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„Wir können uns nicht länger halten“ #

1593: Ein berührender Brief schildert die hoffnungslose Lage einer christlichen Besatzung in der kroatischen Festung Sisak zu Beginn des „Langen Türkenkrieges“. #


Mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt von der Kleinen Zeitung (Sonntag, 17. Jänner 2016)

Von

Robert Preis


Schlacht bei Sisak
Schlacht bei Sisak
KK

Von Kriegen und ihren unerbittlichen Schlachten hält die Geschichte meist nur die Heldentaten fest. Wir bestaunen Ölgemälde und Büsten. Doch egal ob Sieg oder Niederlage – eine Emotion beherrscht jedes Schlachtfeld: die Angst. Davon berichtet uns bis heute auch ein berührender Brief. Es ist Frühsommer, eigentlich eine Zeit des Friedens, als der türkische Pascha von Bosnien, Hasan Predojevic´, seine Truppen gegen die Festung Sisak in Kroatien losschickt. Gemunkelt und befürchtet wurde schon seit Monaten, dass die Osmanen den in Wahrheit nur auf dem Papier bestehenden Frieden zur Aufrüstung nutzten. Nun war es Gewissheit, und die Übermacht des aufmarschierenden Heeres war erdrückend.

„Harnische haben eine doppelte Wirkung“, schildert Leopold Toifl, Kurator des Grazer Zeughauses, nachdenklich an dieser Stelle. „Denn zum einen schüren sie Angst. Zum anderen aber verbergen sie die Emotionen seines Trägers.“ In diesem Fall waren es jene von der sogenannten steirischen Landschaft angeworbenen Söldner. Sie lugten hinter den Schießscharten der Festung hervor und unter ihren Helmen mussten sie schnell feststellen, dass ihre Lage aussichtslos war.

Predojevic´s Truppen griffen am 22. Juni 1593 an, erlitten aber trotz zahlenmäßiger Überlegenheit eine vernichtende Niederlage gegen ein anmarschierendes christliches Entsatzheer. Der Pascha selbst kam dabei ums Leben, zahlreiche ranghohe türkische Offiziere ebenso.

Aus bis heute nicht erklärlichen Gründen wurde der Sieg von der christlichen Söldnerarmee militärisch aber nicht genutzt. Man legte nur eine schwache Besatzung in die gerettete Festung. Den osmanischen Truppen blieb genügend Zeit, sich neu zu formieren, und im August fand sich Sisak abermals im Belagerungszustand wieder. Diesmal jedoch war der Zustand der Belagerten erbärmlich. Geschwächt von wochenlanger Blockade schrieben sie jenen verzweifelten Brief an die steirische Landschaft, der bis heute erhalten geblieben ist.

„Um Gott und der fünf Wunden Jesu Christi willen bitten und flehen wir, dass ihr uns in unserer Not nicht verlasst, weil wir offenbar verderben werden. Schickt uns entweder bald mehr Hilfe oder entsetzt uns, verliert eure Seele unsertwegen nicht, denn wir haben uns im Vertrauen auf euch hier verschanzt, wir können uns nicht wehren. Man belagert uns von allen Seiten, die Fenster wurden bereits alle eingenommen, man lässt uns kein Wasser mehr schöpfen und nur Gott weiß, ob ihr uns noch lebendig antreffen werdet.

Falls dem Schloss Schaden zugefügt wird, ist es nicht unsere Schuld, selbst wenn die anderen Länder (= Kärnten und Krain) daraufhin verloren gehen. Bemüht euch um Gottes willen, damit eure Seele nicht schmerzt, bemüht euch um uns und entsetzt uns, denn in Wahrheit: Wir können uns nicht mehr länger halten. Die neue Mauer zerfällt in kleine Stücke und ist zehnmal mehr zerbrochen als zuvor. Von jetzt an können wir nirgends mehr hin.“

Doch der Hilferuf kam zu spät. Ende August eroberten die Türken die Festung Sisak und ließen keine Gnade walten. Alle Verfasser obigen Schreibens kamen ums Leben. Von türkischer Seite war die Niederlage vom 22. Juni zum Anlass genommen worden, das Habsburgerreich mit Krieg zu konfrontieren: Am 7. August 1593 erklärte Sultan Murad III. schließlich Kaiser Rudolf II. den Krieg, der als „Langer Türkenkrieg“ in den Geschichtsbüchern verzeichnet ist.

Jene Jahre erklären auch die strikte Haltung im Zeughaus bis zum 19. Jahrhundert. Als breite sich die Angst von den Schlachtfeldern bis nach Graz aus, war dort auch die Angst vor Spionage groß. Da das Arsenal ja auch die Söldnerheere ausstattete, durfte nur eine handverlesene Anzahl von Personen – fünf an der Zahl – Einblick in die größte Waffenkammer im Süden des Habsburgerreiches haben. Man nannte sie: „die Verordneten“. Nur sie hatten eine Ahnung davon, wie prekär die Lage wirklich war.

Denn: Dieser neu entflammte Türkenkrieg war keine rasche Angelegenheit, er dauerte bis 1606 und das Geräusch der Schlachtfelder reichte bis tief ins Reich hinein. Bis heute nährt jene Zeit zahlreiche Geschichten um Leid und Verstörung. Kein Wunder, denn begonnen hat alles mit einem Brief voller Angst.

Was sonst noch in dieser Zeit geschah #

  • 1593 Ende der Französischen Religionskriege.
  • Die britische Königin Elisabeth I. empfängt die irische Piratin Grace O’Malley.
  • Pestepidemie in London.
  • Gründung von Berjosowo, einer der ältesten russischen Siedlungen südlich des Urals.
  • Galileo Galilei erfindet das sogenannte Galileo-Thermometer.
  • Die Erzählung „Venus und Adonis“ erscheint als erstes Werk unter dem Namen William Shakespeare.
  • Antonio Tempesta druckt einen Stadtplan von Rom.



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© "Damals in der Steiermark", Robert Preis


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