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Helga Maria Wolf

Haus und Hof#

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Während sich Adelige aller Zeiten, Völker und Kulturen Parks als Lustgärten anlegen ließen, war der Bauerngarten stets von Nützlichkeit geprägt. Als lange wirksames Vorbild erwies sich das "Capitulare de villis vel curtis imperii", das Kaiser Karl der Große (747/8 - 814) um 812 für die Verwaltung seiner Güter erließ. Es zählt 73 Nutzpflanzen und 16 Obstbaumarten auf, die dort gepflanzt werden sollten. Nachdem die Liste deutschen Mönchen bekannt war, die großen Einfluss auf die Landwirtschaft ausübten, finden sich viele der dort genannten Arten in den Bauerngärten. Hier wuchsen nicht nur Kraut und Rüben, Salat, Arzneipflanzen und Gewürze, sondern auch Zierblumen. Tulpen und Flieder - bis heute ein "Muss" in Bauerngärten - sind Kaiser Maximilian II. (1527-1576) zu verdanken. Der naturwissenschaftlich interessierte Herrscher ließ die aus Konstantinopel importierten Pflanzen bei seinem Schloss Neugebäude (Wien 11) kultivieren.

Doch nannten viele nicht nur den duftenden Zierstrauch "Flieder", sondern auch den schon viel länger bekannten Holunder. Dieser war bereits im Altertum mit allen seinen Teilen eine verwendete Heilpflanze. Man bezeichnete sie als "lebendige Hausapotheke der Bauern" und sollte "vor dem Herrn Flieder den Hut ziehen". Der vielseitige Gelehrte Konrad von Megenberg (1309-1374) schrieb, ein Mus aus Holunderblüten schmecke "gar wohl" und stärke die Kräfte des Menschen. Die sagenumwobene Pflanze galt als "Lebensbaum" der Hausbewohner und wurde auch superstitiös gebraucht. Bekannt ist die Schleierlegende, wonach der vom Winde verwehte Schleier der Markgräfin Agnes (1072-1143) in einem Hollerstrauch gefunden wurde, der damit den Platz bezeichnete, auf dem das Stift Klosterneuburg errichtet werden sollte. Vor 1136 spendeten sie und ihr Gemahl Leopold III. (1073-1136) diesem den ältesten erhaltenen Kirchenleuchter. In dem sehr hohen, siebenarmigen Bronzeleuchter soll sich ein Teil des legendären Holunderstrauchs befinden.

Nicht nur ein Hollerbusch beim Haus sollte vor Unheil bewahren. Hauswurz galt als Blitzschutz. Den selben Effekt versprach man sich von Schwalbennestern an der Hofwand. Schwalben, meinte man, mieden Häuser, in denen böse Menschen wohnten. Verirrte sich eine ins Zimmer, galt dies als Hinweis auf Glück, Hochzeit oder Kindersegen. Der Zugvogel wird mit der Muttergottes in Verbindung gebracht: "Zu Mariae Geburt (8. September) fliegen die Schwalben furt, zu Mariae Verkündigung (25. März) kommen sie wiederum."

Auch verschiedenen konstruktiven Details wurde superstitiöse Wirkung zugeschrieben (zumindest von den frühen Volkskundlern). Das Giebelkreuz entstand aus praktisch-konstruktiven Überlegungen. Am Begegnungspunkt der beiden Dachflächen schützte es das exponierte Firstende gegen Wind. Phantasievolle Theorien behaupteten, man hätte statt der in Pferdekopfform ausgeschnittenen Enden ehemals eine Rosshaupt aufgesteckt, "um dem Wettergott zu zeigen, dass ihm das gebührende Opfer dargebracht ist." Nicht einmal vor Analogien zu "Wodans Ross" schreckten manche Forscher zurück. Ähnlich weit hergeholt sind jene Deutungen, die in "Sonnentoren" kultische Symbole sehen wollten.

Tür und Tor mit ihren dekorativen Bauteilen sind "gleichsam die Visitenkarte eines Hauses", sie verraten dem Besucher etwas von der Persönlichkeit des Besitzers. "Das Portal wird für den Bewohner zu einem Mittel der Selbstdarstellung, in dem die Moden der Zeit immer vorrangig zum Ausdruck kommen", schreibt der Architekt Johann Kräftner in seinem Werk "Naive Architektur II". Die Individualität betonen "eine Vorlegestufe, der Türabstreifer, die Klingel, eine Steinbank an der Seite der Tür, … und vieles mehr. … In der historischen Architektur sind Tür und Tor immer in die Gesamtkomposition der Fassade mit einbezogen. Sie legen durch ihre Form und Größe den Maßstab der Fassade fest und transportieren Funktion und Inhalt des Hauses nach außen."

In der vorindustriellen bäuerlichen Wirtschaft musste alles funktionell sein. Kräftner schreibt, dass die dem jeweiligen Zweck entsprechende "liebenswürdige, zurückhaltende, selbstverständliche, aus der Konstruktion kommende Formgebung, Zeugnis ablegt von der künstlerischen Gestaltungskraft, die einfachste Handwerker und Bauern durch Generationen hindurch tradierten und auf diese Weise vervollkommneten." Beim Eingang oder an der Stubendecke mancher Vierkanter fanden sich Sprüche wie: "Gott segne dieses Haus und die da gehen ein und aus" oder " Wir bitten Gott um Glück und Segen und das ewige Leben."

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Wohnhaus, Stall und Speicher bildeten den Bauernhof. In einigem Abstand befanden sich Nebenbauten wie Gestelle bzw. Stadel zur Aufbewahrung von Heu oder Kukuruz. Das wertvolle Gut Getreide erforderte eigene Speicher. Getreidekasten waren oft gemauert und wegen der Feuergefahr vom Hof entfernt aufgestellt. In der Steiermark barg man darin auch Lebensmittelvorräte, wie Mehl, Selchfleisch oder Speck sowie Textilien. Peter Rosegger nannte sie "das Schatzkästlein unserer Bauern".

Leopold Schmidt hat in seiner "Volkskunde von Niederösterreich " auf die Bedeutung der Gatter und Zäune hingewiesen, die schützende und abwehrende Funktion hatten. 1159 erwähnt eine Urkunde einen starken Zaun, der mit Dornen und zugespitzten Pfählen armiert war und einen klösterlichen Wirtschaftshof bei Neunkirchen vor Feinden bewahrte. Meist aber wurden leichtere Gatter aufgestellt, um das Weidevieh nach der Aussaat und vor der Ernte von den Feldern fernzuhalten. Solche Holzzäune waren oft Schrägzäune oder mit Querhölzern zwischen Ständern gezimmert, aber ohne Metallnägel hergestellt. Gotische Gemälde, wie die Tafel des Schottenaltares um 1470, zeigen aus Weiden geflochtene Zäune als Wiener Stadtbefestigung. Eine ähnliche Technik verwendete man beim Bau der "gsatzten Häuser" im Burgenland, deren Wände aus Ästen und Zweigen gewunden und mit einem Gemisch aus Lehm und Häcksel bestrichen wurden. An diese Konstruktionen erinnert das Wort "Wand".

Fotos: Alfred Wolf

Erschienen in: Schaufenster Kultur.Region, 2012


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