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Arbeiter „unter fremdem Himmel“#

Vor 50 Jahren wurde das Abkommen zur Anwerbung jugoslawischer Arbeitskräfte abgeschlossen. Die Wanderausstellung „Unter fremdem Himmel“ illustriert ihr Leben, ihre Arbeiten, ihre Diskriminierung.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Vereinsleben der Gastarbeiter, hier beim Schachspiel
Vereinsleben der Gastarbeiter, hier beim Schachspiel
Foto: JUKOS

Zu Beginn der 1960er-Jahre zogen an die 100.000 einheimische Arbeitskräfte zur Arbeit nach Deutschland, in die Schweiz oder noch weiter weg, um das große Geld zu verdienen. Sie hinterließen eine gewaltige Lücke in Österreich, jetzt gab es hier zu wenige Arbeitskräfte und die langsam stärker werdende Wirtschaft kam nicht so recht in Schwung. Also warb Österreich Gastarbeiter an aus Ländern, in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte, vor allem in Jugoslawien und in der Türkei.

1961 waren bereits an die 6100 jugoslawische Gastarbeiter in Österreich tätig, in (West-) Deutschland waren es schon 46.000 - immerhin verdienten sie dort um ein Viertel mehr als bei uns. Dafür war es aus Österreich - und da vor allem aus der Steiermark - näher, übers Wochenende auf der berüchtigten „Gastarbeiterroute“ (ohne Autobahn) nach Hause zu fahren.

Plakat der „Aktion Mitmensch“
Plakat der „Aktion Mitmensch“ gegen den diskriminierenden Umgang mit Gastarbeitern, 1973 (KK)

Zehntausende junge Männer und Frauen arbeiteten bereits auf eigene Initiative in Österreich auf Baustellen und in Fabriken, als am 4. April 1966 nach jahrelangen Verhandlungen mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien die bereits gelebte Realität endlich offiziell wurde: Das Abkommen zur Beschäftigung jugoslawischer Arbeitnehmer in Österreich trat in Kraft. Das war vor 50 Jahren. Heute erinnert die Wanderausstellung „Unter fremdem Himmel. Aus dem Leben der GastarbeiterInnen des ehemaligen Jugoslawien“ des Vereins Jukus im „Museum im Palais“ in der Grazer Sackstaße noch bis 7. Jänner 2017 an diese Menschen, ihre Ankunft in der Fremde, Arbeit, Wohnen, Selbstorganisation in Vereinen, ihre Diskriminierung als „Jugo“ und „Tschusch“ sowie ihre Mobilität, sprich das Pendeln zwischen zwei Heimaten. Und setzt ihnen ein spätes Denkmal. Denn sie alle haben mitgeholfen, Österreich auf den Weg in die moderne Zeit zu bringen. Sie waren beim Bau der Umfahrung Leoben tätig und haben die Autobahnbrücke Nestelbach errichtet, sie haben die U-Bahn in Wien mitgebaut und die UNO-City. Joachim Hainzl und Handan Özbas haben die Ausstellung kuratiert und werden sie nach dem 7. Jänner in regionalen Varianten auch in Klagenfurt und Kapfenberg zeigen.

Meho Sažić beim Bau einer Mauer
Meho Sažić beim Bau einer Mauer
Foto: JUKOS

Damals im Zeitalter vor Internet und Mobiltelefon waren Bahnhöfe die wichtigen Treffpunkte der Gastarbeiter, nicht nur als Orte des Ankommens, sondern auch als Umschlagplätze für Neuigkeiten aus der Heimat und für Hilfe jeglicher Art. Man lebte in den zwei Welten, in denen alle Gastarbeiter leben, war weder In- noch Ausländer, weder in Österreich noch in Jugoslawien. Dabei ist es den „Jugos“ besser gegangen als den türkischen Gastarbeitern, da sie sich dank staatlicher Unterstützung aus Jugoslawien und der österreichischen katholischen Kirche in zahlreichen Vereinen organisierten und in ihrer kargen Freizeit gemeinsam Sport betrieben. So wurden in den 1970er-Jahren in Graz, Kapfenberg und Leoben jugoslawische Sport- und Kulturvereine gegründet, jährlich fanden österreichweit Arbeitersportspiele statt und in Wien entstand sogar eine eigene Jugo-Fußball-Liga. Der „Kroatenkeller“ im Grazer Franziskanerkloster hingegen war Treffpunkt für Frauen und Familien.

1973 aber ging der Wiederaufbau-Boom zu Ende, dazu kam die sogenannten Ölkrise (eigentlich Ölpreiskrise durch 70-prozentige Preiserhöhung), als deren Folgen Temporeduzierung, autofreie Tage, Energieferien und Sommerzeit eingeführt wurden. Die etwa 230.000 Gastarbeiter in Österreich wurden im Kampf um die weniger werdenden Arbeitsplätze als Konkurrenz gesehen. Zweifel über ihre Integrationswilligkeit wurden laut, doch über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen diskutierte man nicht. Sie verdienten meist weniger als österreichische Arbeitskräfte, lebten meist in überteuerten und schlechten Wohnungen, auch Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse gab es nicht für sie. Integration war damals überhaupt kein Thema, ging man doch davon aus, dass die Gastarbeiter nach einigen Jahren ohnehin wieder in ihre Heimat zurückkehren würden.

Doch im Laufe der Jahre bauten sich viele in Österreich ihr Leben auf und wollten bleiben. Einer von ihnen ist Meho Sažić, der 1974 nach Graz gekommen ist, wo er als Pflasterer zu arbeiten begann. 1979 bis1982 absolvierte er in jener Grazer Firma seine Maurerlehre, bei der er dann auch die nächsten Jahrzehnte beschäftigt war. Zu seinen Arbeiten zählte die Pflasterung des Grazer Platzes „Am Eisernen Tor“. Und wenn Sažić als Pensionist heute dort zufällig vorbeikommt, überprüft immer wieder deren Zustand. Schließlich fühlt er sich auch heute noch dafür verantwortlich.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele