Wie der Gauleiter flüchten konnte #
Sigfried Uiberreither, NS-Gauleiter der Steiermark, der Graz vor exakt 65 Jahren „bis zum letzten Mann“ verteidigen wollte, konnte völlig überraschend aus der US-Gefangenschaft fliehen.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Wer war dieser Sigfried Uiberreither (1908-1984) wirklich? Wie konnte dieser grausame NS-Fanatiker, der noch in den letzten Kriegstagen Massenerschießungen befahl und Graz im Straßenkampf Haus um Haus gegen die Rote Armee verteidigt sehen wollte – sich selbst aber rechtzeitig absetzte – aus der amerikanischen Gefangenschaft flüchten?
Ende der 20er-Jahre schloss sich der Salzburger Uiberreither dem Steirischen Heimatschutz unter dem Judenburger Rechtsanwalt Walter Pfrimer an, studierte in Graz Jus und promovierte 1933. Zwei Jahre zuvor war er der SA beigetreten und bereitete den „Anschluss“ Österreichs vor. Am 22. Mai 1938 wurde er von Hitler zum Gauleiter ernannt, weil der „Führer“ die Steiermark zum Mustergau an der Südostgrenze des Deutschen Reiches machen wollte und dafür einen „starken Grenzgauleiter“ brauchte. Kurz darauf wurde Uiberreither Landeshauptmann. Nach dem Überfall auf Jugoslawien 1941 war er auch für die NS-Politik in der Untersteiermark verantwortlich, wo er eine rigorose Germanisierungspolitik betrieb.
Als Uiberreither 1939 Käthe Wegener – die Tochter des berühmten deutschen Grönlandforschers und Grazer Universitätsprofessors Alfred Wegener – heiratete, wurde er auch Schwager des Tibetforschers Heinrich Harrer, der 1938 Käthes ältere Schwester Lotte geheiratet hatte.
Und seinem Schwiegervater verdankt Uiberreither höchstwahrscheinlich die Flucht aus der amerikanischen Gefangenschaft. Kurz nach Kriegsende hatte er sich nämlich aus Graz abgesetzt und in der Neumarkter Gegend versteckt, schließlich aber den Alliierten gestellt. Während er im Lager Dachau interniert wurde und auf seine Auslieferung nach Jugoslawien wartete, wurde seine Frau Käthe von den Amis verhaftet und verhört.
Und plötzlich die Flucht #
Ein halbes Jahr danach gelang Uiberreither völlig überraschend die Flucht. Als die österreichischen Medien darüber berichteten, begannen sofort wilde Spekulationen, ob nicht ein Deal zwischen Käthe und den Amis stattgefunden habe. Denn immerhin war die Tochter des Polarforschers Wegener, der die Theorie der Kontinentalverschiebung aufgestellt hatte, im Besitz wichtiger Forschungsunterlagen ihres Vaters, an denen die Amerikaner sehr interessiert waren.
Die Spur des ehemaligen Gauleiters verlief im Dunkeln. Zwar hatten einschlägige Grazer Kreise weiterhin beständig Kontakt mit Uiberreither, doch erst die Historiker Heimo Halbrainer und Christian Stenner haben in der Monatszeitschrift „Korso“ im Juli 2008 seine weitere Laufbahn aufgedeckt.
Sie interviewten einen Zeitzeugen, der 1954 mit Uiberreither in derselben Kühlgerätefirma in Sindelfingen (Deutschland) gearbeitet hat. Dort wirkte Uiberreither unter dem Namen Friedrich Schönharting als Exportchef und war für Werbung zuständig. In den 60er-Jahren soll er für die Deutsche Bundesbahn gearbeitet haben. Er starb am 29. 12. 1984. Ein weiterer Beweis für das zweite Leben des Gauleiters: In einer Doku des ARD über Alfred Wegeners Nordpolarexpedition, die am 31. 12. 2006 ausgestrahlt wurde, tritt dessen Tochter als Käthe Schönharting auf und erzählt von ihrer Kindheit.
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Wurde durch den Menschenrechtspreisträger 2009 des Landes Steiermark, Manfred Oswald enttarnt. HG und Gratulation zum wichtigen Beitrag über den Gauleiter, dessen Flucht nicht unbedingt Zufall war.....
-- Glaubauf Karl, Mittwoch, 8. Juni 2011, 14:00