Ein Berg wird zum Naturdenkmal#
Unesco erklärt Japans Fuji zum Welterbe#
Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 25. Juni 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt
Von
WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke
Schon jetzt ist der Dreitausender der meistbesuchte Gipfel der Welt.#
Tokio. Vier Euro für einen halben Liter Wasser ist ein stolzer Preis, selbst in Japan. Aber wohl nirgendwo ist das erfrischende Nass so teuer wie auf dem höchsten Punkt des Landes. Fünf Mal mehr als sonst muss der Durstige dafür berappen, der es auf über 3000 Meter zu einer der Berghütten auf der achten Station geschafft hat. Dann sind es nur noch 776 Höhenmeter bis zum Gipfel von Japans berühmtestem Berg, dem Fuji. Im Ausland gerne Fuji-yama (Berg Fuji) genannt, sprechen die Japaner ehrfürchtig vom Fuji-san.
Im April wurde er für das Unesco-Weltkulturerbe vorgeschlagen; 13 solcher Stätten hat Japan bereits. Vergangene Woche beriet das Unesco-Komitee in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh über die Neuzugänge zum Weltnatur- und Weltkulturerbe. Am Wochenende wurde der als heilig verehrte Berg als "Weltkulturerbe" anerkannt. Auf seinem über 70.000 Hektar großen Gebiet stehen acht Schreine der japanischen Naturreligion Shinto.
Einmal "muss" jeder Japaner diesen Symbolberg erklimmen. Ein Sprichwort sagt: "Wer den Fuji einmal besteigt, ist weise, wer ihn zweimal besteigt, ein Dummkopf." Der Dichter muss selbst einmal probiert haben, über das scharfe, lose Vulkangestein den kargen Kegel emporzukraxeln. Viele sagen danach: "Lieber genießen wir ihn von der Ferne!" Besonders hübsch ist der Fuji, wenn er sich in den umliegenden Seen spiegelt, die sich bei seiner Entstehung vor 10.000 Jahren auf einem noch älteren Vulkan füllten. An klaren Tagen ist er bis in die Hauptstadt Tokio 100 Kilometer sichtbar, aber nur an etwa 65 Tagen im Jahr. Im Winter zeigt sich der schüchterne Riese fast den halben Monat, im Sommer lugt er nur zwei Tage unter einer dicken Wolkendecke hervor.
Was viele vergessen: Der Fuji ist ein aktiver Strato-Vulkan, der jederzeit ausbrechen könnte. Seismologen und Vulkanologen warnen regelmäßig vor der Gefahr. Dennoch konnten sich die Provinzen Yamanashi und Shizuoka, auf deren Gebiet er liegt, erst kürzlich dazu durchringen, detaillierte Evakuierungspläne zu machen. Sie wollten die Touristen nicht erschrecken. Als der Vulkan 1707 zuletzt ausbrach, regnete es zwei Wochen lang Asche zentimeterdick auf Tokio.
Andere Überbleibsel seiner Aktivität befinden sich am Fuße des Berges. Dort bildeten sich unter der erstarrten Lava mehrere Eishöhlen. Sie wurden traditionell als Kühlschränke benutzt. Kameralinsen und Brillengläser beschlagen beim Wiederaufstieg sofort.
Die meisten Bergsteiger zieht es jedoch ohne Umwege zu einer von mehreren Aufstiegsrouten. Die beliebteste ist der "Yoshida Guchi Pfad". Er beginnt in der Stadt Fujiyoshida, wo am 1. Juli die zweimonatige offizielle Klettersaison mit einem Feuerfestival feierlich eröffnet wird, bei dem selbst die sonst so auf Sicherheit versessenen Japaner das Ganze nicht so eng sehen. Dann werden entlang einer ansteigenden Straße mehrere Meter hohe Türme aus Holz aufgeschichtet und inmitten der Menschenmenge mit langen schweren Fackeln angezündet. Auch eine etwas kitschige Miniatur des Fuji wird vom "Fuji Sengen"-Schrein durch die Stadt getragen.
200.000 Menschen - 60 Prozent aller Besucher pro Jahr - folgen dem "Yoshida Guchi Pfad". Die Mehrzahl von ihnen steigt jedoch erst an der fünften Station auf 2300 Höhenmetern ein, an der Baumgrenze. Bis dorthin verkehren Busse. Bleiben immer noch 1500 Höhenmeter oder sechs Kilometer bis zum Gipfel.
Auch wenn Jung bis Alt den Berg besteigt - ganz ohne ist er nicht. Jedes Jahr unterschätzen Wanderer ihre Kräfte und müssen gerettet werden. Und jedes Jahr sterben mehrere Menschen am Fuji, vor allem, wenn sie sich im Winter hinaufwagen, wenn der Kegel zur Eisbahn wird. Ein falscher Tritt, und bis unten gibt es nichts mehr, das den Rutsch aufhält. Sogar im Sommer gab es Todesfälle, als nach plötzlichen Wetterumschwüngen Touristen am Gipfel erfroren. Im Juli hat es dort oben gerade fünf Grad Celsius. Das Spektrum reicht von minus 38 Grad bis plus 18 Grad.
Aufstieg ohne Rückkehr im alten Nippon#
Vor hunderten von Jahren, als Pilger versuchten, zum Gipfel des heiligen Berges zu kommen, stellten sie sich gar auf eine Reise ohne Wiederkehr ein. Sie fasteten zehn Tage vor dem Aufbruch, zogen weiße Gewänder an, in die sie fest eingewickelt wurden. Keine Chance, so aufs Klo zu gehen! Aber nach dem langen Fasten war das ohnehin nicht nötig. Ein Mönch soll der Legende nach einen Monat lang durchgehend am Gipfel gebetet haben, bis er dort starb.
Frauen dürfen übrigens erst seit der Meiji-Zeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf den heiligen Berg steigen. Sie galten in der Shinto-Religion wegen der Menstruation als unrein.
Japaner besteigen den Berg nicht selten mit kleinen Dosen Sauerstoff im Gepäck. Dafür werden sie von Ausländern gerne belächelt - die sich ab 3000 Metern selbst ein paar Züge davon wünschen. 30 Prozent der Bergsteiger seien Ausländer, schreibt die Stadt Fujiyoshida auf ihrer Website. Der Fuji sei der am häufigsten bestiegene Berg der Welt. In der Hochsaison Anfang August drängen sich schon einmal an die 8000 Besucher auf den Berg. Wer wie die meisten den Sonnenaufgang sehen will, muss sich zum Gipfelsturm anstellen. Um auf dem Weg zu rasten, gibt es auf der achten Station auf über 3000 Metern, wenn die Luft schon fühlbar dünner wird, der Atem schwerer geht und auf einmal die Beine ganz langsam werden, einfache Hütten für eine kurze Übernachtung. Schlafen kann dort aber nur, wer sich auch als Ölsardine wohlfühlt.
Moderate Eintrittsgebühr trotz Massenansturms#
Die Präfekturen Yamanshi und Shizuoka wollen diesen Sommer die Einführung von Gebühren testen, um die Zahl der Kletterer zu reduzieren. Sie sorgen sich, dass die Natur dort noch mehr geschädigt werden könnte. Der japanische Nachrichtensender NHK berichtete, dass derzeit eine Gebühr von 1000 Yen (8 Euro) geplant sei. Denn durch die Ernennung zum Welterbe erwarten die Behörden einen weiteren Anstieg der Besucher. Professor Koichi Kuriyama von der Universität Kyoto berechnete anhand statistischer Modelle, dass der Preis jedoch sieben Mal höher sein müsste, um den Ansturm auf gegenwärtigem Niveau zu halten. 1000 Yen würden gerade fünf Prozent abschrecken. Zum Vergleich: Busunternehmen bieten die gesamte Tour von Tokio aus mit Bergführung ab 10.000 Yen (80 Euro) an. Dabei wäre der Fuji noch ein Schnäppchen: Eine Besteigung des Mont Blanc kostet mehrere tausend Euro, der Mount Everest verlangt ein Budget von bis zu 75.000 Euro.