WASSERFALL JAJCE#
1896: Bosnien und Herzegowina.als ein Ganzes betrachtet, sind mit Eigenschaften ausgestattet, welche dieses Gebiet zu einem der merkwürdigsten Touristenländer gestalten. Das Hochgebirge welches die Gämse bewohnt. Der stille Bergsee, der Wasserfall, der Urwald, die grandiosen Schaustücke der Unterwelt im Karstgestein fehlen ihm ebenso wenig als die Anmut bebauter Flur, die Fremdartigkeit des sich in alle Lebenserscheinungen hineindrängenden Ostens, die Farben grelle Pracht des Südens – und alles das ist zum Teil durch den Schienenweg und treffliche Straßen unter der Obhut einer vorsorglichen Regierung zugänglich gemacht worden.
Seit der Occupation der beiden Länder ist in Bezug auf die Verkehrsmittel Außerordentliches geleistet worden und ist auf diesem Gebiet von einem Stillstand gar keine Rede . Für angenehme Unterkunft hat die Landesverwaltung ebenfalls Vorsorge getroffen, indem sie in mehreren Orten ärarische Hotels erbauen ließ. Dieselben sind bequem und elegant eingerichtet, mit guten Restaurants versehen und entsprechen selbst höheren Anforderungen.
Die Eisenbahnlinie Brod – Sarajevo und die weiter westlich gelegene von Doberlin – Banjaluka sind die Einbruchsstellen in das Reisegebiet von Bosnien und Herzegowina. Man kann auch die beiden Strecken miteinander verbinden und die Rückfahrt über das Meer ausführen. Auf diese Weise kann man sich sowohl den Anblick von Sarajevo Mostar Metkovich, als den der wunderbaren Seenlandschaft von Jajce und des Plivatales verschaffen.
Eine der interessantesten Städte Bosniens und der Herzegowina in historischer und archäologischer wie auch in landschaftlicher Beziehung ist die alte Königsstadt Jajce. Die Stadt liegt zum größten Teil auf einer isolierten Bergkuppe in der Ecke, welche der Vrbas und die in denselben hineinstürzende Pliva bilden. Die alte Königsburg, ein imposantes getürmtes Mauerwerk, krönt die Spitze des Berges und überragt in ihrer ganzen Höhe die an den Abhängen malerisch gruppierten Häuser, die mit wenig Ausnahmen sämtlich im türkischen Stil gebaut sind und in ihrem Ensemble ein wunderschönes Städtebild abgeben.
Ein Gefühl des Staunens wird jeder Besucher von Jajce empfinden beim Anblick der Plivafälle; diese werden an Mächtigkeit der Wirkung nicht bald von einem Wassersturz der deutschen Alpen erreicht. Von welcher Seite oder welchem Punkt, zu welcher Tages- oder Abendzeit man dieselben immer betrachten mag, man ist jedes Mal überwältigt von der Großartigkeit des Anblicks. Die durch mehrere hinausragende und überhängende Felsstücke in sechs bis zehn Arme geteilte Pliva stürzt sich von einer Höhe von 30 Meter mit betäubenden Getöse in die tiefe Vrbasschlucht, aus welcher ein Teil des Wassers von einem aus dem Bett des Vrbas herausragenden kolossalen Felsblock wieder empor geschnellt wird. Die sich hinabstürzende, kochende, brausende Wassermasse schillert an sonnigen Vormittagen in allen prismatischen Farben. Ein schimmernder Staubschleier zieht sich fortwährend auf das gegenüber gelegene hohe Vrbasufer hinüber und benetzt beständig die Bäume und Sträucher des dort am Bergabhang befindlichen Stadtparks.
Hinter den Fällen befinden sich große Tuffsteingrotten. Aus diesen geräumigen Hallen, welche nach vorne weit geöffnet sind, sieht man den Absturz einiger Flussarme von rückwärts. Es ist ein unbeschreiblich erhabenes Schauspiel, welches nur durch das donnernde Getöse einigermaßen beeinträchtigt wird.
Jajces nächste Umgebung bietet dem Besucher großartige Landschaftsbilder. Zunächst ist Jezero, ein lohnender Ausflugsort, auf prächtiger Straße längs der Pliva in fünfviertel stündiger Fahrt zu erreichen. Das Flussbett der Pliva bildet hier mehrere kleinere Katarakte und den gegen Norden und Süden von schön geformten, zumeist gut bewaldeten Bergen umgebenen unteren See, einen schönen tiefgrünen Wasserspiegel, den schönsten Gebirgsseen der Alpenländer ebenbürtig. Am Ende des Sees stürzt im herrlichen Kaskaden über Klippen das Wasser des ebenfalls von der Pliva gebildeten 3 ½ km langen und über 600 Meter breiten oberen See. Gegenüber der Landzunge liegt links auf schroffen Felsen die zerfallene Burg Zaskopolje.
Im westlichen Winkel des Sees liegt am rechten Plivaufer , von uralten Bäumen beschattet, der freundliche Ort Jezero mit ausschließlich mohammedanischer Bevölkerung, ein idyllisch gelegenes Dörfchen, in welchem auch inmitten schattiger Gärten einige schlossartige türkische Wohnhäuser stehen.
Von Jezero aus sollte man nicht unterlassen, bis zur dritten Pliva Kaskade zu gehen, die an Schönheit den erwähnten Kaskaden durchaus nicht nachsteht.
QUELLE:Dillinger Reisen 1. Dezember 1896 Seite 3, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bild: Graupp
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