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Helga Maria Wolf

250 Jahre Prater#

Riesenrad im Prater, 2014, Foto: Doris Wolf
Riesenrad im Prater, 2014, Foto: Doris Wolf

Der Prater hat viele Gesichter: Erholungslandschaft und Vergnügungsviertel, Auwald und Festgelände, Naturdenkmal und Spielplatz … Das 6.000.000 m² große Areal erstreckt sich zwischen Praterstern und Winterhafen im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Schon 1162 wurde die "Wiese" (lat. pratum - Wiese) urkundlich erwähnt. Die Au, umflossen von Donau und Donaukanal, war seit alters her ein beliebtes, wildreiches Jagdrevier des Adels. Man betrat sie von der Jägerzeile (seit 1862 Praterstraße) über den Praterstern, von dem sieben Straßen ausgehen. Dessen Zentrum bildet - wie auf dem Londoner Trafalgar Square - das Denkmal eines Seehelden, in Wien Wilhelm von Tegetthoff. 1945 gehörte die Gegend zu den meist umkämpften Stadtgebieten Wiens.

Vor 250 Jahren öffnete Kaiser Joseph II. den Prater der Allgemeinheit als Erholungsgebiet. Vom 7. April 1766 datiert das "Avertissement", in dem es heißt, "daß künftighin und von nun an zu allen Zeiten des Jahrs und zu allen Stunden des Tags ohne Unterschied jedermann … frey spatzieren zu gehen, zu reiten und zu fahren, und zwar nicht nur in der Hauptallee, sondern auch in den Seitenalleen, Wiesen und Plätzen (die allzu abgelegene Orte und dicke Waldungen, wegen sonst etwa zu besorgenden Unfugs und Mißbrauchs alleinig ausgenommen) erlaubet, auch Niemandem verwehrt seyn soll, sich daselbst mit Ballonschlagen, Kegelscheiben und anderen erlaubten Unterhaltungen eigenen Gefallens zu divertieren …" Es dauerte nur einige Wochen, bis sich Wirte, Kaffeesieder und andere Gewerbetreibende hier etablierten. Der erste Praterunternehmer war im bürgerlichen Beruf Sprachlehrer. Schon am 1. Mai 1766 erhielt Johann Damen die Erlaubnis zum Betrieb einer Hutsche, einer Rutsche und eines Ringelspiels. Die Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten. Der Herrschaftsdiener Johannes Nolz errichtete ein Reit-Ringelspiel und einen Glückshafen. Auch Ärzte, Beamte und pensionierte Soldaten versuchten sich als Budenbesitzer. Von Anfang an war der Zulauf enorm. Zum Vergnügen der "riesigen Menschenmenge" zählten die Konzerte in den Lokalen. 1782 bestanden im Volksprater drei berühmte Kaffeehäuser und 43 Wirtshäuser, dazu Schaukeln, Ringelspiele und andere Vergnügungen, wie Kasperlbühnen - daher "Wurstelprater". Die Attraktionen reichten vom Affentheater bis zum Zwergenzirkus. In den 1830er Jahren betrieb Benedikt Advinent eine fahrende Menagerie, im Prater zeigte er Programme mit verkleideten Affen und Hunden. In früheren Jahrhunderten scheute man sich auch nicht, "exotische" Menschen im Zirkus zur Schau zu stellen, im Prater gab es noch in den 1930er Jahren das "Märchenreich Liliputanien". Im Prater brannte der Pyrotechniker Johann Georg Stuwer seine berühmten Feuerwerke ab und wagemutige Ballonfahrer stiegen auf, wie 1845/46 der deutsche Aeronaut Christian Lehmann. Jakob Alt schuf ein bekanntes Panorama der Stadt, über der das Luftschiff "Der Adler von Wien" schwebt." Mit an Bord war der Wiener Arzt, Naturforscher und Fotopionier Josef Franz Natterer. Er hatte die kaiserliche Bewilligung erhalten, bei der Ballonfahrt physikalische Forschungen anzustellen. 12.000 Personen beobachteten den Start.

Einschneidende Veränderungen des Praterareals brachte die Weltausstellung 1873. In nur 21 Monaten entstand auf einer überbauten Fläche von 116.342 Quadratmetern eine temporäre Stadt mit 200 Gebäuden. Das größte war der fast ein Kilometer lange Industriepalast mit der zentralen Rotunde. 53.000 internationale Aussteller präsentierten ihre Erzeugnisse. Als Publikumsmagnet erwies ich der japanische Garten mit der Nachbildung eines Shinto-Schreins. Die Zeitung brachte ein Bild von Franz Joseph und Elisabeth, die über die japanische Bogenbrücke schreiten. Von diesem Teil der Ausstellung war der Kaiser besonders begeistert. Börsenkrach und Choleraepidemie kosteten die großartige Ausstellung ihren Erfolg, es kam nur die Hälfte der erwarteten Besucher. Was blieb, war ein massives Defizit, in der Folge (1921) die Umwandlung dieses Praterteiles zum Messegelände. Im 21. Jahrhundert haben nächst dem Messezentrum die Wirtschaftsuniversität und die Sigmund-Freud-Privatuniversität ihre neuen Standorte gefunden.

1895 wurde der 8000 m² große Themenpark "Venedig in Wien" errichtet; zwei Jahre später in dessen Zentrum das Riesenrad. 1938 übernahm die Gemeinde Wien den Prater und ließ 70 Jahre später den Riesenrad-Vorplatz im Stil von "Wien um 1900" umgestalten. Nachdem ein Großteil des Wurstelpraters im April 1945 einem Brand zum Opfer gefallen war, forstete das Stadtgartenamt die verwüstete Praterlandschaft wieder auf. Heute präsentiert sie sich als "harte Au" mit mächtigen Pappelgruppen und dichtem Unterholz. Die Wiesen und Waldteile werden von den vier- bis sechsreihigen weiß blühenden Kastanienalleen der Prater Hauptallee durchquert. Die Kastanienblüte zählt nach wie vor zu den größten Attraktionen des "grünen" Praters. Die rund 4,5 km lange Hauptallee beginnt am Praterstern und führt zum Lusthaus. Im 16. Jahrhundert stellte sie eine Verbindung zwischen den kaiserlichen Jagdgebieten im Augarten und dem Prater her. Ab dem 18. Jahrhundert war die Hauptallee die schönste Korsostraße für Wagenausfahrten des Hofes, des Adels und des wohlhabenden Bürgertums. Nach 1830 wurden in der Hauptallee "Trabfahrten" und am 1. Mai "Praterfahrten" veranstaltet. Bis 1848 fanden die Wettrennen der herrschaftlichen Läufer statt. Ab 1890 marschierte am 1. Mai auch die Arbeiterschaft entlang der Hauptallee. Im Jubiläumsjahr 2016 gab es nach langer Pause wieder einen eindrucksvollen Blumenkorso mit geschmückten Fahrzeugen. Ein Blick auf den Übersichtsplan zeigt: Der Prater bietet für jeden etwas: Volksprater, Messezentrum, Trabrennplatz, Stadion, Stadionbad, Golfplatz, Galopprennbahn, Gewässer, Hundezonen, Wander-, Reit- und Radwege, Laufstrecken, Spielplätze, Planetarium und Pratermuseum. Das historische Lusthaus erinnert an Kaiser Joseph II., der vor 250 Jahren all dies aus seiner "zu dem hiesigen Pubilico allermildest hegenden Zuneigung" ermöglichte.

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel", 2016