Öffentliche Rufe#
Bis zum 17. Jahrhundert erklang vom Stephansturm, Wien 1, das Rufglöcklein, später ein Trompetensignal des Türmers. Auf dieses Zeichen sollten sich die Wiener auf bestimmten Plätzen versammeln, wo der Ausrufer zu Fuß oder zu Pferd erschien, um Vorschriften zu verlautbaren. Dies war auf dem Graben, Neuen Markt, Am Hof, Hohen Markt, Judenplatz, Michaelerplatz und Stock-im-Eisen-Platz der Fall. Der Ruf schloss mit der Formel "Sage es einer dem andern!".
Johann Evangelist Schlager hat aufgrund der Stadtrechnungen mehr als 300 Anlässe zwischen 1623 und 1733 zusammengestellt. Viele der öffentlichen Rufe wiederholten sich jährlich und lassen Schlüsse auf (verbotene) Bräuche zu, wie "in den Rauchnächten zu schießen", "keine Fleischspeise in der Fasten zu essen" oder "daß man nächtlicher weiß über die gewöhnliche glockhen zeit in der Mascara oder schlütten nit fahren soll." Regelmäßig untersagt wurden auch das Schießen in der Johannes- und Thomasnacht sowie Sonnwendfeuer. Nach dem Tod von Mitgliedern des Kaiserhauses mussten Musik, Komödien und "Freudenspiel" entfallen. Weitere Beispiele beziehen sich auf Marktangelegenheiten, gesuchte Verbrecher, das Tragen von Waffen, Kranke, Bettler und Dienstboten, die Stadtbeleuchtung, für die seit 1688 die Bürger zu sorgen hatten, Sperrstunden oder Verlustanzeigen. Es wurde kundgemacht, dass man vor den Häusern das Rinnsal säubern und das Eis aufhacken musste, bei Nacht nur mit einem Licht unterwegs sein durfte, zu Zeiten der Pest an Bittprozessionen teilnehmen sollte, oder "daß die des Rauffens begierige liederliche Pursch … gefänglich eingezogen werden sollen"
In den Vororten und Dörfern waren Trommler mit dem Ausruf "Es wird kundgemacht…" unterwegs.
Quellen:
Gerhard Robert Coeckhelberge zu Dützele ("Realis") Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien. Wien 1846. S. 119
Johann Ev. Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. 3 Bde. Wien 1836-1846, 1842/239 f.
Bild:
Ausrufer, sog. Dorfwaibel, in Wien-Währing, Bezirksmuseum Währing