Umweltschutz auf Amerikanisch #
Bei den Nationalparks endet die Einigkeit in der US-Bevölkerung.#
Von der Wiener Zeitung (22. November 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Martin Weiss
Darüber, ob die UN-Klimakonferenz COP26 als Erfolg oder Misserfolg zu werten ist, lässt sich trefflich streiten. Was die USA betrifft, so waren ihre Vertreter bei der COP26 Konferenz jedenfalls unübersehbar. Neben Präsident Joe Biden und seinem Klimabeauftragten John Kerry nahmen insgesamt 13 hochrangige US-Regierungsvertreter teil. Ob der US-Klimaansatz nun ehrgeizig genug war oder nicht - den Vorwurf, die COP26 nicht ernst genug genommen zu haben, müssen sich die USA nicht gefallen lassen. Wie steht es aber um die Haltung der US-Bevölkerung zu Umwelt und Klima im Allgemeinen? Auf welche innenpolitischen Stimmungen und Einstellungen müssen US-Politiker in Sachen Klimaschutz und Umweltfragen Rücksicht nehmen?
In kaum einer anderen Frage gibt es in den USA mehr Übereinstimmung als bei den eigenen Nationalparks. Weit über alle Parteigrenzen hinweg sind sich laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019, als der Grand Canyon Nationalpark seinen 100. Geburtstag feierte, 67 Prozent aller US-Bürger darüber einig, dass die Erhaltung der Nationalparks von größter Bedeutung ist. Ein Drittel hat den Grand Canyon bereits besucht, ein weiteres Drittel möchte unbedingt "schon bald" dorthin.
Umstrittenes Fracking#
Daneben gibt es noch 62 weitere US-Nationalparks (Yosemite/Kalifornien, Everglades/Florida, Glacier/Montana, Grand Teton/Wyoming etc.), und selbst Ex-Präsident Donald Trump - sonst nicht gerade als Pionier des Umweltaktivismus bekannt - hat in seiner Amtszeit einen neuen Nationalpark eingerichtet: den Indiana Dunes National Park am Lake Michigan. Die USA können mit Fug und Recht von sich behaupten, ein Nationalparksystem erfunden zu haben, das weltweit vielen Staaten als Vorbild diente.
Bei der Erhaltung und Einrichtung der eigenen Nationalparks endet der nationale, parteiübergreifende Konsens aber auch schon wieder. So wird etwa die aufgrund von Umweltüberlegungen bedenkliche Erdgasgewinnung durch Hydraulic Fracking - die Technologie, mit Hilfe derer die USA innerhalb von nur zwei Jahrzehnten vom Energieimporteur zum Selbstversorger und Exporteur wurden - von Demokraten und Republikanern weitgehend unterschiedlich bewertet.
Zwar ist die Unterstützung der US-Bevölkerung für das Fracking seit Jahren im Sinken begriffen - laut einer Umfrage aus dem Jahr 2020 sehen es die US-Bürger heute mit 44 Prozent zu 35 Prozent kritisch -, doch wird das Fracking etwa in Pennsylvania, dem Bundesstaat mit den wohl größten US-Erdgasreserven, nach wie vor von 70 Prozent aller Republikaner befürwortet, von 66 Prozent der Demokraten hingegen abgelehnt. Auch in anderen traditionell republikanischen Staaten mit potenziell großen Gasvorhaben wie North und South Dakota, Montana, Texas und Utah wird das Fracking befürwortet, im demokratischen New York oder in Kalifornien wiederum vehement abgelehnt.
Ältere vs. Millennials#
Derartige parteipolitische Unterschiede ziehen sich auch durch andere umweltpolitische Fragestellungen: "Sollte der Umweltschutz eine Top-Priorität der US-Politik sein?" Für 85 Prozent aller Demokraten ist dies laut einer aktuellen Umfrage der Fall, aber nur für 39 Prozent aller Republikaner. "Sollten die USA strengere Umweltstandards verhängen?" Das bejahen 81 Prozent aller Demokraten, aber nur 45 Prozent aller Republikaner.
Ein interessantes Detail ist dabei ein Bruch, der sich offenbar durch die Generationen zieht: Demokratische Wähler aller Generationen sind sich darin einig, dass die diversen US-Regierungen über die Jahre hinweg (zu) wenig für einen effektiven Umweltschutz unternommen haben. Bei den republikanischen Wählern deutet sich hier allmählich ein Generationenwechsel an: Dieser Kritik stimmen nur 31 Prozent der älteren Republikaner, aber bereits 52 Prozent der republikanischen Millennials (nach 1981 geboren) zu. Dieser Trend setzt sich bei den Republikanern der Generation Z (nach 1997 geboren) offenbar fort: 78 Prozent sehen in der Entwicklung alternativer Energien eine Priorität für die USA - eine Meinung, die nur 53 Prozent der älteren Republikaner teilen.
"Sauberer" Atomstrom#
Die Mehrheit der AKW in den USA nähert sich dem Ende ihrer Laufzeit, in den vergangenen 20 Jahren wurde in den USA nur ein einziger neuer Reaktor errichtet. Wie geht es also in den USA mit der Atomenergie weiter? Nach wie vor sind sie mit 94 aktiven Reaktoren in 28 Bundesstaaten der weltweit größte Produzent von Atomstrom. Der Enthusiasmus für den Atomstrom hat sich aber in den USA nach dem schweren Reaktorunfall in Three Mile Island im Jahr 1979 merklich abgekühlt. Neben einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit spielen dabei auch die Kosten des Atomstroms eine entscheidende Rolle.
Das neue Zauberwort heißt nun SMRs - Small Modular Reactors. Deutlich kleiner als traditionelle AKW können sie billiger und schneller errichtet werden und so flexibler auf den künftigen Energiebedarf reagieren. Denn wenn in der erneuerbaren Energiezukunft der Wind einmal nicht weht oder die Sonne nicht scheint, braucht ja das Stromnetz dennoch von irgendwoher eine stabile Stromzufuhr.
Aber auch hier gibt es Grenzen des Machbaren: Ein Pilotprojekt der US-Firma NuScale zur Errichtung von zwölf SMRs hat sich zuletzt trotz Unterstützung durch das US-Energieministerium massiv verzögert. Vor dem Jahr 2030 wird das Projekt wohl nicht vollendet werden können, die Kosten dafür sind zuletzt von 4,2 Milliarden auf 6,1 Milliarden Dollar explodiert. Diverse Energieeinsparungsmaßnahmen kombiniert mit neuen Batterietechnologien könnten da vielleicht attraktivere Zukunftsmodelle bieten als die Atomkraft mit all ihren inhärenten und nach wie vor ungelösten Problemen (Stichwort: Endlager).
Fehlende Umweltdaten#
Die US-Eliteuniversitäten Yale und Columbia haben im Jahr 2020 einen Umweltleistungsindex erstellt. 180 Staaten der Welt wurden darin anhand von 32 Leistungsindikatoren gereiht. Dänemark führte das Ranking an, die USA reihten sich am Ende der entwickelten Nationen der Welt ein. Abfallmanagement und Gewässerschutz sind und bleiben in den USA ein großes Problem. Es gibt dort keinen Überblick darüber, welcher Prozentsatz an Abwässern entsprechend behandelt wird, bevor er wieder in die Umwelt gelangt. Und was das US-Abfallmanagement betrifft, hat nicht einmal die Umweltagentur EPA (Environmental Protection Agency) einen Überblick darüber, welcher Prozentsatz an Müll USA-weit wiederverwertet, verbrannt oder in Deponien gelagert wird. Da gibt es noch Luft nach oben.
Bidens Administration hat sich jedoch zum Thema Umweltschutz viel vorgenommen, und die öffentliche Meinung in den USA scheint sich zunehmend in Richtung Umweltfreundlichkeit zu verschieben. Wie hieß es in der legendären Werbung des US-Ölkonzerns Esso in den 1980ern? Es gibt viel zu tun, packen wir’s an.