Was damals auf den Tisch kam#
Kochen und Essen anno dazumal: Vom ersten „Koch- und Arzney Buch“, das 1686 in Österreich gedruckt wurde, bis zum Bestseller der Katharina Prato und zum Sparherd: Sie alle sind Thema einer Ausstellung in der Landesbibliothek.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Äußerst üppig und in mehreren Gängen tafelten Adel und hohe Geistlichkeit in der Steiermark. „Weißbrot, Wildgerichte, ausländische Fischsorten und importierte Gewürze waren Charakteristika der Herrenküche“, heißt es in der „Geschichte der Stadt Graz“. Im 15. Jahrhundert schlemmten hier die feinen Herrschaften vorwiegend Speisen wie: Süßer Rahm über Nudeln gegossen und gezuckert, gemästeter Kapaun und Hühner in Saft, klein geschnittenes Kraut mit Speck, Ziegenbraten mit mehreren Hühnern, Karpfen in Suppe oder Krebsfleisch, in Butter herausgebacken und mit Zwiebeln serviert. Die einfache Bevölkerung ernährte sich hingegen von Getreidespeisen und Kraut. Nur die Bürger gönnten sich dazu regelmäßig Fleischspeisen, wobei damals so gut wie alles vom Schlachtvieh verarbeitet wurde - einschließlich der Eingeweide, Klauen und Köpfe.
Auch die Essenszeiten waren klar strukturiert: der einfache Bürger und Bauer aß üblicherweise um 12 Uhr zu Mittag, Beamte und Honoratioren nahmen ihre Speisen gegen 13 Uhr zu sich und der Adel erst um 14 oder gar 15 Uhr.
Für die feinen und wohlhabenden Gesellschaftsschichten war Essen immer schon mehr als bloße Nahrungsaufnahme gewesen. Vor allem im Barockzeitalter hatte es sehr viel mit Repräsentation zu tun. Aus dieser Zeit, in der man bei uns weder Erdäpfel, Paradeiser, Mais, Kürbis, Käferbohnen, Reis noch Kaffee oder Tee kannte, stammt das älteste in Österreich gedruckte Kochbuch, das 1686 unter dem Titel „Ein Koch- und Arzney Buch“ in Graz erschienen war. Erstmals wird jetzt das einzig erhaltene Original in der kleinen, aber feinen Ausstellung „Man nehme... Kochbücher und ihre Rezeption im Lauf der Jahrhunderte“ in der Steiermärkischen Landesbibliothek in Graz der Öffentlichkeit präsentiert - noch bis 20. November von Montag bis Freitag 9-17 Uhr bei freiem Eintritt.
Warum gerade aus Graz das erste Kochbuch Altösterreichs stammt, ist sicherlich in der geografischen Lage der Stadt zu suchen, erläutert Ulrike Habjan, Kuratorin der Ausstellung. „Venedig, das Handelszentrum für den Gewürz- und Südfrüchtehandel, war weniger weit entfernt als von Wien.“ Überdies erstarkte der Grazer Adel, als die Landeshauptstadt von 1564 bis 1619 Residenz war. Außerdem besaß Graz mit Georg Widmannstetter seit dem Jahr 1600 den einzigen Drucker in ganz Innerösterreich, da im Zuge der Gegenreformation alle protestantischen Drucker des Landes verwiesen worden waren. Zielpublikum dieses unscheinbaren Kochbuchs war der reiche Adel. Wie schon der Titel „Ein Koch- und Arzney Buch“ verrät, waren damals Ernährung, Kochen und Gesundheit eng miteinander verbunden. „Das entsprang der barocken Vorstellung, den Menschen als Ganzheit zu sehen“, so die Kuratorin. „Dieses Kochbuch ist eine Erinnerungshilfe für erfahrene Köchinnen und Köche mit teilweise ziemlich ungenauen Gewichtsangaben. Vieles wird als bekannt vorausgesetzt.“ Die Speisen war ausschließlich für adelige oder klösterliche Tafeln mit vielen Personen gedacht. Teure Lebensmittel, Südfrüchte und exotische Gewürze konnte sich der Durchschnittsbürger nicht leisten. Neben heute skurril anmutenden Rezepten wie „Ein Biberschweif zu kochen“, finden wir auch Vorläufer immer noch beliebter Speisen wie „Rindern Lung“ (Faschierter Braten), „Ferchen schön blau abzusieden“ (Forelle blau) oder „Schmaltzkoch“ (Kaiserschmarren). Und auch das erste in Österreich gedruckte Rezept für das Backhendl findet sich hier als „Bachene Hüner und Dauben“. Zehn Jahre später übernahm Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein, verheiratete Fürstin von Eggenberg, dieses Kochbuch fast wortwörtlich in ihrem Arznei- und Kochbuch „Der Freywillig aufgesprungene Granat-Apffel des christlichen Samariters“. „So unscheinbar das erste Kochbuch ist, so prachtvoll verziert ist das Titelblatt dieses Kochbuches“, schwärmt Ulrike Habjan. Bis ins 19. Jahrhundert folgten weitere steirische Kochbücher, die sich alle an adelige und großbürgerliche Haushalte richteten, in denen es kochkundige Personen gab und vor allem auch solche, die des Lesens mächtig waren.
Bis etwa1850 hatte sich in unseren Städten der heute fast vergessene Sparherd mit Backrohr durchgesetzt, der eine echte Küchenrevolution bedeutete. Zur selben Zeit bildete sich auch die Kleinfamilie heraus, die sich kaum Personal leisten konnte. Jetzt mussten sogar Töchter aus der besseren Gesellschaft zum Kochlöffel greifen - doch sie hatten vom Kochen keine Ahnung. In diese Marktlücke stieß die Grazerin Katharina Pratobevera und schrieb 1858 unter ihrem Pseudonym Katharina Prato „Die süddeutsche Küche“, das erste praxisnahe Kochbuch, das für unerfahrene Köchinnen gedacht war und jeden Schritt exakt beschrieb. Ein Bestseller, der in 16 Sprachen übersetzt wurde und bis 1957 über 80 Auflagen erlebte. Die Prato war eine sehr praktische moderne Frau, die in jede neue Auflage die aktuellen internationalen Trends aufnahm. So machte sie den 5-Uhr-Tee bei uns salonfähig, erklärte die Kunst des Kaffeeröstens und erklärte das 1876 in Österreich neu eingeführte metrische System. Heute noch ein geflügeltes Wort ist ihre Wendung „Man nehme...“
Weiterführendes#
- Engele, R.: Die Prato schreibt einen Bestseller (Essay)
- Katharina Prato: Die Süddeutsche Kücheauf ihrem gegenwärtigen StandpunkteKatharina PratoU. Leykam's ErbenGraz1858
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