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Freskenhaus in Trofaiach#


Von

Hasso Hohmann (Juni 2019)


Im obersteirischen Trofaiach war ich zwischen 1978 und 1995 Ortsbild-Sachverständiger. Ende 1979 sagte mir der Bauamtsleiter Rudolf Dürr, dass ein älteres Bauwerk am Nordwestende des Rossmarktes im historischen Kern der Gemeinde abgetragen werden solle; er brauche von mir daher eine positive Stellungnahme zum Abbruchansuchen. Das Objekt hat die Adresse “Am Rossmarkt 1“ und war schon länger unbewohnt. Es steht direkt am Ostufer des Vordernberger-Baches und lag deutlich tiefer als die anderen Bauten des Rossmarktes. Zum Haupteingang des Erdgeschosses gelangte man über mehrere Stufen unter das Niveau des Platzes. Durch die eingetiefte Lage war der Bau relativ feucht. Nach Meinung der Baubehörde war das Objekt reif für den Abbruch. Außerdem wollte man so am Rossmarkt Raum für eine Reihe PKW-Abstellplätze gewinnen.

Ich hatte knapp vorher im Rahmen der Erstellung eines Ortsbildkonzeptes eine Fotodokumentation von allen Fassaden sämtlicher im Ortsbildschutzgebiet von Trofaiach stehender Bauten durchgeführt. Ursprünglich wollte ich einen Ausschnitt dieses Fotoarchivs etwas vergrößern und damit einen Wettbewerb über die Gemeinde ausschreiben. Es hätte darum gehen sollen, wer die meisten der ausgesuchten Fotos der Rückseiten von Häusern in einer bestimmten Zeit identifizieren und Adressen zuordnen kann. Als Bürgermeister Robert Postmann die Fotodokumentation sah, war er von der Hässlichkeit vieler Bauten vor allem an ihren Rückseiten erstaunt und erschreckt. Er meinte, man könne das der Bevölkerung nicht zeigen – es würde die Leute demotivieren, etwas für die Verbesserung des Ortsbildes zu tun. Durch das Fotografieren waren mir auch noch viele der Gebäuderückseiten entlang der Hauptstraße am Westufer des Vordernberger-Baches hinter dem designierten Abbruchhaus in guter Erinnerung. Ich bat daher den Bauamtsleiter und den Bürgermeister zu einer Besprechung beim Objekt und erklärte ihnen dort, dass allein die tiefe Position des Erdgeschosses bei diesem Bauwerk gegenüber dem Platzniveau ein deutliches Zeichen für ein recht hohes Alter dieses Hauses sei. Außerdem zeigte ich ihnen, was freigelegt würde, wenn das Haus nicht mehr bestünde. Die Gebäuderückseiten auf der anderen Seite des Vordernberger-Baches hinter dem Haus “Am Rossmarkt 1“ wären die neue Platzfassade geworden und sahen wirklich nicht attraktiv aus. Das überzeugte beide davon, den Abbruch des Bauwerks nicht weiter zu verfolgen.

Einige Zeit später fand sich ein Baumeister aus der weiteren Umgebung, der bereit war, das Haus zu kaufen und zu adaptieren. Bei einer Besprechung am 19.3.1980 skizzierte er seine Pläne für das Haus. Um der Feuchtigkeit im Erdgeschoss des Objektes entgegenzuwirken plante er, nur die tragenden Hauptmauern und damit die Konfiguration des Hauses zu erhalten. Entsprechend wolle er auch das Dach des Hauses dabei anheben. Er werde alle Fenster um mehr als einen Meter nach oben versetzen, auch die Decken zum Obergeschoss und zum Dachraum werde er anheben. Den unteren Teil des ehemaligen Erdgeschosses werde er mit Schutt auffüllen.

Als der Baumeister, der Bauamtsleiter und ich das Haus dann besichtigten, fiel mir ein Kachelofen im Erdgeschoss auf. Ich fragte den Baumeister, ob er diesem Ofen auf dem neuen Niveau wieder aufstellen oder zumindest mitnehmen werde. Als er merkte, dass ich den Ofen interessant fand, meinte er, dass ich ihn gerne haben könne und dadurch das Bauschuttvolumen etwas verringern helfen würde. Ich nahm den Ofen noch am selben Abend mit nach Graz und stellte ihn dort zunächst in losem Verband aus einzelnen Kachelelementen trocken über einer stabilen Holzunterkonstruktion wieder zusammen.

Erst mehr als drei Jahrzehnte später fand er in meinem Ausgedinge dann seinen vorläufig endgültigen Aufstellungsort. Der Kachelofen wurde von einem Johann Pammer im Jahr 1858 hergestellt – das steht auf den oben nicht lasierten Deckelementen des Ofens groß eingraviert. Der Dekor ist hauptsächlich im Stil des Rokoko geformt, nur im Zentrum der Front findet sich eine Raute mit einer Kopfdarstellung, die ich dem Klassizismus zuordnen würde. Die zeitliche Stilverschiebung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der Ofen nicht in einer Großstadt wie Graz, sondern von einem Hafner auf dem Land hergestellt wurde, wo es in aller Regel eine zeitliche Stadt-Land-Stilverschiebung gibt.

Als ich dann einige Wochen später wieder in Trofaiach zu tun hatte, wollte ich sehen, ob und wenn was inzwischen mit dem Bau am Rossmarkt weiter geschehen war. Schon von weitem sah ich das Haus von einem hohen Gerüst umgeben das mit Staubnetzen abgedeckt war. Als ich unter den Staubschutz schaute, sah ich mehrere Arbeiter, die dabei waren, den Verputz des Hauses mit Hämmern und Meißeln herunter zu schlagen. Die Arbeit war nahezu abgeschlossen. Nur beim vortretenden Gebäudeteil im Süden war der Verputz verblieben, weil hier die Deckenniveaus und die Fenster schon im Bestand höher lagen.

Beim aus Naturstein errichteten Hauptbau war nur noch eine Fläche von vielleicht zwei Quadratmetern schräg rechts über dem neuen Hauseingang übrig. Bei dieser konnte ich sehen, dass jeweils zuerst eine äußere Putzschicht abfiel und darunter eine ältere Putzschicht freigelegt wurde, auf der ein großflächiges Fresko sichtbar wurde. Ich bat deshalb die Arbeiten hier nur die äußere Schicht zu entfernen, die Schicht darunter mit dem Fresko zu belassen. Es wurde ein großer aufgemalter spiralförmiger Säulenschaft sichtbar, unter dem ein liegendes Kartuschenmotiv folgte. Weiter unten schloss ein stilisiertes korinthisches Akanthusblattkapitell an und darunter folgte der Beginn eines zweiten spiralförmigen Säulenschaftes. Ich stoppte die weiteren Arbeiten an der Fassade, verständigte das nahe Bauamt und von dort das Bundesdenkmalamt in Graz.

Einige Tage später rückte ich mit einer Kamera an und fotografierte das Haus mit dem Rest des Freskos – Gerüst und Staubschutz waren inzwischen entfernt worden. Ein Restaurator konsolidierte und konservierte später einen Teil des verbliebenen Freskos. Leider gingen wohl davor noch die Kartusche und auch das Kapitell samt Rest des unteren Säulenschaftes verloren. Heute ist nur noch die Darstellung des letzten spiralförmigen Säulenkörpers an der Ostfassade des Hauses in einem rechteckigen Feld zu sehen. Da die Niveaus samt Fenstern gehoben wurden, korrespondiert die Position der Säule heute nicht mehr mit den Geschossen des Hauses.

Die Arbeiter sagten mir, das Fresko sei rund um das Haus über die gesamte Höhe der Fassade in der unteren Putzschicht sichtbar geworden. Da sie aber den Auftrag hatten, den Putz beim Haupthaus vollständig herunter zu schlagen, hatte sich keiner von ihnen etwas dabei gedacht. So war ein längst in Vergessenheit geratenes, vielleicht mehr als 400 Jahre altes Außenfresko, das einst das Haus rundum gestaltet hatte, durch das Nichtreagieren einiger Arbeiter während der Freilegung fast vollständig gleich wieder zerstört worden.

Wäre ich 15 Minuten später gekommen, wäre das “Werk“ der Bauarbeiter bereits abschlossen gewesen und nie hätte jemand auch nur davon erfahren, dass dieses Haus einst rundum mit einem wohl aus der Renaissance stammenden Fresko gestaltet war. Das Haus “Am Rossmarkt 1“ ist bisher in ganz Trofaiach das einzige Objekt mit einem Außenfresko. Die heute noch etwa einen Quadratmeter große vorhandene Fläche zeigt eine von einst vielen spiralförmigen Säulen. Ergänzt habe ich in der Rekonstruktionszeichnung die vielen weiteren Säulenkörper mit ihren stilisierten Akanthusblattkapitellen in zwei Ebenen und die Kartusche dazwischen. Glücklicherweise machte ich damals ein Foto von den Resten des Freskos. Offenbar hatten solche Säulen das Haus einst im Rhythmus der Fenster umgeben. Der weitere Dekor des Hauses ist nicht bekannt.

Die Großform des Hauses Am Rossmarkt 1 ist bereits verändert, der Putz schon heruntergeschlagen, der letzte Rest des Freskos ist noch vorhanden, der Restaurator hat aber noch nicht mit seiner Arbeit begonnen
Die Großform des Hauses Am Rossmarkt 1 ist bereits verändert, der Putz schon heruntergeschlagen, der letzte Rest des Freskos ist noch vorhanden, der Restaurator hat aber noch nicht mit seiner Arbeit begonnen.
Foto: © Hasso Hohmann
So etwa sah die Ostfassade des Hauses mit den spiralförmigen Säulen, mit den Fenstern im einstigen Originalformat und in ihrer Originalposition, die mehr als einen Meter tiefer lag, aus. Das Pultdach ganz links wurde bei der Neukonzeption des Baues vorne zum Quergiebel. In dieser Rekonstruktionsskizze fehlen natürlich alle anderen Dekorelemente des ursprünglichen Freskos, von denen die Arbeiter auch berichteten, von denen aber nichts mehr vorhanden war
So etwa sah die Ostfassade des Hauses mit den spiralförmigen Säulen, mit den Fenstern im einstigen Originalformat und in ihrer Originalposition, die mehr als einen Meter tiefer lag, aus. Das Pultdach ganz links wurde bei der Neukonzeption des Baues vorne zum Quergiebel. In dieser Rekonstruktionsskizze fehlen natürlich alle anderen Dekorelemente des ursprünglichen Freskos, von denen die Arbeiter auch berichteten, von denen aber nichts mehr vorhanden war.
Zeichnung: Hasso Hohmann
Der konservierte Säulenschaft mit vielen kleinen Putzausbesserungen. Diese wurden notwendig, weil für eine bessere Haftung der zweiten Putzschicht die erste samt Fresko in annähend gleichmäßigen Abständen aufgehackt werden musste
Der konservierte Säulenschaft mit vielen kleinen Putzausbesserungen. Diese wurden notwendig, weil für eine bessere Haftung der zweiten Putzschicht die erste samt Fresko in annähend gleichmäßigen Abständen aufgehackt werden musste.
Foto: © Adele Drexler
Die östliche Fassade mit dem konsolidierten Freskorest sowie mit den um gut einen Meter angehobenen und im Format veränderten Maueröffnungen
Die östliche Fassade mit dem konsolidierten Freskorest sowie mit den um gut einen Meter angehobenen und im Format veränderten Maueröffnungen.
Foto:© Adele Drexler
Der Kachelofen von 1858, dessen Kacheln an mehreren Stellen durch Überhitzung schon zerbrochen waren, bevor ich ihn abtrug. Ich klebte die zerbrochenen Teile gleich nach dem Transport in Graz mit einer Mischung von Steinmehl und Wasserglas wieder zusammen. Dennoch blieben einige Risse undicht. 2014 setzte ich den Kachelofen in meinem “Ausgedinge“ in Graz wieder mit Lehm vermörtelt zusammen, ergänzte einige Fehlstellen und stattete ihn mit elektrischen Heizschlangen aus, sodass er wieder Wärme abgeben kann
Der Kachelofen von 1858, dessen Kacheln an mehreren Stellen durch Überhitzung schon zerbrochen waren, bevor ich ihn abtrug. Ich klebte die zerbrochenen Teile gleich nach dem Transport in Graz mit einer Mischung von Steinmehl und Wasserglas wieder zusammen. Dennoch blieben einige Risse undicht. 2014 setzte ich den Kachelofen in meinem “Ausgedinge“ in Graz wieder mit Lehm vermörtelt zusammen, ergänzte einige Fehlstellen und stattete ihn mit elektrischen Heizschlangen aus, sodass er wieder Wärme abgeben kann.
Foto: © Hasso Hohmann