Kleiner Pilz bringt Eschen zu Fall#
In Klosterneuburg hat man mit dem Fällen der Bäume begonnen.#
Von der Wiener Zeitung (Mittwoch, 13. Juni 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Petra Tempfer
Wien. Er trägt den sperrigen Namen Hymenoscyphus fraxineus, auch falsches weißes Stengelbecherchen genannt, und verhält sich in seiner Heimat Ostasien eigentlich ganz harmlos. Seitdem er aber vor etwa 25 Jahren über den Nordosten Polens über Gütertransportwege kommend seinen Beutezug nach Europa begonnen hat, wird er hier zum zunehmend gefürchteten Widersacher der Eschen: Der millimetergroße Schlauchpilz Hymenoscyphus fraxineus befällt die Blätter, die Rinde und Wurzeln des eigentlich robusten Laubbaumes und breitet sich so lange aus, bis dieser stirbt. Vor mehr als zehn Jahren gab es die ersten Meldungen von befallenen Bäumen in Österreich, vor etwa einem halben Jahr die ersten Waldsperren in der Tullner und Korneuburger Au. Der Befall breitete sich rasch auf Stockerau, Klosterneuburg und auch den Nationalpark Donau-Auen aus, weiträumige Sperren wurden errichtet. Und das Eschensterben geht weiter. In Klosterneuburg hat man am Montag mit dem Fällen betroffener Bäume begonnen.
"Die Schlägerungsmaßnahmen finden entlang der markierten Wanderwege und Forststraßen statt", sagt Alexander Lung von der Stadtgemeinde Klosterneuburg, der für die Forstangelegenheiten verantwortlich ist. Die Revierförster der Österreichischen Bundesforste führten in betroffenen Gebieten ebenfalls verstärkt Kontrollen entlang der Wege durch, heißt es auf Nachfrage, um den Zustand der Eschenbäume zu dokumentieren. Absterbende Bäume würden umgehend gefällt und entfernt, um potenziellen Gefahren durch herabfallende Äste vorzubeugen. Auf den Holzpreis wirke sich das freilich negativ aus: Schadholz führe zu einem Überangebot auf dem Holzmarkt und damit zu einem Preisverfall, so die Bundesforste.
"Es gibt Fälle, bei denen der Baum einfach umgestürzt ist"#
In Klosterneuburg habe man jedenfalls einen auf 30 Jahre geschätzten Bestand komplett schlagen müssen, sagt Lung. Denn einerseits hafte der Waldeigentümer entlang dieser markierten Wege und Forststraßen für etwaige Schäden - etwa, wenn ein Waldbesucher verletzt wird -, andererseits sei der Pilz tückisch: "Es gibt Fälle, bei denen sich die Erkrankung vorher nicht gezeigt hat und der Baum einfach umgestürzt ist. Er hatte keine Wurzeln mehr", sagt Lung zur "Wiener Zeitung". Normalerweise mache sich der Pilzbefall durch entlaubte Baumkronen, welke Blätter und abgestorbene Triebe und Rindenregionen bemerkbar. Der Pilz heftet sich an die Blattstiele der Eschenblätter an, befällt die Leitungsbahnen und zehrt an den Nährstoffen des Wirtsbaumes. Fallen die Blätter mit den Fruchtkörpern der Pilze zu Boden, steigen deren Sporen in die Luft und verbreiten sich im Wind.
Der Österreichischen Waldinventur zufolge liegt der Anteil der Eschen in Österreich bei 3,1 Prozent, wenn man sich an der Stammzahl orientiert. Geht man nach dem Holzvorrat, sind es 2,1 Prozent. Nach der Rotbuche ist die Esche jedoch der zweithäufigste Laubbaum in Österreich. Etwa 90 bis 95 Prozent von diesen seien zumindest geringfügig befallen, sagt der Forstpathologe Thomas Kirisits von der Boku Wien. Tritt der Pilz an einem Trieb auf, heiße das aber noch lange nicht, dass der Baum in kürzester Zeit sterben wird. Erst bei den stark befallenen Bäumen werde es kritisch. Wie viele es von diesen gibt, darüber existieren Kirisits zufolge keine verlässlichen Zahlen.
Widerstandsfähige Exemplare sollen die gesamte Population retten#
Als Präventivmaßnahme nun alle Eschen zu fällen, sei daher der falsche Weg, ergänzt Thomas Geburek vom Bundesforschungszentrum für Wald. Nicht nur, dass man damit die Biodiversität reduzieren und Waldtiere ihrer Nahrung berauben würde. Damit würde man sich auch die letzte Hoffnung verbauen, in Österreich jemals wieder einen Eschenbestand aufforsten zu können. Geburek und Kirisits haben es sich nämlich zum Ziel gesetzt, besonders widerstandsfähige Eschen-Individuen zu finden, zu kreuzen und zu vermehren. 2015 haben sie die Initiative "Esche in Not" ins Leben gerufen, im Zuge dessen sie 1000 widerstandsfähige, also resistente Individuen finden wollen. Deren Nachkommen werden im Versuchsgarten in Tulln getestet, und nur von den resistentesten Bäumen werden wieder Nachkommen gezeugt. In der Praxis sehe das so aus, dass Bäume, die inmitten besonders kranker Individuen stehen und selbst gesund erscheinen, ausgewählt werden, sagt Geburek. "Man kann davon ausgehen, dass die Krankheitserscheinungen zu etwa 50 Prozent genetische Ursachen haben und der restliche Anteil umweltbedingt ist." Österreich sei mit dieser Initiative Vorreiter im europäischen Raum. Ob das Projekt erfolgreich sein wird, könne man allerdings noch nicht sagen. Bei den Ulmen, die im vorigen Jahrhundert in mehreren Wellen ebenfalls von einem Schlauchpilz befallen wurden, gab es Projekte wie diese nicht. Trotz ihres hochwertigen Holzes haben Ulmen in Österreich schon lange keine echte wirtschaftliche Relevanz mehr.
Weiterführendes#
- Hager, C.: Der stille Tod der Esche (Essay)
- Umwelt (Thema)
- Holz (Thema)