Helga Maria Wolf
Lichterfeste #
Feuer und Licht gelten als "Ursymbole": Feuer kann wärmen und nähren - aber auch zerstören. Licht ist fast nur positiv besetzt: es erleuchtet und vertreibt "die Mächte der Finsternis". Dem entsprechend spielen Feuer und Licht bei Bräuchen eine große Rolle, ob in antiken Mysterienkulten, in der Liturgie oder in den Ritualen des Lebens- und Jahreslaufes.
Schon der Übergang in ein neues Jahr ist von Feuerwerken begleitet. Engländer waren 1757 die ersten, die Feuerwerkskörper aus Ostasien nach Europa brachten. Wenige Tage nach dem Jahreswechsel steht Epiphanie, der Dreikönigstag, im Kalender. Bekanntlich folgten die Magier, die das Jesuskind suchten, der Lichtspur eines Sternes, den man heute als Konstellation der Planeten Jupiter und Saturn deutet. Beim Dreikönigsspiel und beim Heischen der Sternsinger war der beleuchtete Stern ein wichtiges Requisit. Untrennbar mit dem Dreikönigstag ist der (Feuer-)brauch des Räucherns verbunden, der Segen bringen und Unheil abwehren soll. In Oberösterreich gehen die Glöckler um, deren beleuchtete "Kappen", oft meterhohe Kopfbedeckungen, weithin sichtbar von ihrem Besuch künden.
Das große Kerzenfest der Katholiken ist der 2. Februar, das Fest "Darstellung des Herrn" ist als "Maria Lichtmess" bekannt. An diesem Tag werden die Kerzen für den kirchlichen Gebrauch geweiht. Die Gläubigen sprachen den Lichtmesskerzen religiöse bis magische Wirkungen zu. An Wallfahrtsorten kauften sie rote und schwarze Wetterkerzen, die gegen Hagel und Blitzschlag schützen sollten. Gleich am nächsten Tag folgt mit dem Blasiussegen der nächste Lichterbrauch. Der Priester spendet ihn den einzelnen Gläubigen unter Vorhaltung gekreuzter brennender Kerzen. Das Ritual, das vor "Halskrankheit und allem Bösen" bewahren soll, ist seit dem 17. Jahrhundert in Österreich, Böhmen, Süddeutschland und der Schweiz bekannt.
Zu den Requisiten des Faschings zählen Lampions, die oft in Form von Sonnen und Monden den Lichtaspekt noch unterstreichen. Am Ende des Faschings wird mancherorts seine Personifikation, eine Strohpuppe, verbrannt.
Die Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch. Liturgisches Brauchrequisit ist die Asche, die beim Verbrennen der Palmzweige des Vorjahres entstanden ist und mit der das Aschenkreuz erteilt wird. Am 1. Fastensonntag ist in Süddeutschland das Scheibenschlagen Brauch, wobei man brennende Holzscheiben ins Tal rollen lässt. Zweifelhafte Berühmtheit erlangte es im Jahr 1090, als die Scheiben das Benediktinerkloster Lorsch (Hessen) in Brand setzten. In Vorarlberg wird am Funkensonntag auf einer Anhöhe ein mehrere Meter hoher Scheiterhaufen aufgeschichtet, um die "Funkenhexe" zu verbrennen. Ein markanter Kirchenbrauch in der Karwoche war die Pumpermette. Beim Stundengebet am Mittwoch, Gründonnerstag und Karfreitag brannte für jeden Psalm eine Kerze, die man nach dessen Ende löschte. Nur die letzte Kerze wurde brennend hinausgetragen, um die Auferstehung zu symboliseren. Im Widerspruch zum Ernst des Karfreitags standen die üppig geschmückten "heiligen Gräber". Die bunten Glaskugeln, die dabei das Kerzenlicht reflektierten, verbreiteten eine seltsame Atmosphäre.
Ostern ist ein bedeutendes Lichterfest mit kirchlichen und weltlichen Feuern. Sein Termin hängt vom Frühlingsvollmond ab. In der nächtlichen Liturgie entzündet man das Osterfeuer und die große Osterkerze, deren Licht an die Kirchenbesucher verteilt wird. Nach der vorkonziliaren Ordnung war die Osterkerze am 40. Tag aus dem Altarraum zu entfernen, jetzt bleibt sie bis Pfingsten stehen. Am 40. Tag, Christi Himmelfahrt, gab es "Auffahrtsspiele" als heilige Komödie. Eine von Kerzen umgebene lebensgroße Christusstatue und Engelsfiguren wurden an Seilen in das Kirchengewölbe gezogen. Aus dem Loch, in dem sie verschwanden, fielen dann zu Pfingsten "Feuer" und ein Regen aus Blütenblättern im Gefolge der Heiliggeisttaube auf die Gläubigen.
Ein beliebter katholischer Schaubrauch war und ist die eucharistische Prozession zu Fronleichnam. Teilnehmer mit Kerzen und Windlichtern begleiten das Allerheiligste, das der Priester in einer Monstranz unter dem "Himmel" trägt. Am 16. Mai gab der Gedenktag des heiligen Johannes Nepomuk Anlass zu Andachten bei seinen Statuen und Kapellen, die man mit Kerzen und Blumen schmückte. Zu Ehren des in der Barockzeit Kanonisierten veranstaltete man das Lichterschwemmen, wie es J. W. Goethe beschrieb.
Zur Sonnenwende am 21. Juni sind Feuerbräuche naheliegend, sie wurden mit Heiligen verbunden. Wenn die Jugendlichen Material für ihre Holzstöße sammelten, riefen sie: "Der heilige Veitl tat bitten um ein Scheitl". Vitus (Gedenktag am 15. Juni) wurde nach der Legende in einem Ölkessel gesotten. Der Geburtstag Johannes des Täufers steht am 24. Juni, ein halbes Jahr vor Weihnachten, im Kalender. Das Mittelalter machte aus dem Johannesfest ein "Sommer-Weihnachten" mit einer Mitternachtsmette. Seit damals gibt es auch Belege für Sonnwendfeuer. 1456 wird vom Tanz des Habsburger-Erzherzogs Sigmund um ein solches berichtet, anno 1500 ritten der Wiener Bürgermeister und die Ratsherren um das Feuer und tranken anschließend, wie die Bürger, Weichselwein.
Erst wenn die Tage kürzer werden, mehren sich wieder die Lichterbräuche. Am 31. Oktober feiert man auch hierzulande mit beleuchteten, geschnitzten Kürbisköpfen Halloween . Naheliegend ist die Erklärung des Namens als Umdeutung von "All hallows evening" - Vorabend von Allerheiligen. Zu Allerheiligen und Allerseelen strahlen die Friedhöfe im Licht unzähliger Kerzen. Schon auf den Gräbern der Märtyrer entzündete man Lichter als Symbol der Verbindung über den Tod hinaus. Die Kerze sollte das Weiterleben der Seele in Gottes ewigem Licht versinnbildlichen. Aus der Zeit der Gotik sind einige Lichtsäulen - z.B. in Klosterneuburg, Wien-Penzing, am Stephansdom - bekannt, wo Lichtstiftungen für die Verewigten Platz fanden.
Das nächste Lichterfest ist der 11. November. Der alte Brauchtermin wurde in letzter Zeit neu entdeckt und ist u. a. durch die Laternenumzüge der Kinder populär. Früher bedeutete der Einschnitt im Jahreslauf den Beginn der Arbeit bei künstlichem Licht, daher erhielten die Handwerksgesellen von ihren Meistern eine "Lichtgans". Regional unterschiedlich begann zu Martini der Advent, früher wie die Zeit vor Ostern eine Fastenzeit.
Jetzt ist sind die Wochen vor Weihnachten die lichterreichsten des Jahres, dazu passt auch gut das Fest der hl. Lucia, deren Name an das Licht erinnert. Zu den Kerzen am Adventkranz (ein evangelischer Brauch aus dem Biedermeier) geselligen sich unzählige Lichterketten und strahlende Illuminationen von Geschäftsstraßen, öffentlichen Gebäuden und Einfamilienhäusern. Schließlich ist Weihnachten mit seinem hellen Symbol des Christbaums "das" Lichterfest des Jahres.
Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel", 2011