Christbaum-Varianten#
Schon in der Antike holte man sich im kalten und kahlen Winter etwas Grünes ins Haus. Die Römer feierten den Jahreswechsel mit grünen Zweigen. Zu den Kalenden schmückten sie ihre Häuser mit Lorbeerzweigen. Im deutschen Mittelalter sollten Eibe, Stechpalme, Wacholder, Mistel, Tanne Haus und Hof und alle Bewohner schützen. Ländliche Zweigbräuche waren seit langem weit verbreitet. Häufig wurde das Wintergrün am Trambalken in der Stube der Bauernhäuser befestigt. In der Steiermark und im Burgenland war der "hängende Christbaum" (mit der Spitze nach unten) bis in die 1960er Jahre üblich. In Anlehnung daran gab es 2020 in der Grazer Geschäftsstraße statt Weihnachtsbeleuchtung hängende Christbäume.
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in ganz Mitteleuropa eine Fülle christbaumähnlicher Weihnachtsgestelle. In Berlin waren Pyramiden mit Wachskerzen beliebt. Gestelle aus drei oder vier an den Spitzen verbundenen Holzstäben beschreibt die Ethnologin Ingeborg Weber-Kellermann: "niederbayrische Klausenbäume, thüringische Reifenbäume, schlesische Putzäpfel, erzgebirgische Flügelräder. In Berlin hatten sich die 'Perchamiden' herausgebildet, als mit Kieferngrün und Buchsbaum umwundene Drahtgestelle, behängt mit Flitterkram." Diesen "Christbaumersatz der armen Leute konnte man um 1850 zu tausenden auf dem Weihnachtsmarkt kaufen.
Im Thüringischen, einem Zentrum der Christbaumschmuckerzeugung, waren bis um 1900 "Reifenbäume" üblich. Sie bestanden aus drei Holz- oder Weidenreifen, die mit grünem Seidenpapier, Moos oder Tannenzweigen umwickelt waren. Lichter, ursprünglich Öllämpchen, wurden darauf gesteckt und das Ganze mit vergoldeten Nüssen und bunten Glaskugelketten geschmückt. "Dieser reich geschmückte Reifbaum wurde an der Decke befestigt … Nach den Feiertagen nahm man ihn sorgsam mit allem Schmuck von der Decke herab, nähte ihn zum Schutz gegen Staub und ausbleichendes Sonnenlicht in ein Hemd und hängte ihn in die Dachkammer. Im nächsten Jahr wurde er herabgeholt, das Hemd aufgetrennt und er erstrahlte in alter Pracht."
In Niederösterreich, besonders im Ybbstal und Waldviertel waren die "Nikolaushäuschen" üblich. Die Ethnologin Hannelore Fielhauer beschrieb sie in den 1960er Jahren, als sie durch pflegerische Bemühungen der Heimatwerke, Schulen und Kindergärten im ganze Bundesland Verbreitung fanden. Ein Nikolaushäuschen besteht aus neun mit ca. 30 cm langen Stäben verbundenen Äpfeln. Die Stäbe können mit Buchsbaum, Tannenreisig oder bunten Papierstreifen verziert sein. Sie bilden auch ein pyramidenförmiges Dach, in dem manchmal Zuckerwerk hängt. Im Häuschen steht ein Zwetschkenkrampus oder ein Lebkuchen-Nikolo. Der langjährige Direktor des Österreichischen Museums für Volkskunde, Leopold Schmidt (1912-1981) verglich den Brauch mit mitteldeutschen Paradiesgärtlein und Weihnachtspyramiden. Die Gestelle dürften um 1910 von Sachsen über Böhmen ins Waldviertel gekommen sein. Die Nennung in Waidhofen/Ybbs aus dem 19. Jh. brachte er mit dem bayrischen "Klausenbaum" in Zusammenhang, war doch die Stadt einst freisingisch und hieß "Bayrisch-Waidhofen".
Ebenfalls in Niederösterreich fand man den "Kranzlbaum". Zu Zeiten der folkloristischen Nostalgie in den 1960er und 1970er Jahren gab es ihn auch in Wiener Familien. Drei unterschiedlich große, mit Reisig umwundene Strohkränze waren mit Ketten an einem Ständer befestigt. Vergoldete Nüsse, verzierte Lebkuchen oder Strohsterne sowie Bienenwachskerzen bildeten den Schmuck.
Quellen:
Ingeborg Weber-Kellermann: Das Weihnachtsfest. Luzern 1978
Christbaumschmck aus den Sammlungen des Museums für Volkskunde. Berlin 1992
Werner Galler: Weihnachten in Niederösterreich. St. Pölten 1977
Leopold Schmidt: Volkskunde von NÖ, Band 2, Horn 1972
Foto:
"Kranzlbaum", Wien 1973. Foto: Alfred Wolf, alle anderen Doris Wolf, Wien 2020