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Helga Maria Wolf

Religion & Bräuche#

Bild 'Essay Religion'

Die Völker der antiken Welt unterschieden nicht zwischen religiösen und profanen Festen. Auch ein Blick in unseren Kalender zeigt: zehn der 13 der gesetzlichen Feiertage sind kirchliche Feste.

Bei Kirchenbräuchen ging es darum, Leib und Seele anzusprechen, Emotionales und Rationales zu verknüpfen. Bis heute gepflegte Bräuche sind z.B. Prozessionen, Flurumgänge, Wallfahrten oder Maiandachten. Zu den liturgischen Ritualen, wie feierlich gestalteten Gottesdiensten gesellten sich oft weltliche wie der Kirtag. Meister katholischer "Brauch-Gesamtkunstwerke" waren die Angehörigen der Gesellschaft Jesu. In der Gegenreformation inszenierten sie z.B. weihnachtliche Lieder, (Krippen-)spiele oder Fronleichnams-Umzüge so geschickt, dass diese rasch populär wurden und heute als "Volksbräuche" gelten.

"Saure Wochen! Frohe Feste!" Prägnanter könnte kein Werbetexter den Sinn der Bräuche ausdrücken, als Johann Wolfgang Goethe in seinem "Schatzgräber". Feste akzentuieren den Alltag und den Lebenslauf, sie geben dem Zeitbrei die Würze. Sie sorgen für den Rhythmus, den Menschen brauchen, wie Atmen, Herzschlag, Spannung und Entspannung. Der zielgerichteten Arbeit steht das zweck-lose Fest gegenüber. Das Alltagsleben entfremdet, das Fest macht Arbeitstiere wieder zu Menschen.

Im Mittelalter gab es im deutschen Sprachraum rund 100 Arbeitsruhetage (Sonn- und Feiertage). Viele davon waren als Heiligenfeste mit besonderen Bräuchen verbunden und häufig als Termin für Abgaben oder Dienstbotenwechsel von Bedeutung. Bis in die Reformationszeit des 16. Jahrhunderts war es im alltäglichen Gebrauch üblich, statt numerischer Datumsangaben die Heiligenfeste anzugeben. Bezeichnungen wie Leopoldi, Martini oder Stephanitag haben sich in der Umgangssprache erhalten. Sie waren oft mit Wetterregeln verknüpft und mit Symbolen der Heiligen im Bauernkalender abgebildet. Bis heute bekannt ist der „Steirische Mandlkalender“, der erstmals 1708 erschien. Pankratius, Servatius und Bonifatius gelten als „Eismänner“. Erst danach erscheint die Frostgefahr gebannt. Bestimmte Gedenktage markierten Einschnitte im Jahreslauf, wie: „Mariae Verkündigung bläst das Licht aus, Sankt Michael zündet es es wieder an.“ Zwischen 25. März und 29. September arbeitete man bei Tageslicht. Zu Martini (11. November) erhielten die Arbeiter in den Weingärten eine "Lesgans", die Gesellen der Handwerker eine "Lichtgans" als zusätzlichen Lohn.

Immer wieder waren kirchliche Festtage auch mit brauchtümlichen Speisen verbunden. Im Winterhalbjahr denkt man an die köstlichen Weihnachtsbäckereien (die allerdings erst mit der Entwicklung entsprechender Herde im 19. Jahrhundert möglich wurden), aber auch an Allerheiligenstriezel. Sie waren im 19. Jahrhundert ein Geschenk der Wiener Bäcker für ihre Stammkunden. Besonders die Kinder freuten sich über das süße Weißgebäck. In Niederösterreich gingen sie um die Striezel heischen und Erwachsene würfelten um diese (Striezelpaschen im Weinviertel). So genannte Gebildbrote, in bildlicher Form gefertigtes Gebäck, meist aus Germteig, spielte auch bei anderen Jahresfesten eine Rolle. Brezel als Fastenspeise sind aus den mittelalterlichen Klöstern überliefert. Die Mönche deuteten ihre Form als die Gebetshaltung der verschränkten Arme. Fastenbrezel, salzige Laugenbrezel, waren lang haltbar konnten, hart geworden, noch als Suppeneinlage dienen. Ratscher erhielten solche Brezel als Lohn. Hingegen stellen die süßen Palmbrezel, die mancherorts die Palmbuschen zieren, schon einen Vorgeschmack auf die österlichen Köstlichkeiten dar. Zu Ostern waren Pinzen, mit einem eingebackenen bunten Ei, oder Biskuitlämmer beliebt.

Eine Wiener Spezialität zu Ehren eines Heiligen stellten die Peregrinikipfel dar. Sie waren die Attraktion des Peregrinimarktes rund um die Servitenkirche in der Rossau, Wien 9. Im 18. und 19. Jahrhundert bestanden dort drei Jahrmärkte. Der Frühlingstermin fiel mit dem Tag des Kirchenpatrons, Peregrinus Latiosi, am 1. Mai zusammen. Die seit 1817 zu diesem Anlass hergestellten mürben Kipfel gab es in verschiedenen Größen, bis zu ½ m Durchmesser. Kaiser Ferdinand I. (1793-1875) ließ sie sich in die Hofburg und nach seiner Abdankung sogar nach Prag bringen. Während der Peregrin-Novene sollen alljährlich Zehntausende Stück gebacken worden sein. Klemensweckerl zur Erinnerung an den Ordensheiligen Klemens Maria Hofbauer gibt es in mehreren Kirchen der Redemptoristen, wie in Eggenburg. In Kleinwien wird in der Filialkirche St. Blasien seit mindestens 300 Jahren Blasiusbrot gesegnet und verteilt. Ein Mirakelbuch aus dem 18. Jahrhundert berichtet über Genesungen von Menschen und Tieren nach seinem Genuss.

Am Tag bestimmter Heiliger wurde und wird Wein gesegnet und zu deren Ehren getrunken. Das trinken der "Minne" ist ein alter und weit verbreiteter Brauch. Man erhoffte sich davon Hilfe in schwierigen Lebenssituationen und für einen guten Tod. Das Getränk sollte vor Zauberei, Vergiftung, Ertrinken und Blitzschlag schützen, Männer stark und Frauen schön machen. Es war Medizin, Abschiedstrunk, Brautsegen, Schutzmittel für den Wein und die Landwirtschaft. Als Minneheilige gelten der Erzmärtyrer Stephan und der Evangelist Johannes sowie Gertrud, Martin, Michael, Sebastian, Ulrich und Urban. Im Hochmittelalter zählten sie zu den beliebtesten Namenspatronen. Gertrudenminne trank man zum Abschied und zur Versöhnung. Stephansminne ist seit karolingischer Zeit belegt, die Johannesminne seit dem 10. Jahrhundert. Sie galt Sterbenden als Wegzehrung, das ist u.a. von der Mutter Albrecht Dürers (1471-1528) bekannt.

"Der" kirchliche Brauch ist der Messbesuch, wobei sich besonders viele Erinnerungen mit der vorweihnachtlichen Rorate verbinden. Man nannte die Rorate Engelamt, weil das Evangelium von der Verkündigung durch den Engel Gabriel handelte (Lk 1,26-38). In der Barockzeit wurde dies szenisch dargestellt. Die "Goldenen Messen" fanden am frühen Morgen (bei Kerzenlicht), vor dem ausgesetzten Allerheiligsten oder mit sakramentalem Segen statt.

Seit der Zeit Kaiser Kontantins blieb für die Christen das Sonntagsgesetz aus dem Jahr 321 von entscheidender Bedeutung: Arbeit, außer Feldarbeit, war am Sonntag verboten. Durch diese Regelung wurden der Herrentag der christlichen Kirche und deren Liturgie ehrend hervorgehoben und den römischen Soldaten der sonntägliche Gottesdienst verordnet. Als Theodosius I. 380 das Christentum für alle Staatsangehörigen zur verpflichtenden Religion erklärte, wandelte sich das Kirchengebot zum Staatsgesetz. Der Kirchgang war früher in ländlichen Regionen zwar streng kontrolliert, der Messbesuch aber praktisch die einzige Freizeit der Knechte und Mägde - da waren sogar lange Predigten willkommen. So wurde die Sonntagspflicht zum Sonntagsrecht und ein religiöser Brauch zur Lebenshilfe.

Ein Beitrag der Serie BRAUCHbares in: Schaufenster Volkskultur