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Bibliothek - Tempel des Wissens#

Seit dem 15. Jahrhundert befanden sich die kaiserlichen Literaturbestände und Archivalien verteilt an verschiedenen Orten der Hofburg. Mit der Zeit gerieten diese wegen Überfüllung in Unordnung. Nachlässe aus adeligem Privatbesitz taten ihr übriges. Schon Kaiser Leopold I. überlegte einen Bibliotheksneubau, der jedoch wegen der Kriegsereignisse von 1683 nicht realisiert werden konnte. Leibniz und Kaiserin Elisabeth Christine regten den Kaiser zu einem modernen Bibliotheksneubau an. Ihr Großvater Herzog August der Jüngere von Wolfbüttel besaß eine Bibliothek und besagter Leibniz war einst in Wolfenbüttel Bibliothekar gewesen. Nach den Vorstellungen Leibniz' und Karls VI. sollte diese Institution allen Gebildeten – offenbar auch Frauen (im 18. Jahrhundert!) – zur Verfügung stehen. Johann Bernhard Fischer von Erlach begann 1722 den Neubau und dessen Sohn Joseph Emanuel vollendete 1723 bis 1735 das Bauwerk.

Johann Bernhard Fischer von Erlach (1719)
Johann Bernhard Fischer von Erlach (1719), Delsenbach, Kupferstich - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Joseph Emanuel Fischer von Erlach
Joseph Emanuel Fischer von Erlach, Kupferstich - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Teil des Prunksaals der Österreichischen Nationalbibliothek
Teil des Prunksaals der Österreichischen Nationalbibliothek - Foto: © Ernst Zentner (2016)

Die Fertigstellung der Innenausstattung dauerte noch zwei Jahre. Der Kaiser besichtigte mit seiner Familie einige Male offiziell den Baufortschritt, was auch im Wienerischen Diarium erwähnt wurde. Daniel Gran freskierte 1726 bis 1730 die mächtigen Deckenflächen des Prunksaales. Das gewaltige Deckenbild wurde nach einem Programm Conrad Adolphs von Albrecht geschaffen und enthielt mittels farbiger Symbolsprache das Regierungsleben Kaiser Karls VI. Gran erhielt dafür 17.000 Gulden. Am 22. April 1727 hatte der Kaiser den Neubau der Kunstsammlung und der Bibliothek und deren teilweise begonnene Deckenmalerei inspiziert. Voller Eifer notierte er später: "Galerie, Bibliothek sehr schön, zufridten, alles wohl." Am folgenden Tag stand im Wienerischen Diarium zu lesen: "Dienstag, den 22. Dito erhuben Sich beede Regierenden Kaiserl. Majestätem und Durchl. Leopoldinische Ertz=Hertzogin nebst Ihrer Durchl. Dem Erb=Prinzen von Lothringen und verschiedenen Hof= Ministern und Hof=Cavalieren in das neue Bibliothee-Gbeäu auf der Kaiserl. Reit=Schul; massen dieses in meist=vollkommenen Stand gekommen und alles schon in Augen=Schein zu nehmen ist." Später wurde im Zentrum dieser von Säulen (des Herkules/Gibraltar) umsäumten Saales wurde eine Statue des Kaisers, eine Art römisch-antiker "Hercules Musarum" ("Herculi Musarum"), angefertigt von Antonio Corradini (Zuschreibung) aus Südtiroler Marmor aufgestellt (um 1735). Die eigentliche Figur des Kaisers steht auf einem kantigen Sockel. (Die Machart der Figur erinnert aber auch an den Stil von Gabriel Grupello oder sogar von Hofbildbildhauer Lorenzo Mattielli.)
Auch interessant: Der Marmor-Imperator steht geografisch mit dem Rücken zu Spanien. Über ihn das mächtige Deckenfresko von Daniel Gran.

Kaiser Karl VI. als Imperatorenstatue, wohl von Antonio Corradini, um 1735
Hercules Musarum - Herkules der Musen in der Machart antik-römischer Imperatorenstatuen, wohl von Antonio Corradini um 1735 geschaffen - Foto: © Ernst Zentner (2016)

Der italienische Bildhauer Corradini hielt sich in den 1730er Jahren in Wien auf. Von 1730 bis 1736 schuf er das Grabmal des hl. Johannes Nepomuk im Prager Dom. Er vollendete 1732 die figurale Ausschmückung des Josephsbrunnen (Vermählungsbrunnen) am Hohen Markt nach Entwurf von Joseph Emanuel Fischer von Erlach. Gemeinsam mit Antonio Galli Bibiena projektierte er ein Theater für Tierhetzen.
Für den Bau der Hofbibliothek wurde Kaiser Karl VI. von Jesuiten in öffentlichen Reden und Druckschriften hochgelobt. Die Figur des Kaisers erinnert in ihrem Aussehen eher an eine modisch überhöhte phantasievolle Figur aus den Barockopern, die Karl VI. in Auftrag gegeben hatte. So eine ausdruckstarke Figur hatte der in Udine geborene Daniele Antonio Bertoli – neben den Theatralarchitekten der Familie Galli Bibiena, der hochrangigste Kostümgestalter – skizziert. Bertoli hatte stets die Kostüme für Maskenfeste und anderen Festivitäten entworfen. Der Kaiser steht gemäß dem Heldenzeitalter als glorioser imperialer Mann der Tat. So hatten sich viele Repräsentanten der europäischen Führungsschicht gesehen – zumeist selten mit Niveau.

Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Rechts Kaiser Karl VI. als mächtige Imperator-Statue
Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Rechts Kaiser Karl VI. als mächtige Imperator-Statue - Foto: Manfred Morgner, Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Ergänzt wurde dies noch mit einer herum aufgestellten Statuenserie von Herrschern der Monarchie, von Paul und Peter Strudel. Conrad Adolph von Albrecht war ein Kunstfreund ersten Ranges, er schuf auch die allegorischen Programme für die Karlskirche und anderer Bauwerke und Artefakte. In den 1730er Jahren war Albrecht kaiserlicher Gesandter am Königshof von Portugal. Ein Verwalter der kaiserlichen Gärten, Gregor Wilhelm Graf Kirchner, gab dem renommiertesten Bildhauer Österreichs und Europas, Georg Raphael Donner den Auftrag eine Apotheose Kaiser Karls VI. anzufertigen. Die 228 Zentimeter hohe Marmorskulptur erinnert an die Apotheose des Prinzen Eugen als Sieger über die Osmanen von Dresdener Bildhauer Balthasar Permoser. Graf Kirchner stellte das Donner-Kunstwerk in seinem seit 1714 erbauten Privatschloss in Breitenfurt bei Wien auf. Eher ein Gartenschloss, das mit Ausnahme der Kapelle 1801 abgetragen wurde. Nun eine Randgeschichte, die wir glauben können oder auch nicht: Eine jahrhundertealte Wachsbüste, die Kirchners Gesichtszüge tragen soll, verwahrt in der Sakristei der Pfarrkirche hl. Johannes von Nepomuk von Breitenfurt soll eine gewisse Ähnlichkeit mit Kaiser Karl VI. haben. Das Graf Kirchner’sche Schloss hatte einen Grundriss in Form eines riesigen "W" und verrät damit, dass sein Bauherr exzentrisch gewesen sein dürfte … Ein unehelicher Bruder des Kaisers – ein unglaubliches Resultat der sexuellen Umtriebigkeit Kaiser Leopolds I. Weltgeschichte und menschliches Wirken zwei Komponenten die wie eine Urkraft ohne Nutzen wirken. Aus politischen Ursachen wurde der mögliche Bruder Josephs I. und Karls VI. geheim gehalten – wenn das nicht fatal an die Phantasiestory "Die eiserne Maske" von Alexandre Dumas erinnert …
Ja noch eines: Mit der Abtragung des Kirchner’schen Gartenschlosses 1801 wollten habsburgertreue Kreise wohl die Erinnerung an eine missliebige Gestalt – eben an einem unehelichen Halbbruder Karls VI. auch auslöschen. Wenn es wahr ist.
Georg Raphael Donner hatte vom Wiener Magistrat den Auftrag bekommen für den damaligen Mehlmarkt – heute Neuer Markt – einen Brunnen zu errichten. Er arbeitete an den Figurenschmuck von 1737 bis 1739. Im letzten Jahr, am Namenstag des Kaisers wurde der Brunnen der Öffentlichkeit vorgestellt. Wegen der Offenherzigkeit mancher Figuren wurde der Wasserspender offenbar zum Treffpunkt fröhlicher Zeitgenossen des barocken Wiens. Schnell waren sie beschädigt. Unter der prüden Tochter des Herrschers, Maria Theresias verschwanden die Figuren im Depot – doch nur vorübergehend.
Auch bewies der Kaiser mit seiner Bibliotheksordnung frühaufklärerische Absichten. Er wollte, dass Wissen ohne Umschweife an die Öffentlichkeit weitergegeben werde. Er gab 1726 eine entsprechend zeitlose Benützungsordnung heraus, die die Schonung der bibliophilen Werke voraussetzte und die Benützung derselben kostenlos ermöglichte. 1720 verlangte der Kaiser zuverlässige Ablieferung von Pflichtexemplaren. (Übrigens: Seit 1982 müssen an Österreichs Bibliotheken Pflichtexemplare abgegeben werden!) 1729 ließ Kaiser Karl VI. die Bibliothek des Kardinal Seripando – er lebte im 16. Jahrhundert – aus Neapel nach Wien bringen. Sie war berühmt wegen ihrer griechischen und lateinischen Codices sowie archäologischen und philologischen Manuskripte von Montfaucon und Mabillon. Ankäufe von wichtigen Büchern wurden getätigt. Etwa warf der Kaiser 60.000 Gulden für die Büchersammlung des 1720 verstorbenen Grafen Wilhelm von Hohendorff – Generaladjutant des Prinzen Eugen – hin. Ende 1738 erfolgte der Ankauf der 15.000 Bände umfassenden Privatbibliothek des Prinzen Eugen ("Eugeniana"), deren Schätzwert auf 150.000 Gulden festgelegt wurde. In ihr befanden sich unter anderem sogar eine uralte Kopie einer Römerkarte ("Tabula Peutingerania"). Heute bildet diese Sammlung den Grundstock der Österreichischen Nationalbibliothek. Es gab eine alte Weisheit: Wenn jemand ein Buch besaß, war er schon sehr reich …
Von 1704 bis 1723 war der Geistliche Johann Benedikt Gentilotti von Engelsbrunn Präfekt der Hofbibliothek. Danach ging er nach Rom zur Gerichtsbehörde der Kurie. Nach ihm folgte der kaiserliche Leibarzt Garelli (gestorben 1739), der als Medizinwissenschaftler die Chinarinde (Chinin) zur Behandlung von Seuchenkrankheiten in dem kaiserlichen Heer erfolgreich eingesetzt hatte. 1723 stellte ihm der Kaiser ihm Allessandro Riccardi – Hofbibliothekar – zur Seite – bloß dieser starb bereits nach zwei Jahren.

tiege zum Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. An den Wänden antike römische Grabplatten
Stiege zum Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. An den Wänden antike römische Grabplatten - Foto: Mihaela Nancu, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Im Verlauf der Dienstreise Karls VI. nach Triest 1728 nahm Garelli aus Cilli eine Anzahl interessanter römischer Grabplatten mit und mauerte sie an den Wänden des Stiegenhauses der Hofbibliothek. Der Kaiser kam öfter in die Hofbibliothek oder ließ sich Nachschlagewerke in seine Arbeitsgemächer nachschicken. Die Aufgeschlossenheit des Monarchen für alles Fortschrittliche, ermöglichte auch in Innsbruck das Entstehen einer Bibliothek. In der Januarmitte 1735 bewilligte er das Studium der Bestände im Schloss Ambras bei Innsbruck zur Begründung einer Bibliothek, die erst sechs Jahre nach seinem Tod eröffnet wurde. Wie sehr er seine Bibliophilie betrieb, bewies um 1716 eine Anordnung von ihm an das wirtschaftlich brachliegende Augustiner-Chorherrenstift Rottenmann in der Steiermark, wonach er dem dortigen Propst untersagte irgendein Buch zu verkaufen. Aber um den Stift reell zu helfen, dazu war der Kaiser offenbar nicht bereit.