Schnabelpercht#
Am Vorabend des Dreikönigstages suchen in Rauris (Salzburg) Schnabelperchten die Häuser auf. Die weibliche Gestalt, die Kontroll- und Rügefunktionen ausübt, wird von Burschen dargestellt. Sie kündigen ihr Kommen mit lautstarken vogelähnlichen Rufen (Qua-qua oder bi-bi) an. Ihr Kostüm besteht aus geflickten Kitteln, großen, aus Stroh geflochtenen Schuhen, und dem Schnabel, der mit einem Tuch überzogen ist. Sie drohen, dass denjenigen, deren Stube nicht sauber ist, der Bauch aufgeschnitten wird, um den Unrat hineinzustopfen. Die Figuren haben einen Besen, eine Schere und einen Buckelkorb bei sich. Wenn sie das Haus verlassen, gibt man ihnen Geld oder steckt ein Schnapserl in den Schnabel. In Saalfelden (Salzburg) hat die Krampusperchtengruppe "Stoana Mea Pass" den Brauch um 1995 belebt.Der deutsche Volkskundler Dietz-Rüdiger Moser (1939-2010) schrieb: "Die Rauriser Schnabelperchten erinnern sehr an die Teufelsgestalten der Fastnacht. ... Ihre Funktion liegt darin, auf die Verfallenheit des Menschen an das Böse hinzuweisen, die letztlich - d.h. heilsgeschichtlich - die Erscheinung der Gottheit in der Welt erst notwendig machte." Er vergleicht das Erscheinungsbild verschiedener Perchten mit zeitgenössischen Lasterdarstellungen und findet in den Schnabelperchten Parallelen zum "Zungenlaster" der üblen Nachrede.
Im Mittelalter (um 1400) stellte der Tiroler Adelige Hans Vintler im Werk "Pluemen der Tugend" (Blumen der Tugend) Tugenden und Laster dar, wobei sich die letzten 800 Verse mit zeitgenössischem Aberglauben beschäftigten. Eine Abbildung dazu zeigt Frau Percht mit schnabelartiger Nase im Mönchsgewand. Im Epos "Herzog Ernst" (um 1180), das sich bis in die Neuzeit großer Popularität erfreute, treten die Schnabeler, Mischwesen (Männer mit Schnäbeln) als Feinde des Helden auf.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 860 f.
Dietz-Rüdiger Moser: Bräuche und Feste durch das ganze Jahr. Freiburg 2002. S. 80 f.
Marianne Rumpf: Perchten. Würzburg 1991
CD-ROM "Im Winter und zur Weihnachtszeit". (Hg. Lucia Luidold, Ulrike Kammerhofer-Aggermann) Salzburger Beiträge zur Volkskunde 13. Salzburg 2002
Siehe auch:
Perchten
Schnabelperchten in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015