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Karl Böhm, der Maestro aus Graz#

Ein Weltstar am Dirigentenpult und Profiteur des NS-Regimes, der sich mit der Partei arrangierte und auf Hitlers „Gottbegnadeten-Liste“ stand.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Das sogenannte Böhm-Schlössl in der Grazer Kernstockgasse
Das sogenannte Böhm-Schlössl in der Grazer Kernstockgasse
Foto: ENGELE
Gedenktafel aus Kupfer an Böhms Geburtshaus
Gedenktafel aus Kupfer an Böhms Geburtshaus
Foto: ENGELE
Nikolaus Habjan mit Böhm-Puppe
Nikolaus Habjan mit Böhm-Puppe
Foto: APA

Der Wiener Autor Paulus Hochgatterer hat dem Grazer Puppenspieler Nikolaus Habjan und dessen originellen Puppen mit „Böhm“ ein Stück auf den Leib geschrieben, das in dieser Saison erfolgreich im Grazer Schauspielhaus wiederaufgeführt und für den Nestroy-Theaterpreis 2018 in der Kategorie „Beste Bundesländer-Aufführung“ nominiert wurde. Habjan, der hier die Regie führt, bekam gestern dafür den Nestroy-Publikumspreis.

Aber wer ist die Figur, um die sich hier alles dreht? Wer ist dieser Karl Böhm aus Graz wirklich? Warum ist er so umstritten? Ganz einfach - einerseits war Böhm einer der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, andererseits ein Kind seiner Zeit, das sich bestens mit dem Nationalsozialismus arrangiert hat, um seine Karriere voranzutreiben. Ein Profiteur, der aber nie NSDAP-Parteimitglied war.

Begonnen hatte alles in Graz, als Karl August Leopold Böhm wurde er am 28. August 1894 im sogenannten Böhm-Schlössl in der Kernstockgasse 21 nahe der Andrä-Kirche geboren. Eine Gedenktafel aus Kupfer erinnert dort heute noch an den großen Dirigenten und Wagnerinterpreten.

„Mein Großvater war Musiklehrer“, erzählte mir Grazkenner Gerd Weiß, „und hatte den später berühmten Dirigenten Karl Böhm zum Schüler.“ Er hat das Musiktalent des Buben erkannt und gefördert - ganz gegen den Willen von Böhms Vater Leopold, der ein angesehener Rechtsanwalt in der Landeshauptstadt war und 1904 durch Baumeister Josef Petz die sogenannten Nürnberger Häuser am Grazer Lendkai errichten ließ. Der junge Böhm studierte folgsam - wie sein Vater - Jus und promovierte zum Doktor der Rechte. Von Beginn an aber interessierte er sich viel mehr für Musik und wollte Dirigent werden. 1917 begann er seine Dirigentenlaufbahn in Graz, ging aber bald schon nach München, Darmstadt und Hamburg. Auf Fürsprache Hitlers wurde Böhm 1934 an die Semper-Oper in Dresden berufen, wo er dem Dirigenten Fritz Busch nachfolgte, der vom NS-Regime zu Rücktritt und Emigration genötigt wurde. Als Böhm 1935 bei der Parteiführung um Auftrittserlaubnis in Österreich ansuchte, schrieb er: „Es ist sicher im Sinne der Regierung gelegen, wenn ich als deutscher Dirigent nach Wien gehe, um dort den zahlreichen Anhängern der nationalsozialistischen Idee neue Anregung zu geben, umsomehr als ich gebürtiger Österreicher bin … Heil Hitler!“

1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde Karl Böhm letzter Direktor der Wiener Staatsoper in der NS-Ära, 1945 aber wegen seiner großen Nähe zum Nazi-Regime von den Allliierten aus dem Amt entfernt und - wie Herbert von Karajan - mit Auftrittsverbot belegt. Nach Ende der Besatzungszeit wurde er 1955 wiederum schnell als Direktor der Staatsoper eingesetzt. Da Karl Böhm wie Furtwängler, Karajan, Knappertsbusch oder Krauss eine der kulturellen Stützen des NS-Regimes war, wurde er in der Endphase des Krieges 1944, als viele Künstler in die Wehrmacht eingezogen wurden, von Adolf Hitler und Joseph Goebbels auf die „Gottbegnadeten-Liste“ gesetzt, wodurch er vor den Kriegsereignissen an der Front verschont wurde. Er gehörte damit einer Minderheit von 1.041 Personen unter 140.000 Mitgliedern der Rechskulturkammer an. Doch Böhm war kein antisemitscher Schreier, auch war er kein Sprachrohr der NS-Propaganda, Er war ein von der Kunst besessener und diensteifriger Nutznießer, der sich dem Regime zur Verfügung stellte. Schon 1938 hatte er zu seinem Wiener Konzertmeister Wolfgang Schneiderhahn gesagt: „Wenn das Politische auf Sie zukommt, schauen Sie auf die Noten.“ Oder wie Nikolaus Habjan im Stück „Böhm“ mit wienerisch-weinerlicher Stimme seine Böhm-Puppe so treffend sagen lässt: „Manche Dinge kann man sich nicht aussuchen.“



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele