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Wissenschaft und Forschung#

Interesse an Forschung - Coronelli und Marinoni
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Für Wissenschaft und Forschung brachte der Monarch enormes Verständnis gegenüber. Er interessierte sich für neuartige Ideen und Erfindungen im Bereich der Geistes- und Naturwissenschaften. Er war zweifelsohne der Mäzen und Förderer durchaus. Auf habsburgisch-österreichischem Boden existierte ein aus Venedig gebürtiger Minoritenpater namens Vincenzo Maria Coronelli, der sich vor 1700 als Globenbauer einen europaweiten Namen machte. Sogar für den Sonnenkönig durfte er in Paris ein Riesenglobuspaar von 4,80 Meter Durchmesser konstruieren. Coronelli war ein anerkannter Kosmosgrafie- und Geografiegelehrter reinsten Wassers. Außerdem gründete er in Venedig die "Academia cosmografica degli argonauti". Sein Ruf reichte bis nach Wien.
Minoritenpater Vincenzo Maria Coronelli, Kosmografie- und Geografiegelehrter
Minoritenpater Vincenzo Maria Coronelli, Kosmografie- und Geografiegelehrter. Kupferstich, 1708 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
1717 holte ihn der Kaiser in seine Residenzstadt, damit dieser an der Regulierung der ungestümen Donau zumindest als Fachmann teilnehmen sollte. Der Kaiser beschenkte den Italiener mit einer goldenen Medaille und ernannte ihn zum "Commissario und Direktor der Donau und andere Flüsse" (Commissario Perpetuo del Danubio [Ständigen Kommissar der Donau]).
Ein anderes Beispiel barockgelehrter Belesenheit im Reich Karls VI. wäre der vom Kaiser 1726 geadelte Giovanni Giacomo von Marinoni. Der im italienischen Udine geborene Wissenschaftler war damals der bekannteste Kartograf. Schon 1704 bereitete er die Vermessungsarbeiten für den Wiener Linienwall vor.
Genaue Gerundrisszeichnung von Wien mit den Vorstädten, 1706
"Accuratissima Viennae Austriae Ichnographica Delineatio" (Genaue Grundriss-Zeichnung von Wien in Österreich) - Wien mit den Vorstädten, 1706, Giovanni Giacomo Marinoni. Kupferstich - Leicht reduziertes Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Er erstellte 1719 bis 1729 die Katasteraufnahme des Herzogtums Mailands mit Zuhilfenahme verbesserter Messtechniken, die zukunftsweisend in Europa wirkten. Danach erarbeitete er 1726 bis 1729 für den jagdbegeisterten Kaiser einen "Neuen Atlas der Kayserl[ich]en Wildba[h]n". Später wirkte Marinoni als Landschaftsgeometer sowie Ingenieur von Niederösterreich und lieferte mit seinen Forschungsergebnissen die Grundlage zum Bau der Höhenstraße über den Semmering.

Vermittlung der Kriegskunst
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Angesichts der kriegerischen Eroberungen des Prinzen Eugen gegen die Osmanen ermöglichte der Kaiser am 24. Dezember 1717 die Gründung einer Militär-Ingenieur-Akademie für Geometrie und Kriegswissenschaften. Der Kaiser wollte die Kriegskunst erlernen sowie, dass sie unterrichtet werde. Diese Akademie wurde eine der frühesten Polytechnischen Schulen Österreich-Ungarns. Der Militäringenieur Leander Conte Anguissola (gestorben 1720) amtierte als erster Direktor und Kartograf Marinoni wirkte als Mitbegründer und nächste Direktor dieser Institution.
Astronomische Turm des Clementinum des einstigen Jesuitenkollegs in Prag (Tschechien)
In der Mitte der Astronomische Turm des Clementinum des einstigen Jesuitenkollegs in Prag (Tschechien) - Foto: VitVit, Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Die Erforschung des Sternenhimmels und erste Observatorien
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Damals herrschte das Weltbild geprägt von Kopernikus, Brahe, Galilei, Kepler, Cassini, Römer, Newton und Halley. Karl VI. war an der Erforschung des Sternenhimmels interessiert und unterstützte die Astronomiewissenschaften. Damals bauten die Jesuiten in ihrer Niederlassung in Prag, bekannt als Clementinum, eine Sternwarte. Möglicherweise unterstützte sie der Kaiser bei ihrem Vorhaben und gab gewiss pekuniäre Unterstützung. Sie wurde von František Maximilián Kanka (1721-1723) erbaut und später von Anselmo Lurago (1748) umgebaut. Schon 1730 wurde an der Turmspitze wurde ein bleierner Atlas – ein Hinweis auf Herkules? – aufgesetzt. Noch um diese Zeit wurde dazu der Mathematische Saal erbaut. Vielleicht kannte der Kaiser diesen Saal? In den 1720er Jahren wurde der Habsburger auf dem Hradschin zum König von Böhmen gekrönt. 1730/40 errichtete Marinoni mit finanzieller Unterstützung des Habsburgers das erste institutionalisierte Observatorium in seinem Haus in Wien-Innere Stadt. Jesuitenpater Joseph Franz – dieser wird unter Maria Theresia neue Maßrichtlinien einführen – erbaute nach der Mitte der
Astronomischer Turm des Clementinums in Prag
Astronomischer Turm des Clementinums in Prag - Foto: GFreihalter, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
1730er Jahre auf dem Wiener Jesuitenkollegiumsgebäude einen "mathematischen Turm" mit einer Höhe von 45 Meter. Karl VI. besuchte im Dezember 1735 diese Sternwarte und unternahm mit den Patres Beobachtungen am nächtlichen Sternenhimmel.
Observatorium der Jesuiten in Wien-Innere Stadt
Im Zentrum das Observatorium der Jesuiten in Wien-Innere Stadt. Links die Dominikanerkirche. Rechts Jesuitenkolleg. Öl auf Leinwand, 115 x 155,5 cm. Bellotto, genannt Canaletto, zwischen 1759 und 1760. KHM Wien - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
In der Zwischenzeit planten die Benediktinermönche – angespornt durch die Wiener Beispiele – im Stift Kremsmünster eine Sternwarte, ebenfalls "Mathematischer Turm" genannt, die erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Geistliche wie weltliche Gelehrte sahen da keinen Widerspruch an Gott zu glauben und nebenbei wissenschaftlich tätig zu sein. Ein Kaiser, der sich für die Sterne interessierte, dachte eben doch zweifellos in anderen, unerreichbaren Dimensionen.
Jedenfalls prägte Kaiser Karl VI. seine Lebenswelt.
Naturwissenschaften waren ebenso wenig nicht ungewöhnlich. Sogar skurrile Dinge gab es am kaiserlichen Hof zu bestaunen. Etwa einen durch Import aus den amerikanischen Kolonien herbeigeschafften sechseinhalb Meter hohen stammartigen Kaktus, der im Garten der Favorita aufgestellt wurde und kurzzeitig als vielbestauntes Unikum galt (1729). Die Stacheln dürften manchen Höfling abgeschreckt haben.

Andere Wissenschaftler - Montfaucon, Keyßler, Baluze, Argellati und Calles
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Natürlich gab es im Regierungsleben Kaiser Karls VI. auch weitere Gelehrte und hochverdiente Menschen, deren Wissen aus dem Elfenbeinturm hie und dort auf die Bildungselite der Intellektuellen und Wissbegierigen verströmte. Jedoch schienen sie nicht oft oder gar nicht am Hof des Kaisers auf und waren dessen ungeachtet nicht weniger berühmt und anerkannt. Ein Verschweigen ihrer Existenz wäre historischer Leichtsinn.
Bernard de Montfaucon
Bernard de Montfaucon - Kupferstich - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
So etwa ein Bernard de Montfaucon, ein französischer Benediktinerpater, der als klassischer Philologe und Kunstschriftsteller wichtige literarische Ergüsse publizierte. Er gab die Schriften der griechischen Kirchenväter heraus. Jedenfalls war er der Begründer der griechischen Paläographie. Natürlich hatten sich seine Forschungen zur bildenden Kunst des Altertums des mittelalterlichen Frankreichs zur Basis künftiger Forschungsarbeit entwickelt.
Johann Georg Keyßler
Johann Georg Keyßler - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Joh. Georg Keyßler: Neueste Reise durch Teütschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen ..., 1740 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Joh. Georg Keyßler: Neueste Reise durch Teütschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen ..., 1740 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Dann gab es noch den deutschen Altertumskundler und Schriftsteller Johann Georg Keyßler, der sogar Mitglied der Londoner Royal Society war, der 1720 die Geschichte der Kelten literarisch aufbereitete. Noch im letzten Lebensjahr des Kaisers brachte er eine mustergültige, vielgeschichtliche-enzyklopädische Reisebeschreibung einer Kavalierstour beider Grafen Bernstorff durch halb Europa als ersten Band heraus.
Étienne Baluze, französischer Kirchenhistoriker
Étienne Baluze, französischer Kirchenhistoriker - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Erwähnenswert wäre noch der französische Kirchenhistoriker Étienne Baluze (1630 – 1718), welcher jedoch wegen kritischer Auffassungen vom Sonnenkönig aus Paris verbannt wurde und nach dessen Tod wieder zurückkehren konnte ohne wieder seine frühere Tätigkeit aufnehmen zu können.
Philippe (Filippo) Argellati, ein bedeutender italienischer Gelehrter des 18. Jahrhunderts
Philippe (Filippo) Argellati, ein bedeutender italienischer Gelehrter des 18. Jahrhunderts - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Dann gab es noch den Italiener Philippe Argellati, ein fleißiger arbeitsamer Schriftsteller und bedeutender Gelehrter seiner Zeit. Er arbeitete mit Muratori an den Scriptores rerum Italicarum zusammen. Der Kaiser ermöglichte den Gelehrten sogar finanzielle Zuwendung. In Wien wirkte noch ein im niederösterreichischen Aggsbach geborener Historiker an der Wiener Universität, Pater Siegmund Calles, der im letzten Regierungs- und Lebensjahr des Kaisers ein mehrteiliges Geschichtswerk begonnen hatte.