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Wieder in Wien#

Wien, um 1740
Wien, um 1740; Wien Museum - Im Mittelpunkt war damals schon der Südturm des Stephansdom zu erkennen. Eine düstere Stadtfestung, gelegen an einem Donaualtarm. Blick zum Rotenturmtor. Die Hofburg ist links weit dahinter untergebracht, das könnten die drei kleinen Türme sein? Leicht bearbeitetes Foto: Yelkrokoyade, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Das Wien, in das er zurückgekehrt war, bot sich als düstere Stadtfestung. Ihr Aussehen verdankte sie der fehlgeschlagenen osmanischen Belagerung durch Sultan Süleyman I. den Prächtigen von 1529. Zuvor war sie eine hochmittelalterliche Stadtfestung aus der Zeit der ersten österreichischen Markgrafen. Ferdinand I. ließ sie nach modernen Gesichtspunkten der damaligen Kriegskunst weiter ausbauen. Kaiser Karl VI. kannte sie als Residenz und Bollwerk gegen andere Bedrohungen.

Offizielle Heimkehr#

Am 26. Januar 1712 langte Kaiser Karl VI. mit seinem Gefolge in seiner Reichs- und Residenzstadt Wien ein. Der seit 1709 bis 1712 amtierende damalige Bürgermeister Johann Franz von Wenighoffer überreichte dem Kaiser symbolisch die Schlüssel der Stadt Wien. Karl VI. dankte, gab sie ihm wieder zurück und meinte in Wenighoffers Händen seien sie sicher verwahrt. Aus Anlass der Rückkehr des Habsburgers wurde in der Hofburg an der Seite zum Kohlmarkt das triumphbogenartige Tor einer dem Anlass entsprechenden Inschrift versehen. Heute ist dort die Durchfahrt mit der patinagrünen Michaelerkuppel.

Die Einwohnerschaft und ihre Rechte? Kaiserliche Diktatur?#

Wir dürfen nicht vergessen oder außer Acht lassen, dass Kaiser Karl VI. in Wien mitsamt der Einwohnerschaft allerhöchstens Privateigentum sah wie in anderen Besitzungen. Kurz: Die Einwohnerschaft, mit ihr Bürgermeister wie Stadtrichter hatten da kein völliges Mitspracherecht – auch wenn heutige Rechtshistoriker glauben das anders sehen zu wollen. Der Habsburger war unumschränkter Herrscher über sein Reich Österreich, Wien und so folgend. Allerdings konnte er nicht alles selber verwalten. Dazu hatte er seine treu ergebenen Beamten, die auf den Kaiser eingeschworen waren. Bürgermeister wie Stadtrichter waren rechtlich eingeschränkt: 1731 ordnete Karl VI. an, dass beide Amtsinhaber nach Ablauf von jeweils zwei Jahren ihre politischen Funktionen zu tauschen hatten.

Kampf gegen "Außenseiter" und "Kriminelle"#

Als oberster Wiener entschied er – über die Köpfe des Stadtrichters oder Bürgermeisters das Meldewesen zu erneuern. Das tat er bereits am 12. Februar 1722. Die Ursache lag in der mangelhaften Bekämpfung des überhandnehmenden Bettler- und Räuberunwesen durch die Wiener Stadtverwaltung. Die Niederwerfung wurde von den jeweiligen Fürsten inklusive dem Kaiser mit unbarmherziger Brutalität - mit kaiserliche Truppen - durchgeführt. Niemand stellte damals die Frage ob furchtbare wie scheinbar unlösbare Lebensumstände zu diesem fragwürdigen Dasein geführt hatten. Was aus den Menschen wurde, das waren die damaligen Chronisten auch Antworten schuldig geblieben. In Wien gab es unterirdische Gefängnisse, in denen Rechtsbrecher – nach unerträglicher Folterung – regelrecht verschwunden waren.
Früher wurden Kriminelle oder besser geschrieben Rechtsbrecher in die alten Ecktürme der Hofburg geworfen. Berüchtigt war der "Kärntnerthorturm" gewesen. Nun im Verlauf des Neubaus der Hofburg mussten neue Räumlichkeiten für Straftäter gefunden werden. Auf kaiserlichen Wunsch musste der Wiener Magistrat sowieso ein neues Gerichtsgebäude errichten. Den zuständigen Handwerkern wurde der kaiserliche Befehl vorgelesen. Dann wurde nach der zweiten Aprilwoche 1722 ein vorhandenes Magistratsgebäude in der Rauhensteingasse – dort wird einmal ein Mozart leben – niedergerissen und rasch ein zweistöckiges Gerichtsgebäude mit unterirdischen Gefängniszellen, die bis unter die Nebengebäude reichten, errichtet. Diese Anstalt hatte einen furchtbaren Ruf, die peinliche Befragung mit "Werkzeugen" war bis 1776 üblich und wohl wurden auch Gefangene dort "vergessen". Noch einhundert Jahre später sprachen Eingeweihte nur angstverfüllt über die Zweckbestimmung des unter Karl VI. und Bürgermeister Franz Josef Hauer (amtierte von 1721 bis 1724) errichteten Amts- und Gerichtsgebäude. Noch vor Ende des 18. Jahrhunderts wurde es abgerissen und durch ein Privathaus ersetzt.

Unbarmherzige Härte#

Das Wort Menschenrecht gab es nicht einmal, wenn überhaupt ein solches Recht gefragt war. Ich kann nur vermuten: Gefängnis, Zwangsarbeit, Galeere, Dienst in der Armee oder sonst womöglich schlimmeres wie grausame Schnellhinrichtungen. Das "Wienerische Diarium" macht kaum Andeutungen darüber, höchstens über Raubmord oder ähnliches. Behördlich verordnete Abschreckung war angesagt! Zwischen einer Pestgrube und einer Grube mit Massenexekutierten gab es kaum Unterschiede. Massengräber unterschieden sich nicht im Geringsten voneinander. Sie wurden stets mit Kalk bestreut; überall ist danach Gras gewachsen oder wurden zu Fundamenten für Häuser. Geben wir es doch zu: Die gesamte Weltgeschichte ist auf Bergen von Leichen gebaut worden. Die Zahl der Selbstmorde – ein unrichtiger Begriff, eher Selbstvernichtungen müsste es heißen – dürfte damals im Verhältnis zur Einwohnerzahl enorm hoch gewesen sein. Langeweile, Melancholie, schwere Krankheiten, Vereinsamung, keine Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verbesserung der jeweiligen Situation, Angst vor renitente Grundbesitzer, Flucht vor marodierende Gewehr- oder Säbelträger, eskalierende tödliche Massenepidemien, Ablehnung des erniedrigen wie doch unerträglichen Gesellschaftssystem überhaupt – es gab ohnedies Tausende Gründe und keinen Grund.

Bekämpfung der Armut#

Das unter seinem Bruder Kaiser Joseph I. 1707 gegründete Frag- und Versatzamt wurde von Karl VI. wesentlich erweitert. Das Fragamt war für kommerzielle Angelegenheiten zuständig und das Versatzamt ermöglichte finanzielle Lösungen. Daraus wurde dann nach mehrmaligem Ortswechsel das berühmte "Dorotheum" in der Dorotheergasse, wo die Wiener ihre wertvollsten Sachen verpfänden konnten. Aber damals kamen die Erträge des Versatzamtes dem Großarmenhaus in der Alser Straße in Wien-Alsergrund unweit von Wien-Josefstadt zugute. Daraus wurde offenbar in Übereinstimmung mit vorhandenen weiteren Zubauten eine Krankenversorgungsanstalt eingerichtet, die als Allgemeines Krankenhaus bis in die 1990er-Jahre Bestand hatte. Heute ist es nach modernen Ausbauten der Universitätscampus.

Architektonische Erneuerung#

Nach der Niederlage der Osmanischen Belagerer unter Kara Mustapha 1683, wurde der schon knapp zwanzig Jahre zuvor begonnen Umbau der Stadt Wien zu einer barocken Metropole im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation – inmitten von Kriegsschäden – fortgesetzt. Eine Vielzahl von Architekten, vor allem südländischer Herkunft begannen ihre Entwürfe in Stein und Farbe hochzuziehen. Die "Residentzstatt Wienn" wie sie oft in alten Büchern genannt wurde – eher eine monumentale Stadtfestung mit mächtige Basteiwerke – galt als eine der größten Städte im deutschsprachigen Raum. Schon im Sommer 1688 hatte die Residenzstadt Straßen- und Gassenlaternen, um den Sicherheitsbedürfnis der Einwohnerschaft entgegen zu kommen. Das Stadtbild – das galt nicht nur für Wien, sondern auch für andere Städte des Reiches Habsburg – war auch geprägt von Sänftenträgern und von Pferden gezogenen Kutschen.
Wien-Innere Stadt (Lobkowitzplatz), Links das Palais Clam-Gallas; Blick zum Stephansdom
Wien-Innere Stadt, (Lobkowitzplatz), Links das Palais Clam-Gallas (heute Theatermuseum); Blick zum Stephansdom. Kolorierter Kupferstich, Johann Adam Delsenbach,um 1730 (?) - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Im Vordergrund Kutschen und hinten ganz klein eine Sänfte

Am 1. Mai wurde in der Ära Kaiser Karls VI. im Wiener Prater ein Wettbewerb der Laufer – Läufer wäre verständlicher – durchgeführt. Ein Laufer hatte nur die Aufgabe den Weg für die adelige oder fürstliche Kutsche durch die von Menschen angefüllte Stadt zu bahnen. Erst 1847 wird dieser als "unmenschlich" angesehene Sport abgeschafft und in den 1980er Jahren durch den "menschlicheren" Vienna City Marathon ersetzt … Skurril, nicht wahr?

Blick über dem Graben (Dreifaltigkeitssäule und Kuppel der St. Peterskirche), Kupferstich
Blick über dem Graben (- zum Kohlmarkt -), Dreifaltigkeitssäule (Pestsäule) und die Kuppel der St. Peterskirche. "Der Graben in Wien: "Prospect des Wienerischen grünen Marckts, der Graben genannt", Kupferstich von Joseph Emanuel Fischer von Erlach und Johann Adam Delsenbach, 1719
Seit der Epoche Kaiser Leopolds I. begann die spätmittelalterliche Residenzstadt Wien sich allmählich in eine "moderne Metropole" mit südländischem Flair zu verwandeln. Natürlich gab es Bauwerke im Stil der Renaissance, wie etwa die alte Hofburg im Südosten der Stadtfestung. Jedenfalls bot Wien ein pittoreskes Bild zwischen Gotik und damaliger Gegenwartsarchitektur. "Barockbauten" prägten das Stadt- und Landschaftsbild. Die Bautätigkeit des Kaiserhofs wurde zum Vorreiter, zum maßgeblichen Ideal. Adel und Klerus wollten es dem Kaiser gleichtun. Nur gab es stilistisch einen Unterschied, einfach eine Modeerscheinung jener Tage. Der Adel tendierte zu französischer Baukunst, während der Kaiser eher mehr italienische, von Rom beeinflusste Architektur mit klassizistischer Orientierung bevorzugte. Dazu verhalf ihm ein in Italien studierter Baukünstler namens Johann Bernhard Fischer von Erlach. Gewiss wird da auch die Erinnerung an das antike Imperium Romanum eine dominierende Rolle gespielt haben. Aber lassen wir da Zeitgenossen zu Worte kommen: 1716 wünschte Lady Wortley Montague, der Kaiser solle die hässlichen Stadttore niederreißen lassen, weil dann die Residenzstadt mit ihrem naturgegebenen Umfeld schöner wirken würde. Der in Udine geborene Reiseschriftsteller Graf Niccolò Madrisio meinte 1718, die Wiener Architekturen boten nordisches und italienisches Flair inmitten von Österreich. Zehn Jahre später lobte bei einem Österreich-Aufenthalt Montesquieu, der Hof und die Stadt wären eine untrennbare Einheit. Über die Menschen äußerte sich Montesquieu, dass Nichteinheimische von Einheimischen nicht voneinander zu scheiden seien. Gemeinsam war ihre Sprache, vor allem für jene von Stand.
Winterpalais des Prinzen Eugen, Wien-Innere Stadt. Kupferstich
Winterpalais des Prinzen Eugen, Wien-Innere Stadt. Kupferstich, Johann Adam Delsenbach, 1721 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Weitere Probleme und naturgegebener Unbill#

Aber nebenher verabschiedete der Kaiser am 12. Dezember 1738 ein Gesetz, das die Hauseigentümer zwang die Straßen zu reinigen.
Aber es gab noch ein Problem, das die Festungsstadt Wien und ihre Vorstädte im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden musste. Die Epoche war von Wetterkapriolen gekennzeichnet, heiße Sommer und harte Winter wechselten einander ab. Überflutungen der Donau und ihrer Nebenflüsse nach heute erahnbaren Unwettern und überraschender Schneeschmelzen gehörten zu den ständig wiederkehrenden klimatischen Eigenheiten seiner Zeit. Besonders betroffen waren die Gebiete der Leopoldstadt, die von den Wassermassen überspült worden. Der Kaiser errichtete in Nussdorf bei Wien eine eigene Behörde, das sogenannte Wasserbauamt. Seine Aufgaben bestanden darin Hochwässer zu studieren, Schäden zu analysieren und an deren Verhinderung zu arbeiten. Schon damals erkannten die Mitarbeiter dieses Instituts, dass die Böden zu trocken waren um das überschüssige Wasser aufzunehmen. Eine gewiss moderne Erkenntnis – und leider war der geschäftliche Wirkungsgrad des Wasserbauamtes nur auf Wien beschränkt gewesen. Vermutlich legten die Herrschaften im Land unter Enns keinen Wert auf Wiener Erkenntnisse. Zumindest wurde die ideelle Basis für den Hochwasserschutz gegeben, der erst in den 1870er Jahren realisiert wurde.