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Leibniz am Hofe Karls VI.#

Gottfried Wilhelm Leibniz, 1703
Gottfried Wilhelm Leibniz, Gemälde von Andreas Scheits, 1703; Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Kaiser Karl VI., Öl auf Leinwand, um 1720
Kaiser Karl VI., Öl auf Leinwand, Johann Kupetzky, um 1720. Muzeum Narodowe w Warszawie, Polen - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei)

Der mittelalterlich denkende Kaiser als "Liberaler" und die Wissenschaft#

Als äußeres Zeichen seiner „liberalen“ Gesinnung holte der Kaiser große Gelehrte an seinem Wiener Hof. So vergleichbar wie sein früherer Vorgänger des 16. und 17. Jahrhunderts, Kaiser Rudolf II., der in Prag auf dem Hradschin residierte und Natur- und Geisteswissenschaftler um sich scharte. Gottfried Wilhelm von Leibniz bemühte sich um den Posten des Kanzlers in Siebenbürgen. Der Kaiser zeigte sich nicht sonderlich kooperativ und lehnte das Bemühen Leibniz ab. Wohl vermutete Karl VI., dass der bemerkenswerte Wissenschaftler als lutherischer Intellektueller die Einwohnerschaft von Siebenbürgen – Bestandteil des kaiserlichen Banats – intellektuell gegen Wien aufstacheln könnte. Am 11. April 1713 stellte Karl VI. für Leibniz die Ernennungsurkunde zum Reichshofrat zurückwirkend bis 2. Januar 1712 aus. Übrigens die höchste Position für einen Protestanten in Deutschland und der Monarchia Austriaca. Diesen Rang ermöglichte der Kaiser dank der Vermittlung des Herzoges von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel und in der Folge der überredungstüchtigen Kaiserin. Außerdem konnte der Kaiser aufgrund der Satzungen des Westfälischen Friedens protestantische Zeitgenossen mittels freier Religionswahl in Dienst nehmen, ohne dass der Papst Einspruch erheben durfte.

Aufträge durch den Kaiser#

Anfang 1714 beauftragte Karl VI. den Gelehrten, der bereits für Leopold I. als Rechtwissenschaftler ein einfaches Gesetzeswerk erarbeitet hatte, mit der Abfassung einer wissenschaftlichen Schrift über die Notwendigkeit der Habsburgererbfolge in der Toskana. Leibniz traf abermals zu Ostern 1714 in Wien ein – nur trat er betonter im Intellektuellenkreis um Prinz Eugen auf. Der Universalwissenschaftler Leibniz besaß das Privileg genauso wie die bei Hofe verkehrenden Minister ohne umfangreiche Anmeldung zur Audienz bei Kaiser Karl VI. zu gelangen. Nebenbei sei erwähnt, dass die Gelehrtensprache im Barock das Latein galt. Seit Leibniz setzte sich das Französisch durch.

Eine Manuskriptseite der 1714 von Leibniz entwickelten philosophischen Monadenlehre
Manuskriptseite der 1714 von Leibniz entwickelten philosophischen Monadenlehre. Affinitäten zur naturwissenschaftlichen Atomphysik zeigten sein Interesse der Erforschung an kleinsten unscheinbaren Details unserer Welt - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Idee einer Wissenschaftsakademie in der Residenzstadt#

Erwähnenswert: Leibniz dachte an die Gründung einer Wissenschaftsakademie in Wien. Auch Prinz Eugen bekundete an so einer Akademie sein Interesse. Vorbild war die gleichfalls von Leibniz – und Kurfürstin Sophie Charlotte – in Berlin gegründete Wissenschaftsakademie. (1713 kam es zu einer Gründung einer Akademie der Wissenschaften in Madrid, dank Philipp V.) Karl VI. empfing im März 1713 den Gelehrten persönlich, nahm dessen Denkschrift in Empfang und die Idee zur Kenntnis. Eine Realisierung der österreichischen Version wurde durch die Inkompetenz der Behörden, antikulturellen Ursachen, Intrigen und vorgeblichen Geldmangel, des neu ausgebrochenen Türkenkrieges sowie wegen des frühen Todes Leibniz 1716 unmöglich gemacht. Erst 1847 wird Kaiser Ferdinand I. einer solchen „Kaiserlichen Akademie“ Leben einhauchen.

Der Universalgelehrte und sein Wiener Umfeld#

Und da gab es noch andere Geschichten im Zusammenhang mit der geplanten Wissenschaftsakademie: Leibniz hatte den Kaiser vorgeschlagen den jüngeren Fischer von Erlach, Joseph Emanuel zum Mitglied bei der Gründung einer solchen Institution zu machen. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Architekt, sondern auch ein tüchtiger Erbauer von Dampfmaschinen, die er nach Vorbildern in Großbritannien und Frankreich konstruiert hatte. Das Geschäft mit den Dampfmaschinen florierte. Die Zeitgenossen nannten sie "Feuermaschinen". Solche Geräte wurden als Hilfswerkzeuge beim Bergbau, damals etwa in Ungarn eingesetzt. Der Wirkungsgrad war miserabel, reichte um Wasser abzupumpen. In Schemnitz [Slowakei] wurde 1722 ein überflutetes Bergwerk (Gold und Silber) mithilfe so einer Pumpe bereinigt. Im Garten des Wiener Palais Schwarzenberg stand ein Springbrunnen der mit so einer Dampfmaschine betrieben wurde (1722); die Kosten dieses Maschinenwerks betrugen etwa 20.600 Gulden.

Vergebliches Bemühen um Toleranz#

Leibniz vertrat ein Zusammengehen von Protestanten und Katholiken, vergeblich. Es blieb bloß bei der Besinnung auf Duldsamkeit. Leibniz hoffte auf einen Posten bei Hof – aussichtslos. Noch vor seinem Tod wollte er nach Wien – nächst dem Kaiserhof – übersiedeln. Und das doch recht weit weg, von der Residenzstadt Wien – damals grassierte die Pest! –, natürlich in Schwechat, wo eine annehmbare Bleibe für Leibniz gefunden wurde. Allerdings riet ihm wohl ein Hofbeamter, er solle sich auch gleich ein eigenes angenehmes Bett mitnehmen. Niemand in der Kaiserresidenzstadt, weder Hofadel noch Karl VI. wagten eine Trauerbezeugung um das letzte größte Universalgenie der Neuzeit - seit Leonardo da Vinci - Leibniz, abzugeben. Dessen engsten Mitarbeiter Johann Georg Eccard (1674 – 1730), ein renommierter Historiker und Germanist, ein Lutheraner, der aus dem Braunschweigischen stammte, erhob der Kaiser 1721 in den Reichsadelsstand. Aus nicht restlos geklärten Ursachen floh dieser Ende 1723 von Hannover nach Köln, wo er konvertierte. Später nahm ihn der Bischof von Würzburg Franz Christoph von Hutter als Historiografen auf. Eccard schlug Berufungen nach Wien und Rom aus.

Leibniz'sche Reflexionen in Universitätsgründungen#

Nun der Kaiser hatte zwar noch keine Akademie der Wissenschaften, dafür forcierte er Universitätsgründungen. Karl VI. ermöglichte mit einem wortgewaltigen lateinisch abgefassten Schreiben / Privileg vom 13. Januar 1733 der Stadt Göttingen, die Errichtung einer Kaiserlichen Universität, die zum Ziel haben sollte, die im Land benötigten Geistlichen, Rechtsexperten und Mediziner heranzubilden. König Georg II. August von Großbritannien, gab ihr als Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) ihr den Namen. Die „Georg-August-Universität“ begann ihren Lehrbetrieb ein Jahr später und 1737 wurde sie eingeweiht. Indessen legte Kaiser Karl VI. in Sopron (Šopron / Ödenburg) die Basis zu einer Universität. Um einen Mangel an qualifizierten Bergbauleuten vorzubeugen gründete Kaiser Karl VI. als ungarischer König Karoly III. schon am 22. Juni 1735 in Schemnitz eine Berufsschule für angehende Bergbauingenieure. (In ihr etablierte sich viel später dann die Westungarische Universität (Nyugat-Magyarországi Egyetem) mit Hauptcampus in der westungarischen Stadt Sopron und weiteren Standorten in Győr, Mosonmagyaróvár und Székesfehérvár.)