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Zorro schreckt die Weststeiermark#

Am 2. November 1953 ritt ein 20-jähriger Landarbeiter als Zorro verkleidet und schwer bewaffnet Richtung Glashütten. Dort wurde er von Gendarmen gestellt und erschossen, als er zur Waffe griff.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung (28. Oktober 2018)


Filmplakat zu 'The Mark of Zorro' mit Douglas Fairbanks in der Titelrolle (1920) APA
Filmplakat zu "The Mark of Zorro" mit Douglas Fairbanks in der Titelrolle (1920)
Foto: APA

Am 31. Oktober 1953, gegen 10.30 Uhr, meldete der südsteirische Gendarmerieposten Pölfingbrunn dem Bezirkskommando Deutschlandsberg, dass in der Gegend von St. Ulrich im Greith ein schwer bewaffneter Reiter in seltsamem Kostüm gesehen worden sei - wahrscheinlich ein „Titosoldat“. Schnell stellte sich heraus, dass es sich bei dem Reiter nicht um einen jugoslawischen Soldaten handelte, sondern um einen Zivilisten, der steirischen Dialekt sprach und Zeugen gegenüber behauptete, dass er den Mörder einer Engländerin suche. Die Zeugen vermeldeten auch, dass er wie die Filmfigur Zorro gekleidet wäre. Rätsel über Rätsel. Die Gendarmerie nahm die Verfolgung des Unbekannten auf, verlor aber seine Spur, weil dieser querfeldein und durch die Wälder ritt. Immer wieder wurde er von Zeugen gesichtet, weil er bei Bauern und in Gasthäusern Most und Zigaretten einforderte.

Inzwischen hatte man aber herausgefunden, wer der Bursche war - der 20-jährige Landarbeiter „Alois S., der uneheliche Sohn einer Winzerin, war bereits vorbestraft und besaß einen schlechten Leumund“, wie die Tagespost am 3. November schrieb. Außerdem sei er ein Fan von Westernfilmen und den damals so beliebten „Schundheftln“. In Schloßberg bei Leutschach hat er dem Besitzer Franz Beitler vulgo Riegelweber, bei dem er einmal gearbeitet hatte, eine wertvolle Zuchtstute aus dem unversperrten Stall entwendet, schreibt die Tagespost weiter. In Wuggau stahl er das Sattelzeug seines Dienstgebers, holte aus einem Versteck einen Wehrmachtskarabiner, eine Pistole und einen scharfgeschliffenen Dolch. „Dann kostümierte er sich mit einer in Blau umgefärbten, alten Wehrmachtsbluse und setzte einen schwarzen cowboyartigen Hut auf. Auch band er sich ein rotes Halstuch um, hängte sich einen Munitionsgurt mit 80 Patronen über die Schulter und schnallte den zweiten um die Hüften... Schon die äußere Aufmachung beweist, daß ihm die Gestalten gewisser Filme ein Vorbild waren.“

So kennt man Zorro - mit Maske und Peitsche APA
So kennt man Zorro - mit Maske und Peitsche
Foto: APA

Dann tauchte ein holpriger Brief an seine Mutter auf, in dem er von einer großen Reise berichtete, von der er nicht zurückkehren würde: „Ich werde so weid gehen bies ich Tod bien... sol einer zu mir sprechen den werde abknaln.“ Als die Gendarmen auch noch die Patrone einer russischen Maschinenpistole fanden, läuteten bei ihnen alle Alarmglocken. Am 2. November brachen neun Gendarmeriebeamte vom Bergdorf Glashütten auf, da Alois S. dort von Holzarbeitern gesehen worden war. Man vermutete, dass er auf einem Pfad über die Koralpe nach Kärnten und weiter nach Italien reiten wollte. Dichter Nebel hüllte die Landschaft ein und die Gendarmen bildeten drei Suchtrupps, vier von ihnen verfolgten die Pferdespur. Da tauchte plötzlich hinter einem kleinen Waldstück der gesuchte Reiter direkt vor ihnen auf und galoppierte auf sie zu. Den Ruf „Halt, Gendarmerie!“ ignorierte er und hob seinen Karabiner. Zwei Gendarmen feuerten auf S. Als der Getroffene vom Pferd stürzte, soll er höhnisch gelacht haben, gab ein Gendarm später zu Protokoll. Als die Beamten sich dem Mann im Zorro-Kostüm näherten, richtete er seine Pistole auf sie. Die drei Gendarmen schossen gleichzeitig, ein Kopf- und ein Brustschuss töteten S. sofort.

Der Ritt des Alois S. und sein filmreifes Gehabe nach dem Vorbild der Zorro-Filme und Hefte erregte großes Aufsehen Die Medien überschlugen sich mit Schlagzeilen wie „Durch Schundbüchel ins Grab gebracht“, „Cowboy wurde von Gendarmen erschossen“ oder „Tod auf dem gestohlenen Pferd“. „Der Vorfall traf den Nerv der Zeit“ im Kampf gegen Schmutz und Schund, schreibt die Medienwissenschafterin Edith Blaschitz in einem Artikel über diesen Fall, der 2012 in der Wiener Zeitung abgedruckt wurde. Denn seit 1950 war bereits ein eigenes „Schmutz und Schund“-Gesetz in Kraft, das die durch Krieg und NS-Kriegsverherrlichung verrohte Jugend wieder „zivilisieren“ sollte. Die Polizei kontrollierte damals die Kinos und 1956 unterschrieb geschätzt eine Million Österreicher eine Petition gegen „Schmutz und Schund“. Ab 1960 ebbte die Säuberungswelle wieder ab - und der Fall des steirischen Cowboys Alois S. geriet in Vergessenheit.


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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele

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