Das Ende eines Revolutionärs#
Die Kämpfe des Jahres 1934 dauerten zwar nur vom 12. bis 15. Februar, forderten aber offiziell 314 Tote und mehr als 800 Verletzte. Neun Todesurteile wurden gefällt - darunter der steirische Arbeiterführer Koloman Wallisch.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Im März 1933 schaltete der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Parlament aus, indem er eine Lücke im Parlamentarismus kühl ausnützte. Denn alle drei Nationalratspräsidenten waren gleichzeitig von ihrem Amt zurückgetreten, um für ihre Parteien abstimmen zu können, weswegen niemand die Sitzung führen konnte. Die neue Machtfülle ohne parlamentarische Kontrolle nützte Dollfuß, um seine politischen Gegner kaltzustellen. Er ließ den Republikanischen Schutzbund, wie der paramilitärische Verband der Sozialdemokraten hieß, verbieten. Etwas später folgte das Verbot der Kommunistischen Partei und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.
Am 11. Februar 1934 erklärte Vizekanzler Major Emil Fey bei einer Übung der Heimwehr, die der paramilitärische Arm der Christlich-Sozialen war: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen, und wir werden ganze Arbeit leisten.“ Und am 12. Februar eskalierte die Situation wirklich. Eine provozierende Waffensuche im Linzer Arbeiterheim „Hotel Schiff“ löste heftigen Widerstand aus. Schutzbundleute schossen auf Heimwehrler, die Kampfhandlungen griffen schnell auf andere Industriestädte wie Steyr, St. Pölten, Bruck an der Mur, Kapfenberg, Eggenberg bei Graz (der Zusammenschluss mit der Landeshauptstadt erfolgte erst 1938), Weiz und Wörgl über. Die Regierung verhängte das Standrecht über Wien, Nieder- und Oberösterreich, Steiermark und Kärnten. Die Sozialdemokraten riefen im Gegenzug zum Generalstreik auf. Heimwehr, Militär und Polizei gingen gegen Arbeiterheime und Gemeindebauten in den Wiener Vorstädten vor. Die Stromversorgung Wiens war zwar bis zum Abend lahmgelegt, aber ansonsten zeigte der Streik keine große Wirkung. Die Staatsgewalt setzte leichte Feldgeschütze ein, der Widerstand begann zu bröckeln. Die Februarunruhen forderten nach offiziellen Angaben 314 Tote und mehr als 800 Verletzte, vermutlich waren es aber mehr als 1000 Tote. Neun Sozialdemokraten wurden standrechtlich zum Tode verurteilt.
Zu den dramatischsten Kämpfen des kurzen Bürgerkriegs war es in Bruck an der Mur gekommen, wo der Schutzbund das Gebäude der Firma Felten & Guilleaume einschloss und die Gendarmeriekaserne stürmte. Auch Barrikaden wurden errichtet, um das aus Graz anrückende Bataillon des Alpenjägerregiments Nr. 0 aufzuhalten.
Herz des steirischen Aufstandes war Koloman Wallisch, „ein in der Wolle dunkelrot gefärbter Sozialist von altem Schrot und Korn, eigentlich ein Kommunist, wie er selbst einmal bekannte“, berichtet Reinhard M. Czar in seinem neuen Buch „Dunkle Geschichten aus der Steiermark“ (Styria). Der gelernte Maurer war nach dem Zerfall der alten Monarchie bereits in Ungarn und Slowenien als Arbeiterführer politisch aktiv gewesen. Sein Traum war die Schaffung einer Räterepublik nach russischem Vorbild. Beide Male scheiterte er aber und musste schließlich in die Steiermark flüchten. Hier begann sein Marsch durch die Institutionen bis er Landesparteisekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und 1930 Nationalratsabgeordneter wurde. Wallisch wohnte in Graz und als ihn in den Wirren des 34er-Jahres seine Brucker Schutzbündler zu Hilfe riefen, kam Wallisch sofort und führte die Revolution in der Obersteiermark an. Für einige Stunden sah es für seine Sache auch gut aus, Bruck wurde vom Schutzbund kontrolliert. Doch als die Armee anrückte, zog sich Wallisch mit den Seinen zurück. Auf der Fahrt von Leoben nach Admont wurde er am 18. Februar aufgegriffen und verhaftet. Er wurde zurück nach Leoben gebracht und vor ein Standgericht gestellt.
Kanzler Dollfuß konnte angeblich kaum das Todesurteil für Wallisch erwarten und ließ um 19 Uhr telefonisch beim Leobener Gericht anfragen, warum die Verhandlung so lange dauerte. Das Todesurteil war „gleichsam ein Auftrag des offiziellen Österreich an die Richter. Um 20.30 Uhr wurde das Urteil verkündet.“ Um 23.40 Uhr wurde Wallisch zur Hinrichtung geführt, ein Gnadengesuch hatte der Arbeiterführer stolz abgelehnt. Doch in Leoben hatte sich niemand bereit erklärt, den Galgen aufzustellen, Häftlinge mussten dazu gezwungen werden. Als Henker fungierte ein Fleischhauer aus Wien, der bereits am Nachmittag in den Leobener Gasthäusern damit angegeben hatte, dass er „den Wallisch“ hängen werde. Als er Wallisch dann wirklich die Schlinge um den Hals legte, rief dieser: „Es lebe die Sozialdemokratie! Hoch! Freiheit!“ Heute erinnern noch Koloman-Wallisch-Plätze in den Industriestädten Bruck, Kapfenberg und Leoben an den steirischen Kämpfer für mehr Gerechtigkeit.
zur Übersicht