Das Wien in der Zeit von Wolfgang Amadé Mozart#
Von Ernst ZentnerMozart lebte von 1756 bis 1791. In seiner Epoche regierte Maria Theresia, dann ihr Sohn Kaiser Joseph II.
Obwohl der Musiker in Salzburg geboren war, verbrachte er mehr als ein Drittel seines Lebens in der Kaiserstadt Wien.
Schon als Wunderkind durfte er in der Wiener Hofburg vor Herrscherin Maria Theresia und ihrer Familie auftreten (13.10.1762).
Leopold Mozart berichtete darüber:
"Wolferl ist der Kaiserin auf den Schoß gesprungen, hat sie um den Hals bekommen und rechtschaffen abgeküßt. Kurz, wir waren von drei Uhr bis sechs Uhr bei ihr gewesen, und der Kaiser kam selbst in das andere Zimmer heraus, mich hinein zu holen, um die Infantin auf der Violine spielen zu hören." Die erwähnte Infantin war Marie Christine, die sich sehr kulturell gab.
Im Sommer 1773 war die Familie Mozart wieder in Wien. Am 5. August besuchten sie im Rahmen einer Audienz Maria Theresia. Rückkehr nach Salzburg. Enttäuschung war angesagt; Leopold Mozart schrieb: "Die Kaiserin waren sehr gnädig mit uns, allein dieses ist auch alles."
Das Reisen in der Kutsche war anstrengend. Immerhin hatten die Mozarts halb Europa besichtigt. Wolfgang und Nannerl wurden von schwierigen Krankheiten heimgesucht.
In Wien, das war die Festungsstadt und den umherliegenden dörflichen Vorstädten lebten damals 200.000 Menschen. Der silbrig-goldene Stephansdom war weithin sichtbar. Wien liegt in der Ebene. Die Donau war damals ein weitläufiger Fluss mit zahllosen kleinen oder breiteren Seitenarmen. Nicht mit der Salzach vergleichbar und die Geburtsstadt Mozart war doch mit einem anderen Anblick versehen. Allerdings dort lebten 16.000 Menschen.
Mozart war weder Deutscher noch Österreicher, sondern schlicht und einfach Salzburger, das hieß: Untertan des jeweiligen Erzbischofs. Ein Musiker war dem Küchenpersonal gleichgestellt. Leopold Mozart akzeptierte die Rangordnung - jedoch nicht sein Sohn Wolfgang Amadé Mozart.
Mozart hatte einen Urlaub völlig überzogen - er arbeitete damals an "Idomeneo" (1780-1781, KV 366) - und hoffte vom Erzbischof gekündigt zu werden. Doch Colloredo schickte ihn nach Wien. Der Erzbischof trifft sich mit dem Kaiser und brauchte seine Hofkapelle um standesgemäß zu erscheinen. Mozart musste erkennen, dass ihn Colloredo kurzhielt und nicht einmal eigene Konzerte - auf eigene Rechnung - geben durfte. Nach Fürsprache adeliger Freunde und Gönner bei Colloredo durfte Mozart ein erfolgreiches Konzert in der "Wiener Künstlersozietät" darbieten. Colloredo gab nun mit Mozarts Könnerschaft in allen Fürstenpalästen an. Nach Salzburg zurückgekehrt wollte der Musiker einen Grund zur Kündigung provozieren. Doch der intellektuell geschulte Geistliche ignorierte das Genie Mozart. Nach einem Disput verließ er die Salzachstadt und ließ sich in Wien nieder. Auf die Fürsprache legte Mozart keinen Wert mehr. Am 9. Juni 1781 schrieb er seinem Vater folgendes: "Was geht es ihn an, wenn ich meine Entlassung haben will? So soll er mit Gründen jemand zureden, oder die Sache gehen lassen wie sie geht, aber nicht mit Flegel und Bursche herumwerfen, und einen bei der Thüre durch einen Tritt im Arsch hinaus werfen." Mozart meinte das nur symbolisch. Der Tritt in den Allerwertesten wurde von Mozart-Biographen als wirkliches Ereignis aufgegriffen und lässt sich aus der Welt der Legenden nicht mehr entfernen.
Als freischaffender Komponist in Wien schuf er erfolgreiche Singspiele. Als Auftragsarbeit des Kaiser Joseph II. entstand "Die Entführung aus dem Serail" (1782, KV 384). Uraufführung in Wien. Am 1. Mai 1786 wurde erstmals "Le nozze di Figaro" (KV 492) gegeben. In Prag fand die Uraufführung des "Don Giovanni" (29.10.1787, KV 527) statt. Wien erlebte
"Cosi fan tutte" (26.1.1790, KV 588). Wiederum in Prag "La clemenza di Tito" (6.9.1791).
Schon 1779 lernte Mozart in Mannheim seine zukünftige Ehefrau kennen: Am 4. August 1782 heiratete er im Wiener Stephansdom Constanze Weber. In den folgenden Jahren bekamen sie sechs Kinder, von denen nur zwei Buben das Erwachsenenalter erreichten.
Im Dezember 1784 wurde Mozart Mitglied in der Freimaurerloge "Zur Wohltätigkeit". Im Jahr darauf wurde auch sein Vater Mitglied. (Nebenher arbeitete er in der Loge "Zur Wahren Eintracht", dort war Haydn Mitglied.) Nach Schließung der besagten Loge durch Kaiser Joseph II. trat Mozart in die Loge "Zur gekrönten Hoffnung" ein.
1786. Mozart schuf sechs Streichquartette und widmete sie Joseph Haydn. Er spielte sie in Beisein von Leopold Mozart: "Ich sage Ihnen vor Gott als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und dem Namen nach kenne, er hat Geschmack und überdies die größte Kompositionswissenschaft"
[1787. Aus Bonn kam der junge Ludwig van Beethoven angereist um im Frühling bei Mozart Unterricht zu nehmen. Eine Begegnung ist nicht verbürgt. Allerdings aus privaten Ursachen reiste Beethoven wieder nach Deutschland zurück. Eine weitere Begegnung fand nicht mehr statt.]]
1787 musste Mozart zur Kenntnis nehmen, dass sein Vater Leopold schwerst erkrankt war (4.4.1787): "Nun höre aber daß sie wirklich krank seÿen! wie sehnlich ich einer Tröstenden Nachricht von ihnen selbst entgegen sehe, brauche ich ihnen doch wohl nicht zu sagen; und ich hoffe es auch gewis – obwohlen ich es mir zur gewohnheit gemacht habe mir immer in allen Dingen das schlimste vorzustellen – da der Tod |: genau zu nemen :| der wahre Endzweck unsers Lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhi=gendes und tröstendes! und ich danke meinem gott, daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit |: sie verstehen mich :| zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren Glück=seligkeit kennen zu lernen. – ich lege mich nie zu bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht |: so Jung als ich bin :| den an=dern Tag nicht mehr seÿn werde – und es wird doch kein Mensch von allen die mich kennen sagn können daß ich im Umgange mürrisch oder traurig wäre – und für diese glückseeligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer u wünsche sie vom Herzen Jedem meiner Mitmenschen."
Diese Zeilen waren geprägt vom Tod eines gleichaltrigen Freundes von Mozart.
Nach dem Tod des Vaters (28.5.1787) meinte Mozart in einem Brief an seine Schwester Nannerl (26.6.1787): "Gott habe ihn bey sich!"
Mozart hoffte stets auf eine offizielle Anstellung bei Hof. Doch wurde nichts daraus. Aber 1787 ernannte ihn Kaiser Joseph II. zu einem k. k. Kammermusikus mit einem Jahresgehalt von 800 Gulden. Zum Vergleich: Salieri bezog 1.200 Gulden. Mozart brauchte nur Tanzmusiken komponieren; ständige Anwesenheit war nicht erforderlich. In seinem letzten Lebensjahr schuf er 47 Tänze.
Mozart verbrachte seine freie Zeit manchmal in den Caféhäusern, kannte die periodisch erscheinenden Gazetten wie etwa die Wiener Zeitung. Spielte gerne Billard und nahm wohl an Diskussionen zu tagesaktuellen Themen teil. Stets nahm er an der Freimaurerlogenarbeit Anteil.
Mit dem Regierungsantritt Kaiser Josephs II. zog ein neuer Wind über das Reich Habsburg. Er entschied Reformen zu entwickeln und durchzuziehen. 1782 verabschiedete er das Toleranzpatent für Juden. Längst begann er mit der Verweltlichung aus seiner Sicht unbrauchbarer Klöster und ordnete kirchliche Einrichtungen. Im Frühling 1782 empfing er freundlich Papst Pius VI. und widersprach ihm.
1783 bis 1784 ließ der Kaiser das Großarmenhaus in das AKH umgestalten. Daneben richtete er ein medizinisches Institut als Josephinum ein, um damit Militärärzte auszubilden.
1787 starb Christoph Willibald Gluck, welcher zu Lebzeiten Mozarts Musik immer bewundert hatte.
1788 wurde in der Vorstadt das Theater in der Josefstadt eröffnet.
Im gleichen Jahr hatte Mozart Krisen zu bewältigen. Seine Musik war offenbar nicht mehr gefragt, seine Frau Constanze kränkelte und möglicherweise dürften auch Spielschulden seinen Alltag erschwert haben.
1789 brach in Paris die Revolution aus. Der Kaiser hatte längst sozialpolitische Änderungen getätigt um einen gewalttätigen Umsturz vorzubeugen.
Der Kaiser starb und ihm folgte Kaiser Leopold II., der einen Gutteil der Reformen wieder rückgängig machte und die Zensur noch mehr verschärfte.
1791 lernte Mozart eine blinde Musikerin kennen. Für ihr Glasharmonika komponierte er ein Adagio C-dur (KV 356).
(6.9.1791) Im Nationaltheater in Prag fand die Uraufführung von "La clemenza di Tito" statt. Sie war ein von den böhmischen Ständen anlässlich der Krönung Kaiser Leopolds II. beauftragtes Werk. Während der Kutschenfahrt von Wien nach Böhmen arbeitete der Komponist noch am Notenmaterial.
(30.9.1791) Im Theater an der Wien kam sein letztes Bühnenwerk zur Uraufführung: "Die Zauberflöte"; eine große Oper in zwei Akten (KV 620).
Das geheimnisvollste Werk, das er begonnen hatte, war ein Requiem D-moll für vier Singstimmen, vier Streich-, neun Blas- und einer Pauke sowie Orgel. Allerdings hatte er es nicht mehr fertiggestellt und seine Witwe Constanze beauftragte seinen Schüler Franz Xaver Süßmayer mit der Vollendung. Der Auftraggeber war ein adeliger Musikdilettant und zahlte zufriedenstellend. Berühmte Szenerie war die des grauen Boten - es wäre nicht Wien, wenn es nicht der Tod höchstpersönlich gewesen wäre. Anfang Dezember war der Künstler nach schwerem Leiden gestorben und wurde nach den Gesetzen der Josephinischen Bestattungsordnung auf dem St. Marxer Friedhof zur ewigen Ruhe begraben. Seine Gebeine wurden nie mehr gefunden. Auch der Schädel in Salzburg war nicht der seine. Auch die Gebeine des in Salzburg beigesetzten Vaters waren nicht mehr eruierbar. Es erinnert an Friedrich Schiller. Auch seine irdischen Überreste verschwanden im Dunkel der Weltgeschichte.
Constanze war verzweifelt: viel hatte ihr Ehemann nicht hinterlassen - jedoch der Welt bis heute: Seine unübertroffenen 626 Musikwerke.
Quellen (in Auswahl)
- Alfred Einstein, Mozart
- Zaubertöne (Mozart in Wien). Ausstellungskatalog des Historischen Museums der Stadt Wien (Wien Museum). Wien 1990
- Georg Nikolaus von Nissen, Biographie W. A. Mozarts. Mit einem Vorwort von Rudolph Angermüller. Hildesheim - Zurich - New York 1991. 4. unveränderter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1828
- Mozart, Wolfgang Amadeus/Biographien
Weiterführendes
- Mozart Skizzen eines Musikerleben (Essays von Zentner E.)
- Die Familie Mozart feiert Weynachten (Essay von Lanz E.)
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