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Helga Maria Wolf

Weihnachtskekse#

Der erste Adventkalender der Welt bestand aus Weihnachtskeksen. Er war die Idee der Frau eines deutschen Pastors. Um ihrem kleinen Sohn die Wartezeit bis zum Fest zu versüßen, nähte sie 24 „Wibeles“, schwäbische Biskuitkeks, auf einem Karton auf. Jeden Tag durfte sich der Bub ein Stück herunternehmen. Die Kindheitserinnerung war nachhaltig: Gerhard Lang (1880-1974), später Buchhändler und Verleger, wurde zum Erfinder des Adventkalenders. Dieser erschien 1902 unter dem Titel „Im Lande des Christkinds“. Für die Herstellung in großen Auflagen waren Kekse ungeeignet, aber die Collage-Idee blieb. Auf einem Karton waren 24 Gedichte aufgedruckt, ein zweiter Bogen enthielt bunte Bilder. Die Kinder konnten jeden Tag das Passende ausschneiden und über das Gedicht kleben.

Der Adventkalender gehört zu den vorweihnachtlichen Kindheits-Reminiszenzen wie das Keksbacken. Meist war der Feiertag am 8. Dezember der passende Termin, Mehrere Sorten wurden hergestellt und dann als Kollektion präsentiert, wobei wohl jede Mutter ihre mehr oder minder geheimen Rezepte im Erfahrungsschatz hat(te). Heute zählen „Tee- und Weihnachtsbäckereien“ zum kulinarischen Erbe Österreichs. Die Definition weckt Geruchs- und Geschmackserinnerungen: „kleine, knusprige oder mürbe Feinbackwaren, die aus Mürbteig, Lebkuchenteig, Makronenmasse etc. zubereitet und z.B. mit Schokolade, Nüssen, Marmelade oder Marzipan verfeinert werden. Die Teige für Weihnachtsbäckerei sind meist noch etwas üppiger und mehr gewürzt als die der Teebäckerei, u. a. mit Vanille, Zimt, Muskat, Kardamom und Nelken. Beide sind relativ lange haltbar.“

Teegebäck entwickelte sich parallel mit dem Konsum von Tee, Kaffee und Kakao. Nach der Gründung des ersten Wiener Kaffeehauses (1684) entstand eine Reihe von Gebäckarten und -formen, die mit ihren Zutaten und Füllungen den Genuss des Kaffees steigern sollten. Damen der gehobenen Gesellschaft boten bei ihren privaten Kaffeekränzchen gerne Kekse an. Bis in das 19. Jahrhundert blieben Konditorwaren auf Grund der hohen Preise von Zucker, Mandeln und Kakao Luxus. Um 1780 kostete in Österreich ein Pfund Zucker 3 bis 7 Gulden, ein Pfund Schokolade 1 bis 5 Gulden,. Ein Handwerker verdiente durchschnittlich 24 Kreuzer im Tag. Die Herstellung süßer Backwaren in den Haushalten wurde erst möglich, nachdem billigere Rohstoffe und entsprechende Küchenherde der Allgemeinheit zur Verfügung standen. Zuckerfabriken gab es in Österreich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Backpulver in Päckchen für den Hausgebrauch kam um 1890 in den Handel. Eiserne „Kochmaschinen“ mit Backrohren wurden seit den 1860-er Jahren serienmäßig hergestellt. Heute nennt das Internet tausende Keksrezepte.

Vanillekipferl zählen zu den wichtigsten Weihnachtsbäckereien. Ihre Erfolgsgeschichte begann nach der Erfindung des synthetisch hergestellten Vanillin-Aromastoffes 1874. Die Kapselfrüchte der Gewürzvanille (Vanilla planifolia) waren in Europa seit 1520 bekannt und zählten zu den teuersten und edelsten Gewürze der Welt. Andere typische Spezialitäten sind Florentiner – runde Plätzchen aus Mandelteig , der auch Honig, Zucker, Butter, Obers und Aranzini (Orangeat) enthält und deren Boden in Kuvertüre (Tunkmasse) getaucht wird. Hausfreunde sind meist viereckige Keks mit kandierten Früchten darin. Für Husarenkrapferl formt man Mürbteig zu Kügelchen mit einer Vertiefung in der Mitte, die mit Marmelade gefüllt ist. Makronen (maccherone - feiner Teig), sind ein Gebäck aus Mandeln, Zucker und Eiklar, das in venetianischen Klosterbäckereien entstanden sein soll. Im 16. Jahrhundert brachte sie die aus Florenz stammende Königin Katharina von Medici (1519 - 1589) nach Frankreich. In Wien heißen Makronen Mandelbusserl und Kokosmakronen Kokosbusserl.

Von der Kirchenlehrerin Theresa von Avila (1515-1582) stammen viele kluge Aussprüche, unter anderem: „Wenn Fasten, dann fasten – wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“. Anders ausgedrückt: man soll die Feste feiern, wie sie fallen und die kulinarischen Freuden dabei nicht zu kurz kommen lassen. Gebäck wie Klosterkipferl, Nonnenkrapferl, Bischofsbrot oder Kardinalschnitte bestätigen die Devise. Im Mittelalter, als Zucker in unseren Breiten unbekannt bis unerschwinglich war, verwendete man Honig als Süßstoff. Die ersten Erzeugungsorte für Lebkuchen fanden sich in den Klöstern. Den Verantwortlichen nannte man „Bruder Lebküchner“. Der "gesottene Teig" des Lebkuchens besteht aus Honig, Wasser, Milch und Mehl, er muss längere Zeit lagern, um zu gären und wird dann mit weiteren Zutaten verfeinert.

Alt ist auch das Gewerbe der Lebzelter und Wachszieher, das beide Bienenprodukte (Honig und Wachs) verarbeitet, erstmals wird es 1282 in Konstanz (D) genannt. Die Nähe zur Kirche – wegen der Erzeugung von Kerzen und Wachsvotiven - unterstützte die Bildung von starken Zünften, die zugleich religiöse Bruderschaften waren. In Niederösterreich sind zwischen 1650 und 1850 in 69 Städten und Märkten rund 600 Meister nachweisbar. Die Lebzelter verkauften ihre Waren in Wallfahrtsorten, auf Märkten und Kirtagen und hatten holzgeschnitzte Model für die Feiertage parat. Model dienten zur Verzierung des hinein gepressten Teiges. Dadurch war eine Herstellung gleich aussehenden Gebäcks in großen Stückzahlen möglich. Geformt wurde damit Lebkuchen, Spekulatius (Teig aus doppelt so viel Mehl wie Fett und wenig Ei, ohne Treibmittel), Springerle (Eier-Zucker-Masse) und Marzipan. Der Begriff "Printen" (Abdruck, vgl. engl. to print - drucken) verrät die Verwandtschaft zum Bilderbogen. Model wurden auch "hölzernes Bilderbuch" genannt. Mit ihrer Hilfe ließen sich Heiligenlegenden ebenso wie die aktuelle Mode oder Sensationen darstellen. Für die Advent- und Weihnachtszeit gab es eine Reihe spezieller Motive: Nikolaus und Krampus, Jesus, Maria und Josef im Stall, Jesuskinder, Christusmonogramme, Anbetung der Hirten und der Könige. Aus kleinen Figuren ließen sich ganze Lebkuchenkrippen zusammenstellen. Lebkuchenhäuser sind bis heute beliebte Geschenke.

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel", 2014


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