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Der Dreißigjährige Krieg in Europa im Spiegel des Landes Niederösterreich#

Einen Krieg beginnen, das kann schnell geschehen. Aber einen Krieg beenden, das dauert ...

Von Ernst Lanz

(I) Bei einem Besuch der Burg Kreuzenstein bei Korneuburg unweit von Wien, entdeckte ich in einem der Schauräume eine alte Fotografie. Sie zeigte die Ruinen der richtigen Burg Kreuzenstein. Der Museumsführer erklärte, dass die Kreuzenstein im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde.

Ruine der Burg Kreuzenstein bei Korneuburg, vor dem Wiederaufbau, 1868
Ruine Burg Kreuzenstein bei Korneuburg, vor dem Wiederaufbau, 1868; Postkarte der Tiefdruck der Wiener Kunstdruck Ges.m:b.H., Wien; W. J. Burger; im Vordergrund Jäger mit seinem Hund, Graf Wilczek (?) - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Lennart Torstensson, schwedischer Feldmarschall
Lennart Torstensson, schwedischer Feldmarschall; Grafik aus dem Klebeband Nr. 1 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Am Anfang des Dreißigjährigen Krieges kam die Herrschaft Kreuzenstein in den Besitz des Freiherrn von Herberstein. 1620 übernahmen böhmische Soldaten die Burg vorübergehend. Dann wurde das Gemäuer von schwedischen Truppen besetzt. 1645 ließ der schwedische Feldmarschall Lennart Torstensson während seines brutalen Feldzuges gegen Wien die Festung sprengen. Das war in der Endphase des jahrzehntelangen Krieges. Die in der Umgebung lebende Bevölkerung sah in den baulichen Resten nur willkommenes Baumaterial, das sie einsammelten und für ihre eigenen Behausungen verwendete.[1] Jahrhundertelang blieb sie als Ruine bestehen. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zog Graf Wilczek unterstützt durch einen Architekten eine historisierende neue Burg hoch. (Wilczek errichtete sie aus Bauteilen, die er aus ganz Europa, und der ganzen Donaumonarchie zusammengetragen hatte.)
Vergleichbar wäre die Burgruine Dürnstein in der Wachau. Auch sie ist das Resultat einstiger kriegerischer Ereignisse. Auch das verantwortete Torstensson (1645).
Krems an der Donau wurde von Torstensson und seinem schwedischen Truppen und dann von den Kaiserlichen heimgesucht. Dann noch die Burgruine Staatz[2] im nördlichen Weinviertel. Zeitgenossen hielten diese Burg als uneinnehmbar, bis ihnen Torstensson anderes bewiesen hatte (April 1645). Kriegsgräuel erlebte Gaunersdorf bei Mistelbach. Völlige Verwüstung.
Wie konnte es dazu kommen? Was geschah damals vor nahezu 400 Jahren?
Der Dreißigjährige Krieg ereignete sich von 1618 bis 1648 und war eine Aufeinanderfolge von fünf Konflikten. Die Ursache lag im religiös-politischen Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten und das unstillbare Verlangen der Landesfürsten nach Erweiterung ihrer Gebiete. Der eigentliche Anlass lag im Erstarken des gemäßigten Hussitismus in Böhmen und der Widerstand der Stände gegen den Absolutismus Ferdinands von Österreich. Begonnen hatte das mit dem berühmten Prager Fenstersturz und endete mit dem Westfälischen Frieden.
Allgemein betrachtet ist diese Epoche eine der faszinierendsten Abschnitte in der Weltgeschichte. Aber:
Der Dreißigjährige Krieg war ein einziges "großes Geschäft mit dem Tod".[3]
Ein Drittel der Bevölkerung in Europa büßte ihr Leben ein. Die Menschen starben im Verlauf von Kampfhandlungen, an unvorstellbaren Gräueltaten, Hungersnöten und an der Pest.
In Niederösterreich war das auch nicht anders.
Prager Fenstersturz 1618. Nicht zeitgenössische Darstellung
Prager Fenstersturz; Johann Philipp Abelinus - Nicht zeitgenössische Darstellung - Theatrvm Evropaevm, / Oder / Wahrhaffte Beschreibung aller Denck- / würdigen Geschichten so hin und wieder, fürnemblich / in Europa, hernach auch an andern Orthen der Welt, so / wol im Religion- als Policey wesen vom Jahr Chri- / sti 1617 biß auff das Jahr 1629 sich zugetragen. / Mit Kupfferstücken geziert unndt Verlegt / Durch / Matthæum Merian / Inn / Franckfurtt

Allegorische Darstellung des Westfälischen Friedens, Triumph des Friedens / Triumphus Pacis Osnabruggensis Et Noribergensis : Heroico carmine ut plurimum adumbratus / A M. Johan: Ebermaiero, Poet. Coron. Cæsar. et Pastore Würtemb.; 1649 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Allegorische Darstellung des Westfälischen Friedens, Triumph des Friedens / Triumphus Pacis Osnabruggensis Et Noribergensis : Heroico carmine ut plurimum adumbratus / A M. Johan: Ebermaiero, Poet. Coron. Cæsar. et Pastore Würtemb.; 1649 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Zuerst ein Überblick über die Gesamtsituation von Europa. Die Reformation und Gegenreformation lagen wie zwei geistige Welten ineinander, mit fatalen Auswirkungen auf die Menschen. Damals gab es "mehrere Machtschwerpunkte" und skurrile Umstände. Das Imperium der Habsburger verteilte sich auf zwei Familienzweige: den spanisch-niederländischen und den deutsch-österreichischen. Die katholische Angelegenheit wurde in Europa von dem spanischen Zweig beschützt.

Kaiser Rudolf II. in Prag, 1609
Kaiser Rudolf II. in Prag; Kupferstich von Aegidius Sadeler, 1609 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Kaiser Matthias, 1612
Kaiser Matthias, Hans von Aachen; Öl auf Leinwand, 1612; Gemäldegalerie der Prager Burg - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Heinrich Matthias von Thurn, einer der Hauptführer des böhmischen Aufstandes gegen Ferdinand II., 1625
Heinrich Matthias von Thurn, einer der Hauptführer des böhmischen Aufstandes gegen Ferdinand II.; Willem Jacobsz Delft, 1625 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Gabriel Bethlen, Fürst von Siebenbürgen, Anführer der Aufständischen auf slowakischen Boden im Königreich Ungarn
Gabriel Bethlen, Fürst von Siebenbürgen, Anführer der Aufständischen auf slowakischen Boden im Königreich Ungarn; Abelinus, Johann Philipp / Merian, Matthaeus der Ältere: Theatrum Europaeum - Band 01, Frankfurt am Main 1662 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Kaiser Ferdinand II., um 1624
Kaiser Ferdinand II., Justus Sustermans, um 1624 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei - Ferdinand II. war ein streng katholischer Kaiser. Fünfzig Adelige drängten den Kaiser Frieden mit Böhmen zu schließen und den ersehnten Religionsfrieden zu gewähren: "Nandl, willst unterschreiben!". Der Kaiser blieb kühl und unterschrieb nicht.
Wallenstein, böhmischer Feldherr und Politiker
Die prägendste Gestalt des Dreißigjährigen Krieges: Wallenstein (Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein / Albrecht Václav Eusebius z Valdštejna): Herzog von Friedland, kaiserlicher Kriegsrat und Kämmerer, Allerhöchster Obrist von Prag und ebensolcher General. Kupferstich 1625/28 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Kaiser Ferdinand III., um 1643
Kaiser Ferdinand III.; Jan van den Hoecke, um 1643 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Hinrichtung der böhmischen Rebellen auf dem Prager Altstädter Ring 1621, zeitgenössischer Holzschnitt - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Hinrichtung der böhmischen Rebellen auf dem Prager Altstädter Ring 1621, zeitgenössischer Holzschnitt - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Der Galgenbaum, fürchterlichstes Symbol für den Dreißigjährigen Krieg; 1632
Der Galgenbaum - Fürchterlichstes Symbol für den Dreißigjährigen Krieg. Nach dem damals geltenden Kriegsrecht durften Diebe und Marodeure um ihr Leben würfeln. Geistliche leisteten den Verurteilten religiösen Beistand vor den Hinrichtungen - Les Grandes Misères de la guerre, nach Jacques Callot, 1632 - Art Gallery of New South Wales, Australia - Hierbei eine Frage: Wie viele Menschen wurden damals aus nichtigen Ursachen ermordet?

Die militärischen Aktionen richteten sich in der Hauptsache gegen den Kaiser - und seiner Residenzstadt Wien.
(II) Heinrich Matthias von Thurn versuchte mit den böhmischen Ständen ihr Verhalten im Zusammenhang des Prager Fenstersturzes mit einer Verteidigungsschrift zu rechtfertigten. Das Direktorium der böhmischen Konföderation ernannte Thurn zum militärischen Führer des ständischen Heeres. Am 5. Juni und am 26. Oktober 1619 stand er mit seinen Truppen vor Wien. Thurn schlug sein Lager bei Kaiserebersdorf auf. Er rechnete mit der Unterstützung der Wiener Glaubensgenossen - aber nichts geschah. Zuletzt scheiterte er aus Mangel an schweren Belagerungsgerät und Soldaten.
Der Führer der anti-habsburgischen Aufständischen im Königreich Ungarn, Gabriel Bethlen (ungar. Bethlen Gábor) eroberte Pressburg, das Hauptgebiet des Königreiches Ungarn) und marschierte auf Wien zu.

(III) Kaiser Ferdinand II. erkannte nicht, dass der Krieg nicht mehr zu weitreichenden politischen Entscheidungen führen würde. Die Schlacht bei Jankau (nahe Prag) gegen schwedisch-protestantische Truppen führte zu einer Niederlage der kaiserlich-habsburgischen Truppen. Sie wurden regelrecht aufgerieben. Die Residenzstadt Wien war folglich ungeschützt. Torstensson entschied nach Wien zu gehen, und das mit Brutalität. Von Böhmen über Mähren ins Niederösterreichische. Burgen und Festungen wurden gesprengt, die Dürnstein, und bei Korneuburg die Kreuzenstein. Ortschaften belagert oder zerstört. Krems an der Donau, das ebenfalls bewehrt war, bis 1646 belagert und erobert. Die Kaiserlichen zurückeroberten die Stadt. Bei den Kriegshandlungen wurden mindestens die Hälfte der Häuser beschädigt oder zerstört. Wegen des Schwedeneinfalls verlor Tulln an der Donau seine Vorrangstellung als Donauhandelsplatz. Die Schweden rückten bis Korneuburg vor. Am 4. April 1645 erhielt Oberst Lukas Spicker die Aufforderung, beide Festungen Korneuburg und Kreuzenstein zu übergeben. Weil er kaum Truppen besaß, gab er am nächsten Tag der Aufforderung nach. Bevor Torstensson nach Mähren Ende September zurückzog, ließ er die Festung Korneuburg baulich verstärken, um sie als Ausgangspunkt für einen Sturm auf Wien einsetzen zu können. Im Mai 1646 wurde Korneuburg von den Kaiserlichen erfolgreich belagert. Auf Befehl des Feldmarschalls Torstenssons wurde die Burg Kreuzenstein mittels drei oder vier Sprengungen zerstört.
Kriege hatten generell die Bevölkerung zu ertragen. An diesen Krieg erinnern nach Jahrhunderten in viele niederösterreichische Orte Bezeichnungen wie "Schwedengasse".



Anmerkungen
[1] Burg Kreuzenstein/Burgen und Schlösser
[2] Burgruine Staatz/Burgen und Schlösser/Niederösterreich (Abbildungen)
[3] Vadja 1980, 282
Siehe auch_

Benützte Quellen (in Auswahl)
Allgemein
Österreich, Niederösterreich
  • Isabella Ackerl: Geschichte Österreichs in Daten. Von der Urzeit bis 1804. Wiesbaden 2. Auflage 2014 (2009), 140-156
  • Karl Gutkas: Geschichte Niederösterreichs. Wien 1984, 132-138
  • Karl Gutkas: Niederösterreich im Dreißigjährigen Krieg - Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich, 80. St. Pölten - Wien 1987
  • Karl Gutkas (Hrsg.): LandesChronik Niederösterreich. 3000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien - München 1990, 192-199
  • Walter Kleindel: Die Chronik Österreichs. 1984
  • Andreas Macho: Eine kurze Geschichte Niederösterreichs. Ereignisse. Persönlichkeiten. Jahreszahlen. Wien 2005, 34-36
  • Stephan Vadja: Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs. Wien - Heidelberg 1980, 282-296
  • Thomas Winkelbauer (Hrsg.): Geschichte Österreichs. Von Christian Lackner, Brigitte Mazohl, Walter Pohl, Oliver Rathkolb und Thomas Winkelbauer. Stuttgart 2015, 180-185 (Winkelbauer)
  • Erich Zöllner: Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 7. Auflage. Wien 1984, 211-220

Ernst Lanz 2021-2022