WILHELMINENBERG#
Durch Kaiser Franz Joseph verwandelte sich Wien, seine Residenzstadt, zu einer der prächtigsten Hauptstädte der Welt. Allein die Ringstraße mit ihrer architektonischen Vielfalt an Monumentalbauten ist seither eine Sehenswürdigkeit, Die Wiener gewöhnten sich allmählich an die Veränderungen in dieser Stadt, dass von so manchem alt hergebrachten Abschied genommen werden musste um durch einen neuen Glanzpunkt zu ersetzen.
In den Tagen des Jahres 1904 bot sich den Besuchern des Wilhelminenberges oder Gallitzinberg wie er auch genannt wurde, eine große Veränderung. Das Montleart Fürstenschloss, das bis jetzt das Wahrzeichen dieser Gegend, wurde vollständig abgetragen und erhebt sich an dieser Stelle der Rohbau einer neuen großen erzherzoglichen Villa.
Die Geschichte des Fürstenschlosses reicht über zwei Jahrhunderte zurück, Der Gallitzinberg, ursprünglich „Predigtstuhl“ genannt, gehörte zur kaiserlichen Dominicalverwaltung, und zur Zeit Maria Theresias wurden hier noch Hofjagden abgehalten. Unter Kaiser Joseph wurde der Bergwald an Private überlassen. So kaufte Feldmarschall Lacsy im Jahr 1781 einen großen Grund zu einem Lustschloss am „Predigtstuhl“ und legte auch den Grund zum Bau desselben auf dem Gipfel des Berges. Feldmarschall Lacsy, der bekanntlich auch das Schloss und den Park in Neuwaldegg besaß, verkaufte den „Predigtstuhl“ dem Fürsten Gallitzin, der das Lacsy Lusthaus zu einem großen Schloss mit einem Tempel, einer römischen Ruine, mit Teichen und Grotten umbauen ließ. Im Jahr 1824 kam der Berg und das Schloss in den Besitz des Fürsten Montleart, der sich mit der Prinzessin Marie Christine von Sachsen-Kurland, verwitweten von Savoyen-Carigran, vermählte. Die Prinzessin war die Mutter König Alberts von Sardinien sowie der Prinzessin Maria Elisabeth, die sich im Jahr 1820 mit Erzherzog Rainer vermählte. Der Sohn des Fürsten, Prinz Moriz, vermählte sich mit Wilhelmine Fitzgerald und bewohnte das Schloss bis zu seinem Tod im Jahr 1887, worauf der Besitz auf die Witwe überging; ihr zu Ehren hatte Fürst Moriz von Montleart dem Berg den Namen „Wilhelminenberg“ gegeben. Fürstin Wilhelmine von Montleart, die am 26. März 1895 starb, setzte die langjährige Freundin und Gesellschafterin Effinger-Wildegg zur Universalerbin ein, die ihrerseits den Besitz dem Neffen der Fürstin, Erzherzog Rainer, überließ.
Mit ihr war eine edle Wohltäterin der Menschheit, der Schutzengel der Armen und Kranken, selbst an Influenza erkrankt, dahingegangen. Sie hatte sich auf humanitärem Gebiet große Verdienste erworben, wie selten ein Mensch. Ihr haben wir das Wilhelminenspital zu verdanken, für das sie eine große Summe spendete und erbauen ließ. Nun ist der Name des Krankenhauses, der Wohltäterin abhanden gekommen, durch Umbenennung. Aber auch für ein Wilhelminenheim, und einer Versorgungsanstalt für arbeitsunfähige Menschen hatte sie gesorgt. Gleichfalls bedacht mit einer großen Summe wurde die Gemeinde Hernals zur Errichtung eines Spitals, die Gemeinde Dornbach bekam die Summe von 10.000 Gulden um damit ein Asylheim zu errichten. Jede humanitäre Anstalt die in Wien errichtet wurde führt in der Spendenliste Wilhelmines Namen.
Seit dem Tod der Fürstin war das Schloss unbewohnt. Das langgestreckte Gebäude mit der verwitterten Fassade, den geborstenen Säulen und den fest verschlossenen Fenstern verlieh der Umgebung ein romantisches Gepräge. Noch in diesem Sommer wird das neue Villenpalais des Erzherzogs sich vollendet den Besuchern des Berges präsentieren.
Eine unangenehme Überraschung wird für die Ausflügler die im großen Maßstab vorgenommene Baumfällung am Wilhelminenberg bilden. Ganze Waldkomplexe sind gefallen und in einem der großen Teile der Savoyenstraße werden die Spaziergänger im Sommer des Schattens entbehren.
QUELLEN: Neues Wiener Journal, 31. März 1904 , S 4, Bild Wiener Montags Journal 23. Juni 1890, S 4, ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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