Grazer Sängerin war Amerikas Liebling #
Marie Geistinger, Sängerin aus Graz, wurde in Wien zur „Königin der Operette“. Ab 1881 tourte sie sieben Mal durch die USA, wo sie umjubelt und mit Dollars überhäuft wurde.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
„Geistinger is coming“, lautete die riesige Schlagzeile der Flugblätter, die 1881 massenweise in New York verteilt wurden. Als „Großherzogin von Gerolstein“ in der gleichnamigen Operette von Jacques Offenbach debütierte die gebürtige Grazerin am 5. Jänner 1881 im New Yorker Thaliatheater. Und der Applaus nahm kein Ende.
Am nächsten Tag überschlugen sich die amerikanischen Zeitungen (darunter auch 64 in deutscher Sprache) mit Lobeshymnen. „Es gibt keine zweite Künstlerin auf dem weiten Erdenrund, die diesem eigenen Genre so viel ästhetischen Gehalt abgewinnt und es so geistvoll behandelt wie diese glanzvolle Geistinger“, hieß es.
Amerika lag ihr zu Füßen#
Beifallskundgebungen vor ihrer Suite im Waldorf-Astoria-Hotel folgten, nach jeder Vorstellung ging ein Blumenregen an ihren Fenstern nieder und ihre Werbung lief auf Hochtouren. Innerhalb kürzester Zeit war Marie Geistinger sogar in den entlegensten Winkeln der Vereinigten Staaten ein Star. In einer Monstertournee zog die „Königin der Operette“ durch die Staaten von Stadt zu Stadt. Überall, wo sie auftrat, übertraf sie ihren Ruf und wurde von Publikum und Presse vergöttert. Tapfer ertrug sie die schweren Strapazen der langen Tournee, denn die meisten Hotels waren schlecht und der Zeitdruck groß. Zumeist wurde die Künstlerin sofort von der Bahn zur Probe ins Theater gehetzt, die Versorgung war miserabel. Doch der Erfolg war riesig.
Aus den ursprünglich geplanten zwei Spielzeiten waren vier geworden. Dabei trat die Grazerin insgesamt unglaubliche 826 Mal auf und erhielt für jede Vorstellung 200 Dollar. Geistinger war eine wohlhabende Frau, als sieam3. Mai 1884NewYork wieder verließ.
Kampf der Sängerinnen #
Anfangs hatte man ihr aber sofort Prügel in den Weg geworfen. Denn Konkurrenzveranstalter wollten auf ihrer Erfolgswelle mitschwimmen und hatten Geistingers alte Rivalin aus Wien, Josefine „Pepi“ Gallmeyer, nach New York geholt. Ein Manager namens Conried wollte, dass beide Sängerinnen gemeinsam auftreten, um den großen Erfolg noch zu überbieten. Aber Geistinger lehnte ab – sie hatte schon in Wien mit der sehr cholerischen Gallmeyer ihre Zusammenstöße gehabt. Conried zog nun in den USA unter dem Titel „Wie eine echte Wiener Soubrette spielt“ eine gewaltige Werbekampagne für die Gallmeyer auf. Doch die Arme war schon krank in New York eingetroffen, konnte sich nur unter Schmerzen auf die Bühne schleppen und hatte immer wieder Aussetzer. Das Publikum war total enttäuscht von ihr. Der Manager hatte sie als Sensation angekündigt, jetzt wurde sie ausgebuht und verhöhnt. „Der Geistinger glückt immer alles, mir armem Hascherl gar nix“, klagte sie. Erst in den Weststaaten hatte auch sie Glück und erfolgreiche Auftritte, der große Star in Amerika war aber unbestritten Marie Geistinger.
Mit 45 Jahren hatte sie ihre erste Tournee durch die USA gemacht, mit 55 startete sie die zweite und mit 60 brillierte sie erneut in New York bei ihrer dritten Tournee als Medea und Maria Stuart. Als die Geistinger 1899 eine neue Einladung in die USA erhielt, wollte sie sofort ablehnen, aber die unvorstellbare Summe von 18.000 Dollar war stärker als alle ihre Bedenken. Schließlich benötigte der Star viel Geld für ihren jungen Freund, einen Schauspieler namens Karl, der in Wien ein Theater kaufen wollte. Denn sie war seit 1881 von ihrem ebenfalls aus Graz stammenden Ehemann August Kormann, der auch Schauspieler war, geschieden.
Ja, in Graz hatte 1836 alles begonnen, als sie am 26. Juli in der Wickenburggasse 9 als Tochter des am deutschen Theater in St. Petersburg engagierten Opernsängers Nikolaus Geistinger und seiner Frau Charlotte, Tragödin ebendort, geborenwurde. Bereits im zarten Alter von acht Jahren war Marie in ihrer Geburtsstadt und in Marburg (Maribor) in Kinderrollen aufgetreten. 1850 debütierte sie in München, Stationen in Wien, Berlin, Hamburg und Riga folgten. 1865 wurde sie an das Theater an der Wien engagiert. Ihr heller Sopran und die blendende Bühnenerscheinung machten sie schnell zum Publikumsliebling. Sie war die „Königin der Operette“ und auch als Volksschauspielerin erfolgreich.
Ihren Lebensabend verbrachte sie als Herrin auf Gut Rastenfeld in Kärnten, wo sie sich in einen jungen Forstadjunkten verliebte. 1903 starb die Diva in Klagenfurt.
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