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In der Weihnachtsnacht wurde mit Kanonen geschossen#

Wie sich bei uns die Weihnachtsbräuche im Laufe der Zeit verändert haben und wie das Christkind den Nikolaus als Gabenbringer verdrängt hat.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Weihnachtsbaum im Biedermeier
Weihnachtsbaum im Biedermeier

Im 17. Jahrhundert war war das Grazer Murtor im Advent bereits ab drei Uhr morgens geöffnet und in langen Kolonnen strömten die Bewohner der Murvorstadt mit Lichtern in der Hand durch die noch dunklen Gassen zur Rorate in der Stadtpfarrkirche oder in der Jesuitenkirche. War dann endlich der Heilige Abend gekommen, wurden die Altäre und Kirchenschiffe mit dem frischen Grün der Fichtenbäume und Fichtenzweige dekoriert. „Das Christuskind wurde in reichen Gewändern, geschmückt von frommen Händen, in den Kirchen und Kapellen ausgestellt“, berichtet Fritz Popelka in seiner „Geschichte der Stadt Graz“.

Sehr unruhig war es aber in der Weihnachtsnacht. Vom Schloßberg dröhnten die Kanonenschüsse und überall in der Stadt übten die Menschen das beliebte Weihnachtsschießen aus, das die Regierung seit 1660 offiziell gestattete, weil sich die Bürger, Handwerksgesellen und Studenten ohnehin nicht davon abhalten ließen. Anscheinend trieben es diese Herren aber so arg mit dem Lärmmachen, dass sich die Regierung schon 1687 zu einem allgemeinen Schießverbot zu Weihnachten aufraffte, weil das Schießen geschehe „nit so viel zu der Ehrn Gottes als zu etlicher Standtspersohnen und absonderlich der Handtwerksleuten Muthwillen und Fürwitz“.

Die Hausherren räucherten zu dieser Zeit nach altem Brauch ihre Häuser aus, um sie vor Unheil zu schützen, auch der Magistrat investierte jährlich Geld in die Räucherung der Ratsstube. Und die Stadtpfarrkapläne erhielten Salz für das Ausräuchern der Grazer Burg.

Marie Pachler
Marie Pachler

In den Wirtshäusern der Vorstädte wurden überall die beliebten Weihnachts- und Krippenspiele gespielt, der Weihnachtsbaum war bei uns zu dieser Zeit ja noch völlig unbekannt. Auch das Beschenken der Kinder fand schon am Nikolaustag statt und nicht zu Weihnachten. Der angelsächsische Brauch vom Weihnachtsmann oder Santa Claus, der die Kinder heute noch zu Weihnachten beschenkt und der dem heiligen Nikolaus so ähnlich sieht, ist nur die direkte Fortsetzung dieser alten Tradition. Denn das Christkind ist ebenso wie der Christbaum eine Erfindung Martin Luthers, der 1535 den alten katholischen Bräuchen um Nikolaus und Krippe bewusst etwas Neues gegenüberstellen wollte. Da er die katholische Heiligenverehrung ablehnte, wurde durch die Reformation die Bescherung auf Weihnachten verlegt - und der gute alte Nikolaus hatte in den protestantischen Ländern als Gabenbringer ausgedient. An seiner Stelle führte Luther den „Heiligen Geist“ ein, der sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem engelsgleichen und blondgelockten Christkind weiterentwickelte. Wie aber war es möglich, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts Christbaum und Christkind die alte Tradition von Krippe und Nikolaus auch bei uns so schnell verdrängen konnten? Damals flüchteten viele Menschen vor den Truppen Napoleons aus dem Deutschen Reich in die habsburgischen Länder - und brachten den Brauch vom Lichterbaum mit. Vor allem nach dem Vorbild des Wiener Salons der Berlinerin Fanny von Arnstein (1814) und durch die Heirat Erzherzog Karls von Österreich, der bei Aspern eine Schlacht gegen Napoleon gewinnen konnte, kam der Christbaum nach Österreich. Denn seine Gemahlin war die aus Bayern stammende Henriette von Nassau-Weilburg, die übrigens die erste nicht katholische Frau eines Habsburgers war, die sich weigerte, zum katholischen Glauben überzutreten. Sie war es, die 1816 für ihr erstes Kind den von zu Hause gewohnten „Bescherbaum“ in Wien einführte, der dann sehr schnell die Wiener Salons eroberte und sich allmählich über das gesamte Habsburgerreich verbreitete. Sehr zum Missfallen Erzherzog Johanns, der die neue Mode im Salon seines Bruders Karl erstmals erlebt hatte und seinem geliebten Kripperl nachtrauerte.

Es hatte aber auch bei uns schon ältere Bräuche gegeben, in denen ein Lichterbaum vorkam. So war beim alten Paradeisspiel ein mit Lichtern besteckter und mit Äpfeln behangener Fichtenbaum als Baum der Erkenntnis verwendet worden. Ganz fremd war sein Anblick also den Menschen auch bei uns nicht gewesen.

Den wahrscheinlich ersten Christbaum in der Steiermark führte die damals sehr bekannte Pianistin Marie Pachler, Gattin des Bierbrauers und Advokaten Carl Pachler, wohnhaft im „Rabenschinderhaus“ (später „Herrenhof“) in der Grazer Herrengasse ein. Sie hatte von der neuen Mode in den feinen Wiener Kreisen gehört und ahmte sie in ihrem Salon nach. Auf dem Land ging es bei uns allerdings etwas weniger fein zu. Lange Zeit hängten die steirischen Bauern ihre Christbäume aus Platzgründen in den Stuben an die Decke - mit dem Wipfel nach oben oder auch nach unten. Zweitere Variante können wir seit Jahren im Advent hübsch beleuchtet auch in der Grazer Herrengasse bewundern.


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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele


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