Thonet, Michael#
* 2. 7. 1796, Boppard, Deutschland
† 3. 3. 1871, Wien
Erfinder, Möbeltischler
Michael Thonet wurde am 2. Juli 1796 in Boppard am Rhein nahe bei Koblenz als Sohn eines Gerbers geboren.
Er erlernte das Tischlerhandwerk und machte sich 1819 als Möbeltischler mit einem eigenen Betrieb selbständig.
1820 heiratete Michael Thonet Anna Grahns. Die beiden bekamen 13 Kinder, von denen acht im Kleinkindalter starben. Die fünf überlebenden Kinder waren alles Söhne.
Ab dem Jahr 1830 stellte er spezielle Versuche an und beschäftigte sich mit der Erzeugung gebogener Möbelbestandteile. Schon vor Thonet versuchten viele Tischler, Holz zu biegen; auch Josef Ressel beschäftigte sich damit. Gebogenes Holz wurde zur Herstellung von Rädern, Schiffsbaubestandteilen und Wendeltreppen benötigt.
Thonet entwickelte ein Verfahren, bei dem mehrere Holzlagen - Furnierstreifen gleicher Breite - in flüssigem Leim gekocht und dann in einer Biegeform in die gewünschte Gestalt gebracht und getrocknet wurden. Ursprünglich erfolgte die Biegung in einer Ebene, doch konnten schon leicht schraubenförmig gebogene Teile erreicht werden. Schon die ersten Prototypen brachten Thonet den gewünschten Erfolg, und es entstand eine rege Nachfrage nach diesen neuartigen Möbelstücken.
Er ließ seine Erfindung in England, Frankreich und Belgien patentieren. 1841 stellte er seine Schichtholzstühle in Koblenz aus, wo sie auch der österreichische Kanzler, Fürst Metternich, der aus Koblenz stammte, sah und begeistert war. Dieser empfahl Thonet, nach Wien zu gehen.
Mit Metternichs Unterstürzung zog Thonet nach Wien und erhielt hier von der k. k. allgemeinen Hofkammer das Privileg, "Holz in beliebige Formen und Schweifungen zu biegen", 1842 folgten seine Frau und seine 5 Söhne nach.
Von 1843 bis 1846 arbeitete Michael Thonet mit seinen Söhnen bei dem Parketthersteller Carl Leistler und schuf prachtvolle Parkettfußböden und Sessel für das Palais Liechtenstein. Bis 1849 arbeitete er bei dem Tischlermeister Franz List in der Mariahilfer Straße in Wien. Der englische Architekt P H. Desvignes ermöglichte Thonet durch finanzielle Unterstützung die Gründung einer eigenen Werkstätte, die er mit seinen Söhnen Hans, Michael, August und Josef in der Gumpendorfer Straße 74 betrieb.
Sie fertigten Bugholzmöbel. Da aber andere Tischler das Bugholzverfahren kopierten, begann Michael Thonet damit, seine Sitzmöbel an der Unterseite der Sitzfläche mit einem Prägestempel zu kennzeichnen. Der "Sessel Nr. 1" von 1849 entstand für das Gartenpalais des Fürsten Schwarzenberg. Es war eine revolutionäre und neuartige Stuhlbauweise: nicht nur, dass die Stühle aus Bugholz gefertigt waren, die Einzelteile waren Fertigteile, die im Baukastenprinzip auch mit Teilen anderer Modelle kombiniert werden konnten. Damit schuf Michael Thonet bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die Grundlage für die Typenmöbel und die spätere industrielle Serienproduktion. Außerdem konnten die Möbel sehr preiswert produziert und verkauft werden. Das Cafe Daum (Kohlmarkt 6, Wallnerstraße 2 - an dieser Stelle befand sich später das Geschäftslokal der Gebrüder Thonet) bestellte die ersten Sessel. Dann richtete Thonet das Hotel „Zur Königin von Ungarn" in Budapest ein. 1851 wurden seine Möbel (Sessel, Tische, Sitzbänke, Schaukelstühle und dgl.) unter der Bezeichnung "Vienna Bentwood Chairs" auf der Londoner Weltausstellung (der ersten ihrer Art) mit großem Erfolg gezeigt.
Das Biegeverfahren wurde inzwischen weiterentwickelt, sodass auch nach Raumbogen gebogene Bestandteile hergestellt werden konnten. In einem zweiten Verfahren wurden die einmal schon gebogenen Furnierhölzer, gleichlaufend zur Ebene des Bogens, in schmale Streifen zerschnitten und diese nochmals nach der erwünschten Form im gleichen Verfahren behandelt. Um die Produktion zu vereinfachen, ging man dazu über, starke Furnierstreifen in siedendem Wasser zu kochen, sie dann zu biegen, in Trockenkammern zu trocknen und diese nachher im erwärmten Zustand mit Leim zu bestreichen und in die endgültige Form zu pressen.
1852 richtete Michael Thonet eine Verkaufsniederlage im Palais Montenuevo (Wien 1, Strauchgasse 1) ein und mietete vom Wiener Maler Friedrich von Amerling die Mollardmühle in Gumpendorf samt Wohnhaus und Nebengebäuden.
Da die Erzeugung gesteigert werden musste, folgte die Schaffung des protokollierten Unternehmens „Gebrüder Thonet" – 1853 hatte Thonet das Geschäft seinen Söhnen übertragen, wobei er weiterhin die Vertretung des jüngsten, noch minderjährigen Sohnes übernahm.
1855 erzielten die Fa. Gebr. Thonet die Silbermedaille bei der Pariser Weltausstellung.
1856 kam es zur Gründung einer Fabrik in Koritschan (Mähren) und 1861 zu einer weiteren in Bistritz (Mähren).
1859 entstand der "Sessel Nr. 14", der heute als "Wiener Kaffeehausstuhl" berühmt ist - bis 1930 wurde er 50 Millionen Mal verkauft - er gilt als meistgebauter Stuhl der Welt und Inbegriff des modernen Massenkonsumartikels.
1865 wurde die Waldherrschaft Groß-Ugröc in Ungarn gekauft. Dort entstanden ein Sägewerk und eine Biegerei. 1867 richtete man in Hallenkau und Saybusch (Galizien) Werkstätten zur Herstellung von Möbelstäben ein.
1860 konstruierte Thonet das Thonetsche Rad, dessen Metallnabe das Auswechseln zerbrochener Speichen ermöglichte. Thonet war es gegönnt, seine Erfindung voll auszunutzen und seine Söhne zu Inhabern eines Großunternehmens zu machen.
1867 erzielte die Firma Gebrüder Thonet mit diesem Entwurf bei der Weltausstellung in Paris eine Goldmedaille. Mit wachsendem Erfolg wurden auch Adel und der kaiserliche Hof beliefert. Die Gebrüder Thonet wurden zu k.u.k. Hoflieferanten ernannt.
Als Thonet am 3. März 1871 starb, zählte das Unternehmen zusammen mit den vier Fabriken 18 Arbeitsfilialen und Verkaufsniederlassungen in fast allen Metropolen Europas, in Russland und in den USA mit etwa 4000 Arbeitnehmern.
Seine erste Grabstätte war auf dem Friedhof Sankt Marx in Wien. Später wurde Thonet umgebettet in die Familiengruft auf den Wiener Zentralfriedhof.
Ab 1900 fanden Bugholzmöbel auch in öffentlichen Einrichtungen (unter anderem in Wien im Café Museum von A. Loos und in der Postsparkasse von O. Wagner) große Verbreitung. Durch Fusion mit anderen Firmen (Thonet-Mundus-Konzern, bis 1939) entstand einer der größten Möbelkonzerne der Welt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Thonet Mundus AG wieder in nationale Einzelunternehmen aufgeteilt.
Nach 1945 produzierten die Firmen Thonet Frères in Frankreich, Thonet Industries in den USA, Thonet Frankenberg in der BRD und Thonet Vienna unabhängig voneinander. Ab 1996 befand sich Thonet Vienna im Besitz der Faliie Mellinghoff, Bad Homburg (D), 2001 wurde die Firma „Gebrüder Thonet Vienna“ vom italienischen Konzern Poltrona Frau übernommen.
Die ehemalige Produktionsstätte in Friedberg in der Steiermark ist heute ein Thonet-Museum.
Anlässlich seines 100. Geburtstags verfasste einer von Thonets Söhnen eine Gedenkschrift, in der er meinte: „Michael Thonet hatte in erster Linie die Absicht, sich auf die Fabrication von Möbel aus gebogenen Holze zu werfen und namentlich solcher, für welche ein großer Absatz zu erzielen war. Die erste Sesselform, welche er in dieser Absicht entwarf und ausführte, war – wenn auch in etwas anderer Form - jene Type, welche noch heute als Sessel Nr. 4. des Thonetschen Möbelalbums erzeugt wird. Bei diesem Sessel wurde die Rückenlehne aus vier und der Sitzrahmen aus fünf Holzdicken gebogen. Das Verfahren war hierbei folgendes: Die Holztheile wurden in siedendem Wasser gekocht, in Formen gebogen und getrocknet; schließlich wurden die einzelnen Fourniere zu completen Sesseltheilen zusammengeleimt."
Weiterführendes#
- Bugholzmöbel – Michael Thonet (Sonderpostmarke)
- Historische Bilder zu Michael Thonet (IMAGNO)
- Bugholzmöbel im Buch: Das 1x1 der Möbelantiquitäten
Literatur#
- A. Bangert, Thonet-Möbel - die Geschichte einer großen Erfindung, 1981
- K. Mang, Thonet-Bugholzmöbel, 1982
- A. von Vegesack, Das Thonet-Buch, 1987
- A. Bangert und P. Ellenberg, Thonet-Möbel - Bugholz-Klassiker von 1830-1930, 1993.
Quellen#
- AEIOU
- michael.thonet.de
- Museum der Stadt Boppard
- Österreichs große Erfinder: ihr Leben, ihre Arbeiten, ihre Schicksale. Heinz Jankowsky, Verlag Styria (2000), 240 S.
Redaktion: I. Schinnerl