zu den schwierigsten auf dem Raxplateau zählte, und für sie eine Herausforderung darstellte, und volle Konzentration erforderte. Spannagl, der bereits am Vorabend sehr gut gelaunt war, zeigte sich auch an diesem Morgen sehr fröhlich, besser gesagt übermütig und war den anderen Kameraden weit vorausgeeilt, trotz der wiederholten Warnungen seiner Weggefährten ließ er beim raschen Aufsteigen fast alle Vorsichtsmaßnahmen außer acht, vertrauend auf sein Können und seiner Geschicklichkeit. Ein weiterer Leichtsinn, er hatte es unterlassen sich anzuseilen., denn er war ein Gegner davon und hatte bereits bei anderen Touren ebenso gehandelt. Er setzte seinen Weg ohne jede Sicherung fort. Beim „Gedenkbuch“ hielt er an und trug seinen Namen ein. Als er den nächsten Felsgrat erklommen hatte, blieb er stehen, schwang den Hut und rief den tief unter ihm Kletterten zu, wie herrlich schön das Wetter sei; dann setzte er seinen Weg fort. Kurze Zeit später vernahm die kleine Gruppe einen markerschütternden Schrei der gespenstisch widerhallte und mussten mitansehen wie der Körper Spannagl in die Tiefe stürzte. Fast 300 Meter sauste er kopfüber in die Tiefe wo er auf einer vorspringenden Felskante aufschlug und sich noch mehrmals überschlug und dann liegen blieb. Es wird angenommen, dass er sofort tot war. Seine Begleiter waren starr vor Entsetzen. Keiner von ihnen hatte den auslösenden Moment des Sturzes mitbekommen. Ab dieser Zeit hieß die Unfallstelle . Spannaglriss. Nachdem die andere Gruppe die den Sonntag im Raxgebiet ebenfalls zubrachte von dem Unglück erfuhr, eilten sie an die Unglücksstätte. Einige von ihnen blieben bis zur Bergung der Leiche bei dem Toten.

Die erste Depesche, welche den Absturz des Dr. Spannagl meldete erreichte Wien am Sonntag abends und hatte folgenden Wortlaut: „Der Präsident des Touristenklubs Dr. Spannagl ist heute nachmittags von den Kalmauern im Raxgebiet 300 Meter tief abgestürzt und war sofort tot. Die Gehirnschale des Verunglückten war total zerschmettert, die Gehirnmasse ausgetreten. Die Leiche, die an einer leicht zugänglichen Stelle liegen blieb, konnte geborgen und nach Naßwald gebracht werden. An der Partie hatten 16 Personen teilgenommen.“

Spannagls unerwarteter Tod löste im Touristenklub eine Welle unbeschreiblicher Trauer aus. Er der so viel für den Tourismus getan, der sich größter Wertschätzung erfreute, bei allen beliebt war, weilte nicht mehr unter ihnen. Die Kanzlei, die sich in der Bäckerstraße befand war in all den Tagen mehr als belagert so unglaubwürdig schien ihnen die Nachricht vom Tod des Präsidenten.

Der Tote war provisorisch im Binder Gasthaus im Reißtal aufgebahrt und wurde nach Payerbach in die Totenkammer gebracht. Geschmückt mit Alpenblumen Inzwischen waren Angehörige des Verunglückten, der Schwiegervater Ministerialrat Emil Förster, in Begleitung des Konteradmirals Meinhardt und Architekt Josef Hudetz in Reichenau eingetroffen.

Der Verblichene wurde zum Weitertransport nach Wien in zwei Metallsärgen gebettet. Mit dem Zug fuhren nicht nur die Verwandten des Toten sondern auch die Mitglieder des Zentralausschusses des Touristenklub mit. Neuerliche Aufbahrung in der Wohnung des Toten in der Mariahilferstraße 62. Am nächsten Tag sollte bereits das Begräbnis stattfinden. Dem Leiter des Österreichischen Touristenklub, Regierungsrat Moriz Edler von Stratzer bekam folgendes Telegramm: „Seine k., u. k. Hoheit der Durchlaucht Herr Protektor Erzherzog Otto sprechen dem Österreichischen Touristenklub sein tiefstes Beileid und seine innigste Teilnahme zu dem auf so tragische Art erfolgten Ableben seines Präsidenten Dr. Spannagl aus.“ FML. Dlauhowesky Gleichzeitig wurde in dessen Namen ein stattlicher Kranz beigestellt,

Dr. Rudolf Spannagl der die Universität in Wien besuchte und 1895 mit Dr. jur,. abschloss, unterrichtete in der Handelsschule Weiß Volkswirtschaftslehre und Wechselrecht. Seit ungefähr 12 Jahren war er verheiratet, doch scheint er mit seinem Eheleben nicht sehr glücklich zu sein, deshalb wandte er sich immer mehr der Touristik .zu. Seine Mutter lebte in steter Angst wenn er unterwegs war, als ahnte sie was ihm bevorstand.

Die Unfallversicherung Zürich bei der Dr. Spannagl mit 20.000 Kronen versichert war, weigerte sich mit der Auszahlung mit der Begründung, dass Dr. Spannagl führerlos, ohne Benützung von Seil und Kletterschuhen das sogenannte Innthalerband begehen wollte, sich „grobe Fahrlässigkeit“ habe zu schulden kommen lassen; auch sei die Begehung des genannten Weges als die „Ersteigung eines pfadlosen Hochgipfels“ zu betrachten und auch aus diesem Grunde betrachte sich die Gesellschaft auf Grund des Versicherungsvertrages nicht als zahlungspflichtig.

Daraufhin reichten die Erben die Klage ein. Bereits am 24. März fand vor dem k.k. Handelsgericht in Wien die Verhandlung statt. Als Zeuge wurde Josef Schramek geladen, der etwas Licht in die Sache brachte, denn die Zeitungsberichte über das Geschehen waren äußerst ungenau und wenig hilfreich. Anschließend kamen die Sachverständigen zu Wort. Es ging um das Innthalerbandes als Besteigung eines pfadlosen Hochgipfels bezeichnet werden könne, beiläufig wie folgt: „Kein geübter Tourist wird einen Berg wie die Raxalpe, der alljährlich von mehr als 15.000 Personen ohne Führer in alle Richtungen überquert werden kann als pfadlosen Hochgipfel bezeichnen. Bezüglich des Anseilens wurden gleichfalls verschiedene Ansichten geäußert, desgleichen die Kletteschuhe die nicht jedermanns Sache waren. Der Gerichtshof verurteilte die Versicherungsgesellschaft Zürich zur Zahlung der Versicherungssumme. Die Begründung, dass die Hochtouristik an sich schon gewisse Gefahren für sich hat, ist in der besonderen Prämie beinhaltet, die die beklagte Gesellschaft sich bezahlen ließ. Die Versicherung musste nicht nur die 20.000 Kronen an die Erben zahlen, sondern auch die Gerichtskosten von 833 Kronen 14 Heller berappen.

Der Steirische Höhlenklub unternahm Februar 1906 eine Expedition in die Lurgrotte. Die Wasserverhältnissen waren sehr günstig und so konnten sie nach vierzehn stündiger Wanderung die Ufer des Spannagl Sees erreichen. Im kristallklaren Wasser spiegelte sich die wundersame Welt des Tropfsteingebildes wie Säulen, Faltenwürfe und andere figürliche Darstellungen. In deren Mitte wurde Mittagsstation gehalten um sich mit heißen Tee zu erwärmen. Dann wurde das zerlegbare Boot aufgerüstet um damit eine Fahrt über den See der nach ihrem Präsidenten Rudolf Spannagl benannt worden war, zu unternehmen. Am gegenüberliegenden Ufer befand sich ein herrlicher hoher Tropfstein Eingang mit einer Länge von 120 Meter, am Ende erwartete sie eine mächtige Tropfstein Glocke die Fortsetzung davon die interessante Tropfstein Klamm.....

Eine weitere Erinnerung an Rudolf Spannagl wurde 1908 auf dem Tuxer Ferner auf 2.530 Meter Höhe eröffnet. Das Spannagl Schutzhaus dessen Baukosten sich auf zirka 50.000 Kronen beliefen befindet sich inmitten einer traumhaften Gletscherwelt. Dort befindet sich auch die größte Marmor-Gesteins-Höhle, und ist die größte Marmorhöhle der Zentralalpen. In diesem Spannnaglhöhlensystem, sie ist über 10 Kilometer lang und ist ein außergewöhnliches Naturphänomen.

QUELLE: Innsbrucker Nachrichten 10. November 1903, S 8, Neues Wiener Journal August 1805, ANNO Österreichische Nationalbibliothek