Die zerstörte Burg #
Wie aus einem alten Meierhof die prächtige Stadtburg der Habsburger wurde – und wie man sie im 19. Jahrhundert brutal demoliert hat. Was blieb, ist eine Beamtenburg.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Wahrscheinlich schon im Frühmittelalter befand sich dort, wo heute die Reste der Grazer Stadtburg stehen und der Landeshauptmann seinen Sitz hat, ein Meierhof (Wirtschaftshof), der zur Festung auf dem Schloßberg gehörte. Erst durch die Stadterweiterung von 1336–39 kam dieser Bereich, der damals „Bürgeröd“ genannt wurde, samt der Ägydiuskirche in den Schutz der Stadtmauer. Vermutlich haben sich aus dem Meierhof die Amtsgebäude des 1349 erstmals genannten Schreibhofes und des Vize-Domamtes im Areal des heutigen Freiheitsplatzes entwickelt – die Keimzelle der späteren Stadtburg.
Die Stadtburg entsteht#
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts kam dann die Idee einer bequemer zu erreichenden Stadtburg auf. Herzog Wilhelm von Habs- Häuser und Gärten im Bereich des Meierhofs. Sein Neffe Herzog Friedrich V., der spätere Kaiser Friedrich III., erwarb weitere Grundstücke und begann 1438 mit dem Bau einer repräsentativen Stadtburg an der besonders gefährdeten Nordostecke der Grazer Stadtmauer.
Gleichzeitig ließ Friedrich auch die Ägydiuskirche von Grund auf neu errichten. Die nach ihrem Erbauer benannte Friedrichsburg bestand aus einem Palas direkt an der Hofgasse, der mit der Ägydiuskirche durch einen Übergang verbunden war. Palas und Übergang wurden leider 1854 brutal zerstört und abgetragen. Nur der hintere Teil der alten Friedrichsburg an der Stadtmauer ist erhalten geblieben.
Die Stadtburg war nie als Wehrburg gedacht, sondern diente immer Wohn- und Repräsentationszwecken. Für den Ernstfall war sie jedoch durch einen gedeckten Gang auf der Stadtmauer mit der Festung auf dem Schloßberg verbunden.
Friedrichs Sohn, Maximilian I., ließ die zwei Gebäude mit einem Flügel verbinden, der heute nur noch teilweise vorhanden ist. Glücklicherweise erhalten geblieben ist aber die berühmte Doppelwendeltreppe – ein echtes Juwel spätgotischer Baukunst.
Als Graz 1564 zum Zentrum der innerösterreichischen Länder (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Friaul, Pordenone und Triest) wurde, begann die Blüte der Stadt und ihrer Burg.
Erzherzog Karl II. war der erste Habsburger, der ständig in der Burg seinen Aufenthalt nahm. Unter ihm wurde der nüchterne Karlsbau errichtet ebenso wie ein Registraturtrakt entlang der Stadtmauer. Trinkwasser ließ der Erzherzog 1571 durch eine vom Rosenberg herabführende Holzröhrenleitung zuführen. In einem Tiergarten wurden sogar Löwen, Tiger und Bären gehalten.
Bis 1619 blieb die Burg Residenz der Erzherzöge und wurde immer weiter ausgebaut. Unter Karls Sohn Ferdinand erlebte die Stadtburg ihre Glanzzeit, er richtete eine Schatzkammer, eine Kunstkammer und eine Bibliothek ein. In nächster Nähe zur Burg ließ er sich sein prunkvolles Mausoleum errichten.
Doch der Grazer Glanz verblasste schnell, als Ferdinand 1619 als Ferdinand II. deutscher Kaiser wurde und nach Wien zog. Nach und nach wurden alle Schätze und Kunstsammlungen ebenfalls nach Wien überstellt, auch die Lipizzaner mussten vom Grazer Tummelplatz in die Hauptstadt umsiedeln. Die Grazer Habsburgerburg wurde allmählich zur Beamtenburg.
Der Abbruch beginnt #
Als Mitte des 19. Jahrhunderts viele Gebäudeteile baufällig wurden, pfiff man auf jede Form von Denkmalschutz und entschloss sich zu einem Teilabbruch, dem der gotische Haupttrakt der alten Friedrichsburg mit der Hofkapelle und dem Übergang zum Dom zum Opfer fiel. Auch die Renaissance- Prunkstiege von 1554 und der Trompetergang, von dem aus Musiker den Einzug des Herrschers mit Fanfarenstößen begrüßt hatten, wurde abgetragen – trotz heftiger Proteste vieler Bürger. „Unsere Leser werden sich des pittoresken und alterthümlichen Anblickes, welche diese Gallerie mit dem Thore gewährte, noch erinnern; kein Zweifel, daß die Burg durch Abtragung derselben einen großen Verlust erlitten hat“, schrieb die „Grazer Tagespost“ am 5. Mai 1856.
Somit ging damals etwa die Hälfte der alten Bausubstanz unwiederbringlich verloren. Seit 1922 ist die Burg der Amtssitz des Landeshauptmanns, der bis dahin im Landhaus amtiert hat. Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg vollendeten das Zerstörungswerk und beschädigten Teile der Maximilians- und der Friedrichsburg. 1950/52 wurde auf der seit 1854 leer stehenden Grundfläche des alten Palas ein schlichter Büroneubau errichtet.
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