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„Und die im Dunkeln sieht man nicht ...“#

Zur Geschichte der Armut in der Steiermark im Laufe der Jahrhunderte ist soeben ein spannungsvolles Buch erschienen, das die Lage der Ärmsten in vielen Beispielen schildert und auf Ursachenforschung geht.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Bettler mit Holzbein, um 1753 vom Kremser-Schmidt
Bettler mit Holzbein, um 1753 vom Kremser-Schmidt
KK

Von den armen Menschen in unserer Heimat wissen wir bis ins 17. Jahrhundert fast nichts. Überliefert ist nur, dass sie in Massen starben, wenn wieder einmal eine Überschwemmung auftrat oder Krieg, Hungersnot und Pest kamen. Die Ursachen dafür, dass jemand keinen Besitz hatte, seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten konnte und daher in bitterer Not leben musste, ziehen sich wie eine Konstante durch die Jahrhunderte: Es sind kollektive Großereignisse wie Kriege, Naturkatastrophen, Epidemien und Hungersnöte, gepaart mit individuellen Schicksalsschlägen wie Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit, schreibt Franz Küberl im Vorwort des Buches „Von den Ärmsten wissen wir nichts. Zur Geschichte der Armut in der Steiermark“, das soeben bei Styria erschienen ist.

Menschen wie Bettler, Behinderte, Kranke, Taglöhner, Waisen, die sich alle am Rande der Gesellschaft bewegen, haben keine Spuren in der Geschichte hinterlassen. „Die im Dunkeln sieht man nicht“ heißt es in Bert Brechts berühmter Moritat von Mackie Messer. Viele wollen sie aber auch nicht sehen und wenden ihren Blick ab. Dieses Buch blickt jedoch genau hin und erzählt in mehreren Kapiteln informativ, illustriert und spannend von der Not der Menschen in der Steiermark - quer durch die Geschichte bis in die Gegenwart.

Bettlerin von Jacques Callot
Bettlerin von Jacques Callot
KK

So bildete in der frühen Neuzeit das Gesinde in der Steiermark den größten Teil der besitzlosen Unterschicht, wobei die Mägde und Knechte aus ganz unterschiedlichen sozialen Verhältnissen kamen. Sie waren Kinder von Dienstboten, Inwohnern oder Keuschlern, aber auch Töchter und Söhne von Bauern. Es kam daher damals häufig vor, dass der Dienst als Magd oder Knecht nur eine Durchgangsphase bis zur Eheschließung oder einer sozialen Verbesserung war. Erst im 19. Jahrhundert wurde das Dienstbotendasein zu einer Lebensstellung, berichtet Elke Hammer-Luza in einem Kapitel des Buches. Die Zeiten waren damals sehr hart. Bei finanzieller Not gab man seine Kinder schon ab dem achten Lebensjahr in den Dienst. Gearbeitet wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sechs Tage die Woche, einen Urlaubsanspruch gab es nicht. Auch mit der Unterbringung der Dienstboten war es schlecht bestellt, zumeist schliefen sie im Stall, wo es wenigstens warm war, oder in zugigen Scheunen. Zum Frühstück aß man Mehlsuppe mit eingeschnittenem Brot, am Abend „türkisches Koch“ mit saurer Milch, Rüben oder Salat. Der magere Barlohn von ein paar Gulden wurde am Ende des Dienstjahres ausbezahlt, dabei gab es aber große Unterschiede. So verdiente im Markt Aussee im Jahr 1762 eine Magd pro Jahr 3 bis 4 Gulden, ein Knecht jedoch mindestens 10 bis 12 Gulden. Man sieht, bei der Ungleichheit der Bezahlung hat der Aufholbedarf eine lange Tradition. Von diesem sehr bescheidenen Verdienst konnte natürlich niemand Reserven für Notfälle oder gar eine Altersvorsorge anlegen. Auch eine Eheschließung war unmöglich, da Grundherrschaft und später die Gemeinde dabei zustimmen mussten. Und wenn die wirtschaftliche Basis für eine Ehe fehlte, gab es keine Zustimmung, weil die Obrigkeit fürchtete, dass sie über kurz oder lang das Paar erhalten müsste. Also war das Gesinde in der Regel unverheiratet. Die Folge: Ein enormer Anstieg der Lediggeburten im 18. und frühen 19. Jahrhundert - in der Oststeiermark auf bis zu 30 Prozent. Knechte hatten wenigstens theoretisch die Möglichkeit, ein Handwerk zu erlernen. „Doch selbst dieses bewahrte sie nicht vor Besitzlosigkeit und einem Leben am unteren Rand der Gesellschaft“, schreibt die Autorin. Besonders arg ging es im Baugewerbe zu, da man da im Sommer und im Winter unterschiedlichen Beschäftigungen nachgehen musste, um zu überleben, wie folgendes Beispiel belegt. „Der in Mariazell 1788 wegen Bettelns aufgegriffene Maurer Joseph Kervellner erzählte etwa, dass er sich während der Wintermonate nach Möglichkeit als Tagwerker mit dem Dreschen von Getreide über Wasser hielt.“

Am Land hatten viele Handwerker keinen festen Wohnsitz und zogen als Schneider oder Schuster von Bauernhof zu Bauernhof, um für Nahrung, Unterkunft und wenig Geld zu arbeiten. Wenn so ein Handwerker eine Familie gründen wollte, wurde es ganz schwierig, den Lebensunterhalt für alle zu finanzieren. Oft blieb nur das Betteln aus Ausweg. „Maria Krois erzählte, dass ihr Mann zu Radkersburg drei Jahre lang das Schmiedehandwerk erlernt hatte; weil wir aber von seinem Lohne, nachdem wir Kinder erzeugt hatten, nicht mehr bestehen konnten, gingen wir wieder dem Betteln nach.“ Aber auch aller Fleiß half oft nicht, Rücklagen für Alter und Krankheit zu schaffen. Ein gewisser Adam Scherz hatte 33 Jahre lang als Schuhflicker in der Grazer Murvorstadt gearbeitet. „Nun war er alt, mehr krank als gesund und hatte überdies eine bettlägerige Ehefrau zu versorgen.“ In seiner Not musste der Mann 1783 um eine Armenhausportion ansuchen.

Information#

  • „Von den Ärmsten wissen wir nichts. Zur Geschichte der Armut in der Steiermark“ hrsg von der Caritas Graz-Seckau und der Historischen Landeskommission für Steiermark (Bd 74). Redigiert von Meinhard Brunner und Elke Hammer-Luza. Verlag Styria, Euro 29.90.
Erhältlich im Buchhandel und per Internet-Bestellung: caritas.stmk@styriabooks.at



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele