Als in Graz tagelang die Angst umging #
Zwei verschwundene Geldbriefträger hielten im April 1974 ganz Graz in Atem. Beide waren Opfer eines brutalen Raubmordes geworden.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Mit etwa 70.000 Schilling in der Tasche bricht Roman Rauch am Morgen des 17. Jänner 1974 zu seiner Tour durch die Friedrichgasse, Schönaugasse, Grazbachgasse und Schmiedgasse auf, rund 50 Beträge soll er auszahlen“, schreibt mein Kollege Hans Breitegger in seinem Buch „Die großen Kriminalfälle der Steiermark“ (vergriffen).
Spurlos verschwunden#
Doch viele Pensionisten warteten vergebens auf ihren Geldbriefträger. Als er etwa die Hälfte des Geldes zugestellt hatte, verschwand er spurlos. Da Roman Rauch (54) von seinem Dienstgeber als äußerst verlässlich beschrieben wurde, befürchtete die Polizei einen Unfall oder ein Verbrechen. 180 Häuser wurden vom Keller bis zum Dach von 45 Beamten der Sicherheitswache durchsucht.In der Zwischenzeit hatte der erst 20-jährige Gerhard Rosenberger das Rayon seines Kollegen übernommen. Er wollte unbedingt das Verschwinden seines Kollegen aufklären. Eine Zeitzeugin aus der Friedrichgasse erinnert sich: „Er hat sich bei seinem ersten Besuch sofort unseren Kellerschlüssel ausgeborgt und mit einer Taschenlampe den ganzen Keller durchsucht.“ Rosenbergers Vermutung: „Vielleicht is’ mein Kollege niedergeschlagen, ausgeraubt und in ein Kellerabteil geschleppt worden.“
Am 2. April 1974 war Rosenberger mit 322.000 Schilling unterwegs. Um etwa 11 Uhr wurde er zum letzten Mal gesehen, dann verlor sich auch seine Spur. Jetzt war in Graz die Hölle los. Die Gerüchtebörse kochte über, viele alte Menschen hatten Angst und sperrten sich in ihren Wohnungen ein. Denn nun bestand kein Zweifel mehr, die beiden Geldzusteller waren Opfer eines Verbrechens geworden.
Das Netz zieht sich zu#
Wieder durchsuchte die Polizei das gesamte Rayon des Postbeamten, wieder befragte man die Mitarbeiter des medizinisch-diagnostischen Labors von Dr. Fritz Wennig in der Schönaugasse. Dabei stellte sich heraus, dass eine Mitarbeiterin die letzte Person war, die Gerhard Rosenberger gesehen hatte. Das war um 11.15 Uhr im winzigen Fleischerladen des 27-jährigen Karl H. an der Ecke Schönaugasse/Grazbachgasse gewesen, als sie eine Jause holen wollte. Gegen den Fleischer lag nichts vor, doch war merkwürdig, dass er behauptete, Rosenberger an diesem Tag nicht gesehen zu haben. Noch etwas war seltsam. Eine junge Frau aus dem Nachbargeschäft meldete sich, weil ihr der Fleischer sehr seltsam vorgekommen war. „Er war bei mir, um Kleingeld zu wechseln, einige Münzen waren ganz rot.“
Eine andere Zeitzeugin erinnert sich, zwei Tage später die Mutter des Fleischhauers getroffen zu haben. „Wenn’s den Teufel nur endlich erwischen täten, damit der Karli wieder seine Ruhe hat. Jeden Tag kommt die Polizei zu ihm und fragt ihn aus“, hat die nichts ahnende Frau erzählt. Die Beweislage gegen ihren Sohn verdichtete sich aber von Moment zu Moment. Dr. Wennig, der im Erdgeschoß seines Hauses eine Putzerei besaß, erinnerte sich, dass ihm dort einen Tag nach dem Verschwinden Rosenbergers ein Teppich mit roten Flecken aufgefallen war. Der Teppich stammte aus der Fleischerei.
Das Geständnis#
Während Karl H. von der Mordgruppe Zotter einvernommen wurde, stellten die Spurensicherer fest, dass die Flecken Menschenblut waren. Jetzt war alles klar. Der Fleischer erzählte von Finanzschulden und von seiner Freundin, der er imponieren wollte. Dann gestand er: „Ich habe Roman Rauch und Gerhard Rosenberger ermordet und beraubt.“ H. hatte beide Geldbriefträger in seinem Laden mit der Fleischerhacke brutal erschlagen und so lange in der Tiefkühlbox aufbewahrt, bis er die Leichen in einem günstigen Moment wegschaffen konnte. An die Tür hängte er einen handgeschriebenen Zettel „Komme gleich“.
Karl H. wurde für die zwei Raubmorde zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Aber er verspürte wenig Reue, sondern ließ seinem schwer kranken Vater einen Brief aus dem Gefängnis zukommen. Darin forderte er ihn auf, dass er die zwei Untaten doch auf sich nehmen solle, da er ohnehin bald sterben werde, erzählte die gebrochene Mutter. Vor etwa zehn Jahren wurde H. entlassen und zog nach Salzburg.
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