Helga Maria Wolf#
Farbe, Macht und Pracht#
Farbenfroh und goldgleißend empfangen Niederösterreichs barocke Klosterkirchen ihre Besucher. Einerseits sollte die Pracht der höheren Ehre Gottes dienen, andererseits das fromme Volk beeindrucken. Die Gläubigen waren überwältigt.
Nicht erst im konfessionellen Zeitalter wurden die besten Künstler engagiert, um als Meister der Farben der Macht ihrer Mäzene Ausdruck zu verleihen. Noch immer fasziniert die Farbigkeit gotischer Fresken. Die bunte Strahlkraft mittelalterlicher Fenster bleibt bis heute ein Geheimnis. Besondere Bedeutung bei der Ausstattung der Gotteshäuser kam den großartigen Flügelaltären und Tafelmalereien zu. Farben hatten bei den Heiligendarstellungen bestimmte Bedeutungen. Die Farbe der Gewandung konnte einem Attribut gleichkommen - wie man besonders an den ostkirchlichen Ikonen erkennt.
Auch in der Westkirche trägt die Madonna blau-weiße oder blau-rote Kleidung. Weiß als Zeichen der Reinheit, Tugend und Verklärung Christi spricht für sich. Weniger erschließt sich die "Schandfarbe" Gelb. Obwohl sie an Gold erinnert, war sie seit dem 13. Jahrhundert negativ konnotiert. Bei der Kleidung galt sie als Kennzeichen verschiedener, am Rande der Gesellschaft lebender, verachteter Bevölkerungsgruppen. Der aus Schnecken gewonnene Farbstoff Purpur war seit der Antike für seine Kostbarkeit berühmt. Die unendlich wertvollen Purpurgewänder blieben den Herrschern vorbehalten. Interessant, dass als "Farbe des Jahres" 2023 "Viva Magenta" (Pantone18-1750), ein purpurähnlicher Ton, erkoren wurde. Sie soll, so das renommierte US-Farbinstitut "nach schweren Jahren für Optimismus stehen."
Farben und Schnitte der Gewänder, Verzierungen und Details ließen, seinerzeit allgemein verständlich, Rückschlüsse auf die Person des Trägers oder der Trägerin zu. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der "Apostelin der Apostel", Maria Magdalena, mit der sich die Kulturhistorikerin Silke Geppert beschäftigt hat. Sie betont die erzieherische Funktion der biblischen Gestalt. "Und die lautete: Aufruf zur Umkehr, zur Reue der Sünden. Es war ihre Aufgabe und die Aufgabe der Künstler, die Identifikation des Gläubigen zu erreichen." Anders als die anderen Heiligen, die in unattraktiver Kostümierung dargestellt waren, wurde sie im 13./14. Jahrhundert zum Typ des reuigen Luxusweibchens - erkennbar an Farbe und Schnitt ihrer Kleidung. So ist sie die einzige Heilige, die - rot gemusterte oder goldgelbe - Wechselärmel trägt. Solche extravaganten Ärmel wurden im 15. Jahrhundert wie Schmuckstücke getragen. Tiefes Dekolleté und das effektvoll geschnürte Unterkleid waren, wie offenes Haar, in den gängigen Kleiderordnungen verboten.
"Kleidung spielte für die Choreographie der Macht, wie überhaupt für die soziale Ordnung der Vormoderne eine herausragende Rolle. … Die Sozialtechnik von Differenzierung, aber auch von Gleichstellung eines Standes fand ihren Ausdruck in den vom Altertum bis ins 18. Jahrhundert ausgeübten Kleiderordnungen. Deren Ziel war es, Standesunterschiede in der äußeren Erscheinung und merkantile Interessen zu wahren. … Die auf Kleiderordnungen bezogenen Erlässe waren die am häufigsten erlassenen Gesetze der Kommunen. … Gleichzeitig wurden aber auch Luxusgesetze erlassen, die den herrschenden Klassen und der Kirche Privilegien in der Kleidung sicherten", schreibt Silke Geppert.
In der höfischen Gesellschaft des Hochmittelalters galten volle, leuchtende Töne als angemessen, besonders die sieben Farben Rot - in Schattierungen von Scharlach bis Karmesin -, Blau, Grün, Goldgelb, Braun, Weiß und Schwarz. Gebrochene und Grautöne galten als unschön und den unteren Volksschichten zugewiesen. Als nach und nach auch Nichtadelige (verbotenerweise) bunte Stoffe verwendeten, zog sich die Oberschicht in nobles Schwarz zurück. Spezielle Schwarzfärber stellten Eisengallusfarbe aus Eisen und Gerbsäure her. Die Vorliebe dafür bestand noch in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts am spanischen Hof der Habsburger. Als Trauerfarbe blieb Schwarz bis in die jüngste Gegenwart populär.
Die erste Kleiderordnung wurde von Karl dem Großen um 808 erlassen. Sie schrieb vor, wie viel für ein bestimmtes Kleidungsstück ausgegeben werden durfte. Die etablierte Schicht war an solchen Aufwandsgesetzen interessiert, da sie die soziale Unterscheidung der Stände sichtbar machten. Der ländlichen Bevölkerung wurden Hemden aus grobem Stoff, graue Leibröcke und Bundschuhe aus Rindsleder vorgeschrieben. Anno 1244 hieß es im "Bayrischen Landfrieden", dass Bauern keine kostbaren und bunten Kleider tragen durften. Schon vorher waren den Geistlichen kostbare Pelze und schwarze Mäntel verboten worden. Kleiderordnungen sollten ab dem 13. Jahrhundert die Distanz des herrschenden Adels zu den Untertanen verdeutlichen. Aber Täuschungen waren üblich, zum Beispiel bei der Verwendung von Pelzen. Um 1530 durften Adelige und vornehme Bürger Marderfelle und ihre Frauen Feh (Eichhörnchen) verwenden. Kaufleute mussten mit Pelzabfällen von Marder und Feh zufrieden sein. Handwerker, ihre Gesellen und "gemeine Bürger" hatten sich mit Lamm-, Fuchs- und Iltispelz zu begnügen. Den Bauern und Tagelöhnern blieben nur schlechte Lamm- und Ziegenfelle. Eine Wiener Ordnung aus dem 15. Jahrhundert enthielt Einschränkungen hinsichtlich der Kleiderfarben.
In den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts erließ Kaiser Leopold I. eine Polizeiverordnung, in der die Untertanen in fünf Klassen eingeteilt und zum Tragen standesgemäßer Kleidung verpflichtet wurden. Auch Luxuswaren wie Schmuck, Perücken, Silber, Porzellan und die Ausstattung von Hochzeiten und Begräbnissen waren reglementiert. Ausnahmen gab es nur für Fürsten, Grafen, Ritter und die wirklichen Räte des Kaisers. Die Luxuspatente sollten (durch Import-Beschränkungen) die heimische Wirtschaft fördern, Prunksucht unterbinden und die Bevölkerung zur Sparsamkeit motivieren. Zuwiderhandelnde mussten mit Geldstrafen rechnen, doch wirkte das kaum abschreckend. Seit 1766 bestanden in Österreich keine Kleiderordnungen mehr, die jedem Stand seine eigene Tracht zuwiesen. Doch die gehobenen Kreise machten sich dafür stark. Sie wollten nicht wahrhaben, dass es keine sichtbaren Standesunterschiede mehr geben sollte.
Inzwischen eroberten indische, bunte Baumwollstoffe den europäischen Markt. Es entstanden Textilmanufakturen. Spinnmaschinen und Webstühle revolutionierten die Produktion. Färber und Drucker entwickelten neue Techniken. Wiener Bilder aus dem Biedermeier zeigen einen Bräutigam in rot-goldener Weste, eine Frau mit grellrotem Rock und schwarzer Schürze oder Mädchen mit hellblauen Leibchen. Erzherzog Johann beauftragte seine Kammermaler, die Trachten der steirischen Bevölkerung im Bild festzuhalten.
Nicht Verbot, sondern Vorbild war Erzherzog Johanns "Grauer Rock". Der Habsburger wollte damit "ein Beispiel der Einfachheit" geben. Vielen Herrschaften fehlte das Verständnis dafür, doch der Graue Rock wurde ein "Ehrenrock", von dem sein Initiator sagte, er ziehe ihn nie mehr aus. Seinem Großneffen, dem späteren Kaiser Franz Josef, schenkte er zur Taufe einen Steirerhut. Als er den Siebzehnjährigen zur Jagd einlud, bat er ihn, in steirischer Tracht zu kommen. Franz Joseph blieb "dem zünftigen G'wand der einheimischen Jäger" treu und die elegante Welt folgte im Salzkammergut seinem Beispiel. Die unbunten Leinen- und Lodenstoffe sowie Lederhosen waren nun geadelt und keineswegs mehr als Kleidung der unteren Schichten verachtet.
Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch jetzt beobachten. Im Zuge der Biowelle wurden naturfarbene Beigetöne modern. "Das Baby von Welt trägt aktuell keine bunten Farben, sondern Beigenuancen wie Sand, Creme, Herbsttöne und „dusty pastel“." (ORF.at) Naturfarben suggerieren einen „grünen“ Eindruck, sie sind der Gegenentwurf zu den schrillen, lauten Farben, mit in denen die Eltern von heute aufwuchsen. Was auch sehr dafür spricht, hat wieder mit überholten Vorstellungen zu tun. Kleine Mädchen mussten Rosa tragen und ihre Brüderchen Hellblau, damit man gleich erkennen konnte, wer im Kinderwagen lag. Diese Einteilung scheint im Zeitalter des Regenbogens so passé zu sein wie die Kleiderordnungen.
QUELLEN
Silke Geppert: Mode unter dem Kreuz. Salzburg 2013 Katalog Wien Museum: 200 Jahre Mode in Wien. Wien 1976 Franz C. Lipp u. a.: Tracht in Österreich. Wien 1984 Gabriele Praschl-Bichler: Alltag im Barock. Graz 1995 Gabriele Praschl-Bichler: Affenhaube, Schellentracht und Wendeschuh. München 2011 Hilde Seidl: Trachten für Wien und sein Umland. Wien 1989 Gexi Tostmann: Das Dirndl. Wien 1985
Erschienen in Schaufenster Regional.Kultur, Frühjahr 2023