Die Hexe bekam Beistand #
Hexen- und Zaubererjagd in der Steiermark in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Fortsetzung). Die „Prandtauerin“ vom Gericht geschont.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
1653 wurde die in einen Hexenprozess verwickelte bekannte Grazer Wirtin Susanna Prandtauer vom Richter noch verschont, weil ihm „die Suppe viel zu dünn für eine Anklage“ war. Doch im Spätherbst 1657 wurde die „Prandtauerin“ wieder in einen Zaubereiprozess verwickelt. Grund dafür war ein verheerendes Unwetter, das am 2. August 1657 über Graz und das Grazer Feld niederging. Faustgroße Hagelkörner in der Form von Totenköpfen wurden gefunden, hieß es – das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.
Präsident des Innerösterreichischen Geheimen Rates, Bischof Johann Markus IV. von Seckau, war der Meinung, dass hier Zauberei im Spiel sein müsse. Auf der Suche nach Schuldigen wurden nun die Verhörprotokolle des St. Lambrechter Prozesses vor vier Jahren überprüft. Dabei stellte man fest, dass die damals genannten Mittäter nie ausgeforscht worden waren, von einer Gegenüberstellung ganz zu schweigen. Der Bischof war entsetzt über diese Nachlässigkeit und forderte die „Ausrottung“ aller der Zauberei Beschuldigten. Das galt Barth, der nun unter großem Erfolgsdruck stand. Zu seinem Glück aber trieb genau zu dieser Zeit eine größere Gruppe von Bettlern und Kirchendieben in der Steiermark ihr Unwesen. Als zwei von ihnen beim Plündern eines Opferstocks erwischt und ins Landgericht Kapfenberg eingeliefert wurden, übergab die Regierung das Verfahren sofort dem Bannrichter.
Glühende Zangen#
Unter Folter mit glühenden Zangen gestanden die Bettler Max Ruprecht und Sebastian Kügl alles, was man von ihnen hören wollte, Kirchendiebstähle, Blutschande mit der Mutter, dass sie gestohlene Hostien verwendet hätten, um den Teufel zu beschwören – und die Schuld an dem Unwetter über Graz. Und Ruprecht gab auch an, dass er Hostien an Juden verkauft hätte. Das ist die einzige Erwähnung eines derartigen Delikts in einem steirischen Prozess, führt Schleich an. Die beiden Bettler gaben aber auch Mittäter an, den Amtmann der Herrschaft Gösting, den der Herrschaft Peggau und eine Grazerin namens „Urschel“, die einen grünen und darüber einen schwarzen Rock getragen hätte. Ein Freund hätte gesagt, dass das die „Prandtauerin“ wäre. Diese hätte er auch schon bei einem Treffen mit dem Teufel bei Salzburg gesehen.
Zwei Advokaten#
Sogleich wurde die Behörde aufgefordert, die drei Genannten nach Kapfenberg zu senden, damit sie dem Bettler gegenübergestellt werden konnten. Der Grazer Magistrat kam dem Befehl sofort nach, bestellte aber nach einer Intervention des Gatten der Wirtin die zwei Advokaten Dr. Johannes Andreas Mägerl und Dr. Wottgo als Beistände. Auch die Herrschaft Gösting beauftragte Dr. Wottgo mit der Verteidigung ihres Amtmannes, nur der Peggauer schaute durch die Finger. Seine Herrschaft, das Stift Vorau, gab ihm keinen Rechtsschutz, schreibt Valentinitsch.
Am 5. November 1657 tagte in Kapfenberg unter Vorsitz des Bannrichters Barth das Gericht. Von Beginn an wollten die beiden Advokaten den Richter durch ihr forsches Auftreten überrumpeln und beeindrucken. Mägerl behauptete, dass er nicht nur als Advokat hier wäre, sondern auch als Kommissar des Grazer Magistrats. In der Folge verwirrten die zwei Anwälte den Bettler so sehr, dass der Göstinger Amtmann nicht mehr unter Verdacht stand.
Dann schlugen sie vor, dass die Grazer Wirtin mit zwei anderen Frauen dem Bettler vorgeführt werden sollte, damit dieser die Frau bezeichnen könnte, die er mit dem Teufel getroffen haben wollte. Der Bannrichter wies dies „als ungewöhnlichen Modus“ ab. Der Bettler erkannte nun sofort die allein vorgeführte Wirtin als die Person, die er gesehen hatte. Um seiner Aussage ganz sicher zu sein, ließ der Richter den Delinquenten nochmals foltern.
Aussage widerrufen#
Aber er beging den verhängnisvollen Fehler, die zwei Advokaten und die drei Beschuldigten zusehen zu lassen. Alle schrien während der Folter auf den Gequälten ein, der zum Entsetzen des Bannrichters alle seine bisherigen Aussagen widerrief! Während die drei Angeklagten sofort abreisten, ließ der Bannrichter den zweiten Bettler hinrichten und schrieb in seinem Bericht an die Regierung, dass die gegen die drei Angeklagten Indizien trotz des Widerrufs für eine Überführung als Zauberer bzw. Hexe ausreichen würden. Dazu beklagte er sich bitter über das ungebührliche Verhalten der Advokaten.
Interventionen?#
Die Regierung in Graz stimmte unkritisch und ohne Zögern den Argumenten des Richters zu – setzte ihm aber einen Vorsitzenden vor, einen Dr. Veit Valentin Weber, dem der Bannrichter beim neuen Prozess in Kapfenberg zu „parieren“ habe. Jetzt aber zeigte Dr. Barth plötzlich kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Prozesses und klagte, dass er seit zwei Jahren keinen Sold mehr bekommen hätte. Hier brechen die Protokolle über den Prozess ab. Wurde er überhaupt weitergeführt?
Alles deutet darauf hin, dass die Behörde inzwischen ihre Haltung geändert hat. Vielleicht waren die Interventionen der Familie der „Prandtauerin“ nun wirksam geworden. Immerhin war ihr Sohn selbst ein erfolgreicher Advokat. Aber so viel steht jedenfalls fest: Die schwächsten Glieder der Kette mussten die Niederlage des Bannrichters büßen. Der Bettler wurde hingerichtet und der Peggauer Amtmann, der ja keine Rechtsvertretung hatte, wurde 1660 von Richter Barth neuerlich angeklagt. Unter Folter gestand er nun, ein Zauberer zu sein – und wurde hingerichtet. Nur der Göstinger Amtmann und die „Prandtauerin“ konnten unbehelligt weiterleben.
Jagd auf Hexen (1. Teil)
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