Pichler, Walter#
* 1. 10. 1936, Deutschnofen (Südtirol)
† 16. 7. 2012, Wien
Bildhauer und Graphiker
Walter Pichler wurde am 1. Oktober 1936 in Deutschnofen in Südtirol in eine Handwerker- und Bauernfamilie geboren und wuchs ab 1940 in Telfs in Nordtirol auf.
Er besuchte die Kunst- und Gewerbeschule in Innsbruck, die er 1955 mit dem Diplom abschloss. Von 1955 bis 1959 absolvierte er ein Grafikstudium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien.
Er verbrachte mehrere Jahre im Ausland - 1959 in Paris, wo er Bildhauerei studierte, und 1963 bis 1964 in New York, von wo aus er auch Mexiko bereiste. 1966 war er "Visiting Critic" an der Rhode Island School of Design in New York, USA.
Die ersten plastischen Arbeiten Pichlers entstanden 1959; ab den 1960er Jahren zählte Walter Pichler zu den wichtigsten Vertretern der Architektur-Avantgarde - er beschäftigt er sich mit architektonischen Entwürfen für utopische Stadtmodelle und plastische Objekte, die sich mit dem Raum und dessen individueller Wahrnehmung auseinandersetzen. 1963 stellten Pichler und Hans Hollein gemeinsam in der Galerie nächst St. Stephan in Wien ihre utopischen Architekturmodelle aus.
(Diese "Visionary Architecture", gemeinsam mit Hans Hollein und Raimund Abraham entwickelt, wurde 1967 in der legendär gewordenen Ausstellung im Museum of Modern Art in New York gezeigt).
1963 begann seine Zusammenarbeit als Buchgestalter mit dem Salzburger Residenz-Verlag, wo auch die meisten seiner Bücher erschienen. 1965 bis 1967 war Pichler mit Sokratis Dimitriou, Günther Feuerstein, Hans Hollein und Gustav Peichl Gestalter und Herausgeber der visionären Architekturzeitschrift "Bau. Schrift für Architektur und Städtebau."
1965 entstand für die "Biennale de Paris" gemeinsam mit Hans Hollein und Ernst Graf das Projekt "Minimalumwelt", eine Telefonzelle mit verschiedenen zusätzlichen Lebensfunktionen. Seine Skulpturenprojekte, die "Prototypen", etwa das tragbare Wohnzimmer ("TV-Helm") der "Große Raum" und sein "Galaxy Chair", utopische Objekte zwischen Kunst und Architektur, Design und Skulptur, machten nach ihrer Präsentation in der Galerie nächst St. Stephan auf der documenta 4 in Kassel großen Eindruck.
Pichler nahm in der Herstellung Anleihen aus der Auto- und Raumfahrtindustrie und verwendete Materialien, die damals in der Kunst nicht gängig waren, wie Kunststoffe oder Aluminium sowie pneumatische Elemente. Die meisten der Objekte luden zur Benützung ein.
1968 nahm er an der documenta IV in Kassel teil, 1982 vertrat er Österreich auf der Biennale in Venedig.
Ab 1972 lebte er großteils auf einem kleinen Bauernhof in St an der Raab im Bezirk Jennersdorf im Burgenland, wo er sich im Laufe der Jahre ein Museum für seine archaischen Holz- und Metallskulpturen baute: er errichtete für seine Skulpturen, von denen er keine mehr verkaufte, eigene Behausungen: ein "Haus für den Rumpf und die Schädeldecken", eines "für den Wagen" oder "für die bewegliche Figur".
(Nur in Ausnahmefällen mutete Walter Pichler seinen Objekten, Stelen, Figuren, Transportbehältnissen, Betten einen Ortswechsel zu.)
Ein fantastisches Architektur-Ensemble entstand, finanziert durch seine Zeichnungen: Pichler gestaltete ja – um sich nicht Kunstmarktgesetzen beugen zu müssen – ab den 1960er Jahren die Bücher und Buchcover des Residenz-Verlages und ab 2000 für den Verlag Jung und Jung. Auch sein eigenes Werk dokumentierte er lückenlos, fotografiert von seiner Frau, der Architketurfotografin Elfie Tripamer.
Der eigenwillige und scheue Künslter Walter Pichler starb am 16. Juli 2012 in Wien.
Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#
- Arnold-Bode-Preis in Kassel, 1984
- Großer Österreichischer Staatspreis für Bildende Kunst, 1985
Ausstellungen (Auswahl) #
- Architektur mit Hans Hollein, Galerie nächst St. Stephan, Wien, 1963
- Visionary Architecture mit Hans Hollein und Raimund Abraham, Museum of Modern Art, New York City, 1967
- 4. documenta, Kassel, 1968
- Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, 1971
- Albertina (Wien), 1973
- Projects, Museum of Modern Art, New York, 1975
- Haus der Kunst, München, Israel-Museum, Jerusalem, 1978
- Werkschau sämtlicher Architekturprojekte, Zeichnungen, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (kuratiert von Wolfgang Kermer in Verbindung mit Walter Pichler), 1981
- Biennale von Venedig, 1982
- Skulpturen, Zeichnungen, Modelle, Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt am Main, 1972
- Skulpturen, Museum für angewandte Kunst, Wien, 1990
- Drawings:Sculptures:Buildings, Stedelijk Museum, Amsterdam, 1998
- Drawings, Sculptures, Architecture, Gladstone Gallery, New York, 2001
- Es ist doch der Kopf, Berlin und Innsbruck, 2008
- Skulpturen, Modelle, Zeichnungen, Museum für angewandte Kunst, Wien, 2011
- Der gemalte Raum. Werke aus der Sammlung Essl im Schömer-Haus, Schömer-Haus, Klosterneuburg/Wien, 2012
Weiterführendes#
- Historische Bilder zu Walter Pichler (IMAGNO)
Literatur#
- W. Pichler. Skulpturen, Ausstellungskatalog, Wien 1990
- W. Pichler. Zeichnungen, Skulpturen, Gebäude. Mit einem Text von F. Achleitner, 1993
- W. Hofmann, W. Pichler. Zeichnungen, 1996
Quellen#
- AEIOU
- Der STANDARD
- Die Presse
- ORF Burgenland
- Generali Foundation
- Auktionshaus im Kinsky
- FOCUS Online
- Kunst online
Redaktion: I. Schinnerl