Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Hans-Joachim Kulenkampff und seine Zeit als EWG[1]-Quizmaster#

Von Ernst Lanz

Quizsendungen in den Anfängen des (deutschen und österreichischen) TV#

Ich muss zugeben, als ich seine erste Sendung „Einer wird gewinnen“ (von 1964 bis 1969, 1977 (eine Spezialfolge als Publikumswunsch) und 1979 bis 1987), war ich ein Kind, das das innere System seiner TV-Show noch nicht begriffen hatte. Später dann waren es die lehrreichen europäischen Themen, die zum Gegenstand kniffliger Fragen geworden waren. Acht Kandidaten aus acht europäischen Ländern standen gegeneinander und mussten manchmal schwere bis leichte Fragen beantworten. Skurril war oft, dass so mancher Kandidat*n an einer leichten Frage scheiterte oder mit einer thematisch schwierigen Frage erfolgreich reüssierte.

Der schlagfertige Quizmaster und die Kanditat*en#

Kulenkampff war kein Quizmaster, der über einen versagenden Quizteilnehmer*n herfiel. Zu den Damen war er charmant, zu den Herren höflich. Ich erinnere mich, dass er einmal zu einer Damen, die eine falsche Antwort gegeben hatte, einfach charmant sarkastisch sagte: „Da haben Sie wieder etwas dazugelernt.“ (An dieser Stelle sei erwähnt, dass Feministinnen der Gegenwart von ihm keine helle Begeisterung gehabt hätten. Das Frauenbild der 1960er bis in die 1980er Jahre war doch ein wenig anders.)
Beliebt waren auch seine kleinen Spielszenen berühmter Persönlichkeiten. In einem speziell für seine Sendung produzierten Minispielfilm verkörperte er oft in humorvoller Weise eine prominente Gestalt aus der Weltgeschichte. Unterstützt wurde er dabei von renommierten Kollegen aus der damaligen örtlichen Theaterszene.
Generell war das so, dass Kanditat*n, bei der Beantwortung gewisser Fragen keine Wahlmöglichkeit besaßen. Zum Vergleich: In modernen Gewinnspielsendungen des 21. Jahrhunderts, erhält der Kandidat beispielsweise vier Wahlmöglichkeiten, die mittels Joker eingegrenzt werden konnten. Im Endeffekt Ratespiele.

Der Entertainer#

Um auf Kulenkampff zurückzukommen: er war ein Entertainer reinsten Wassers. Ein klassisches Drehbuch zu seiner jeweiligen Sendung gab es nicht, nur die Liste mit den Themen und Fragen. Die Bandbreite der Themen reichte von klassischen Inhalten bis zu damals tagesaktuellen Ereignissen. Meistens hatte er seine Sendung gründlich überzogen. Ihm zur Seite stand stets eine Assistentin im modernsten Outfit.

Sein Butler#

Als Gag kam sein grimmig dreinschauender Butler Martin (gespielt vom Produzenten Martin Jente und, was ich erst vor kurzer Zeit im Wikipedia gefunden habe, in jungen Jahren SS-Mitglied (!)) und half ihm in den Mantel und Seidenschal. Aber vorher stichelte Butler Martin den Quizmaster wegen der Qualität der abgelaufenen Quizsendung.[2] Allerdings wurde dieser Schlussscherz dann in den 1980er Jahren abgeschafft, weil der Witz mit Texten von Kulenkampff, sich totgelaufen haben soll. Was hatte Kulenkampff pro Sendung verdient? Nicht wenig. Er war sein hohes Honorar wert. Hohe Einschaltziffern allein in Deutschland. Auch in der DDR wurde seine Show gesehen. Mit der Vervielfachung der TV-Kanäle, war auch das Ende der beliebten Sendung gekommen. Realitätsbezogen erklärte er seinen Ausstieg damit, dass in Konkurrenz zu EWG andere Sendungen zur Publikumsauswahl standen: So etwa beispielsweise am anderen Kanal Mozart, im dritten Kanal ein Spielfilm, im vierten Sport usw. Kulenkampff war Deutscher und lebte mit seiner Frau in Seeham bei Salzburg.
Hans-Joachim Kulenkampff diente widerwillig im Zweiten Weltkrieg und verlor im Russlandfeldzug zwei Zehen. Er war ein Gegner des Militarismus und das hatte er mittels höflicher Wortspielereien in seiner Sendung auch untergebracht.
Aber eines ist mir in Erinnerung geblieben: Ein spezielles Auto, ein beigefarbener Oldtimer, war im Herbst 1979, wohl vor Weihnachten, der Gegenstand einer Quizfrage. Kulenkampff fragte, welche berühmte Persönlichkeit ist mit diesem Auto gefahren? Eine junge Kandidatin und ein andere etwas reiferer Kandidat, konnten, laut meiner Erinnerung, die Frage nicht beantworten. Das deutsche Publikum wusste es und murmelte. Kulenkampff reagierte spontan, wollte der sympathischen Kandidatin helfen, sprang auf dem Sitz des Wagens und nahm eine spezielle Pose, die nur ein einziger aus der Weltgeschichte aufgebracht hatte. Er lieferte eine Parodie. Das Publikum verstand, raunte und lachte vorsichtig. Kulenkampff agierte hier als Kabarettist. Kulenkampff deutete noch mehr an. Aber für die Kandidat*n blieb das ein Rätsel. Ich, als Zuschauer wusste, dass dieses Fahrzeug nur ein einziger Mann benutzt hatte, und das war jener, der Österreich an Deutschland 1938 angeschlossen hatte …

Der Europäer#

Kulenkampff war ein Verfechter des Europagedanken, in einer kleinen Spielfilmsequenz mimte er unterschiedliche EU-Abgeordnete, die aus einem Dienstauto entstiegen. Das wäre nichts besonderes, wenn nicht auf der Kennzeichentafel des Fahrzeugs vermerkt wäre folgendes: Europa, aber die leicht verschobene Anordnung der Buchstaben ergab Euer Opa - Irgendwie war das ironisch.
Der Quizmaster nahm auch energisch zu politischen Problemen Stellung. Natürlich eckte er hie und da mal an.
Kulenkampff starb im August 1998 nach sehr schwerer Krankheit im salzburgischen Seeham.
Er liebte die See, segelte, und war dank seiner österreichischen Ehefrau mehr Österreicher als Deutscher.
Einen vergessenen Gag noch: Eine Live-Sendung wurde in der Kurhalle in Wien-Oberlaa produziert. Er wusste (angeblich) nicht, wo diese Kurhalle lag und wollte zeitgerecht zu den Proben kommen, fragte Passanten oder andere Autofahrer nach der entsprechenden Fahrroute. Damals gab es noch kein Navi (!). Nach zwei Stunden Irrfahrt in Wien, sieht er danach Bohrtürme und die langsam auf- und ab bewegenden Öl-Pumpen bei Zistersdorf. Seine nüchterne Analyse: „Das kann doch nur der Iran sein.

Der Schauspieler#

Natürlich war er Schauspieler, machte Kabarett, Theateraufführungen (z. B. war er erfolgreich mit "Des Teufels General" 1974 im Theater in der Josefstadt), einige halbwegs, unterhaltsame Kinofilme (etwa "Drei Mann in einem Boot" [neben Heinz Erhardt, Walter Giller, BRD 1961; "Dr. med. Fabian - Lachen ist die beste Medizin" (neben Martin Held, BRD 1969), TV-Serien (etwa "Die große Freiheit" [neben Karin Dor], 1992/93).
Daneben machte er Lesungen, die auch auf Tonträger gespeichert wurden. Für "Licht ins Dunkel" las er im Salzburger ORF-Studio alljährlich am Heiligen Abend eine Weihnachtsgeschichte. In einer Folge der ebenfalls legendären TV-Serie "Die liebe Familie" wirkte er als Gast mit und erwähnte sarkastisch den Namen "Thomas Gottschalk" ...
Das habe ich aus der Erinnerung geschrieben, vielleicht schon verklärt – in der Pandemie-Epoche und Ukraine-Krise – und die Zitate sind urheberrechtlich, falls das noch geht, auf Kulenkampff zuzuweisen. Das Ganze erhebt keinen wirklichen Anspruch an Vollständigkeit.
Noch eines: Hans-Joachim Kulenkampff war schon zu Lebzeiten eine richtige Legende.
Ich muss zugeben, da habe ich mich freiwillig vor das TV-Gerät gesetzt, wenn es hieß "EWG" oder "Kuli".
Quelle und Informatives


Auf YouTube kann man H.-J. Kulenkampff in seiner Glanzzeit als Quizmaster noch einmal Revue passieren lassen. Aber vorbei ist vorbei... Seine "Nachfolger" (z. B. T. Gottschalk u. a.) sind zwar eigene Größen, aber sie verhalten sich wie eine Stecknadel zu einem Hochhaus.

Anmerkung
[1] EWG = Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, dann Mitte der 1970er Jahre in EG = Europäische Gemeinschaft umgeändert

[2] 1971 machten die österreichischen Kabarettisten Karl Farkas und Ernst Waldbrunn eine entsprechende Parodie. Der Butler bringt Farkas Mantel und Schal. Auf die Frage, ob ihm Martin die Show gefallen habe, antwortete dieser, er habe seit zehn Jahren nicht mehr so gelacht. Farkas wollte wissen, wo der Butler das vergangenen Jahrzehnt verbrachte. Martin erklärte ihm lakonisch und ernst, er war in Stein an der Donau (Strafvollzugsanstalt).
Thomas Gottschalk lud einmal Martin Jente am Schluss der Sendung "Wetten dass?" zu solch nadelstichartigen Bonmot ein (1987); Jente konstatierte im Vergleich mit dem jungen Gottschalk, was er an Kulenkampff hatte. Publikum lachte.


Ernst Zentner 2022